Unter meiner Haut

Doch ich trag' dich, unter meiner Haut

Ich behalt dich, unter meiner Haut


(Elif)


Die Haut ist die paradigmatische Grenze der Innen/Außen-Differenz. Geht etwas unter die Haut, dann liegt ein Höchstmaß an Konsterniertheit vor, eine Grenzverletzung, die Nähe überschreitet. Man findet den Gedanken des Übertritts etwa bei Teresa von Ávila:


"Seele, suche dich in mir,

Suche mich in dir."


Die Innen/Außen-Differenz findet sich hier in die Innenseite hineinkopiert. Innen und Außen sind verwischt und dadurch wird Intimität erzeugt. Der Sinnraum, der durch die Innen/Außen-Unterscheidung aufgespannt wird, kollabiert und fordert damit metaphysische beziehungsweise religiöse Virtuosität, die zeigen kann, daß der Eintritt der Differenz für das Innen keine Bedrohung seiner Identität darstellt.


Die Topologie des Innen wird gleichsam neu kartographiert, denn jetzt hat das Innen eine Außenwirkung, die sich symbolisch in Umgürtungen unterschiedlicher Art zeigt, vom Kettchen bis zur Tätowierung des Namens der Geliebten auf die Haut. Eine Form der Abschirmung ist beispielsweise der Schleier, der das Innen verhüllt und seine Integrität bewahrt. Bei Hochzeiten werden die Brautpaare eingewickelt und tanzen unter einem Schirm. Die Innen/Außen-Unterscheidung erfährt auf der Seite des Innen ein re-entry und so kann das Intimsystem seine Umwelt erzeugen, also Grenzen erzeugen gegen den Rest der Welt.

Kommentare 1

  • Wenngleich vergleichsweise auch „nur“ der Trivialität des deutschen Sprichwortschatzes entnommen, ist der Ausspruch „Ich kann nicht aus meiner Haut“ ein weiteres metaphorisches Indiz für die Wahrnehmung dieses Hüllungscharakters unserer Haut; gleichermaßen gegenüber dem Verlust am Selbst („dünnhäutig“) als auch für den Gewinn daran („dickhäutig“ / vgl. C. Benthien; 1992 : 107). Die Haut (im politischen Neu-Deutsch) als Brandmauer zwischen dem Selbst und der Welt; als ein Ausdruck des Getrenntseins, an dessen Grenze nur Begegnung möglich ist. Die Haut (psychologisch) als identitätswirksame Projektionsfläche unserer Gefühle (Schamröte, Gänsehaut, …), als (dermatologisch) Unterscheidungsmerkmal (Hautfarbe, Tatoos,…), als (evolutionär) fantastisches Nachfolgemodell eines behaarten Felles, als (literarisch) in die Kulturpoetik feste Größe für unsere Leibeswahrnehmung, als Sinnesorgan vermittelnd zwischen Seele (Psyche) und Körper (Soma).


    Die Haut liefert dem psychischen Apparat durch ihre Schutzfunktion diejenigen Vorstellungen, die zur Entstehung des Ichs und seiner Funktion führen“ (vgl. Didier Anzieu). Sie umhüllt uns vollkommen, ist das früheste und sensitivste unserer Organe, unser erstes Medium des Austauschs und unser wirksamster Schutz“ (vgl. Ashley Montagu).