Sur la route de Phalère (13)

Was macht ego sicher, daß alter ego ihn liebt?


Nichts, denn es gibt nirgendwo einen Beweis für die Liebe. "Liebesbeweise" erzielen Plausibilität immer nur aus Kommunikation; dazu zählt insbesondere auch das stumme Einverständnis. Und für Kommunikation in jeglicher Form gilt: sie ist die Einheit der drei Selektionsprozesse Mitteilung, Information und Verstehen. Die Kommunikation beginnt keinesfalls mit der Mitteilung, sondern mit dem Verstehen. Erst durch das Verstehen werden Anschlußkommunikationen möglich, für die dann auch wieder dieselben Selektionsvorgänge gelten. Auch Intimsysteme gibt es nur so lange wie es Kommunikation gibt. Was dabei gesagt wird ist eine Auswahl aus einem Pool tradierter Erzählungen, sozial geteilter Formvorschriften, durch Massenmedien gelieferter Schemata u.ä. - Für die Anschlußkommunikation ist nur entscheidend, daß es von all dem ausreichende Vorräte gibt und daß sich die Themen dieser Kommunikation für die romantische Liebe semantisch einfärben lassen. Deshalb haben sich Liebende unendlich viel zu sagen, weil noch das nahezu Bedeutungslose - wie sie ihren Kaffee umrührt, wie er sein Brot bestreicht - bedeutsam wird. Alle Eigenarten des anderen sind von der Liebe betroffen. Und genau das macht das Scheitern des Systems wahrscheinlich.


Jedes Intimsystem hat es also mit Problemen der Authentizität zu tun. Deswegen ist "Ehrlichkeit" die bevorzugte Eigenschaft in Kontaktanzeigen, sofern es um die Stabilität des Systems geht. Wer als erstes seine sexuellen Vorlieben thematisiert, gilt als an einer "ernsthaften Beziehung" nicht interessiert. Kennenlernen ist ein Prozess, in dessen Verlauf Glaubwürdigkeit akkumuliert wird. Das System hat es vornehmlich mit dem Aufbau authentischer Kommunikation zu tun. Da Bewußtseine schlechterdings nicht verschmelzen können, läßt sich Liebe nicht beweisen, wohl aber beteuern. Der Liebesschwur schützt allerdings nicht vor Arglist und Täuschung. Das System bildet sogar eine Sensibilität für ein Übermaß an Liebesbeteuerungen aus: Wer die Semantik der Liebe zu intensiv strapaziert, erregt den Verdacht der Unaufrichtigkeit.