Tauchgänge in die Systemtheorie (2)

Wer oder was liebt wen oder was wenn jemand sagt "Ich liebe dich!"?


Eine Durchleuchtung der Körper beantwortet diese Frage nicht, ebensowenig eine Elektroenzephalographie des Gehirns oder die psychologische Aufbereitung von Bewußtseinsvorgängen. Der Entzug von Beobachtungen des Liebens im Satz "Ich liebe dich" läßt keine andere Wahl als die Adresse eine Ichs oder eines Du dafür zu mobilisieren.


Verlegenheitslösungen können sein: "Ich liebe dich von ganzem Herzen" oder "Ich liebe dich mit allem, was ich hab'." - Man stößt hier schnell an Grenzen der Darstellbarkeit, die zu einer Spracharmut führen, die man dann durch Gesten, Physiognomie u.ä. ein wenig verschieben kann, im Notfall auch durch Poesie.


Intimsysteme gewinnen an Stabilität durch die Integration von Ritualen, Formvorschriften, Geschichten, also durch Bezug auf ein Drittes, das Orientierung und Ordnung schafft. Aber der Glutkern der Liebe ist für den Geliebten unsichtbar. Intimsysteme neigen immer zur Nervosität. Jeden Moment kann das System kollabieren, sei es durch Vergessen oder durch Verlust an Glaubwürdigkeit. "Ich liebe dich" ist immer mit Defizit verbunden: "Beweise es".

Kommentare 1

  • «Wer oder was liebt wen oder was, wenn jemand sagt "Ich liebe dich!"?»


    Mit welchem Anspruch drückt man sich aus, wenn man über Liebe redet? Ich habe da etwas gegen eine Idee von der Rezeptur der Perfektion der Liebe zwischen Menschen. Liebe zählt schließlich zu den größten und wichtigsten Dingen in unserem Leben. Entsprechend tief könnten wir fallen. Damit müssten wir doch eigentlich verrückt sein, uns nur an einen zu binden, welcher uns obendrein auch jederzeit wieder verlassen könnte. Gegenüber diesen gleichermaßen inflationären wie eben damit auch stets mit hohen Erwartungen verbundenen drei Worte „Ich liebe Dich“ werden somit nicht wenige Menschen von Ängsten und Verunsicherungen bestimmt. Sodass man im moderneren Beziehungsalltag nicht minder erfolgreich auf andere, mehr reizvoll verschlüsselte Wortvarianten ausweicht; oder gar Taten und Handlungen derart überzeugend für sich sprechen lässt. Denn zeitgemäße Langzeit - Zweierbeziehungen orientieren sich weniger an institutionalisierten Unwichtigkeiten, sondern mehr am statuserhaltend steten Individualisierten. „Gleich und Gleich gesellt sich gern“, sagt man. Ist Liebe also die ständige Suche nach uns ähnlichen Menschen?