Sur la route de Phalère (1)

Sur la route de Phalère, un homme s’ennuie; il en aperçoit un autre qui marche devant lui, le rattrape et lui demande de lui narrer le banquet donné par Agathon. Ainsi naît la théorie de l’amour: d’un hasard, d’un ennui, d’une envie de parler.


(Roland Barthes)


Platons Symposion ist der Urtext des europäischen Diskurses über die Liebe. Apollodoros befindet sich gerade auf dem Weg nach Phaleron als ihm einer seiner Bekannten von hinten zuruft: "Hey du da, Apollodoros aus Phaleron, warte doch!" - Roland Barthes hat sich über diesen Bekannten Gedanken gemacht und es ist auffällig, daß er dabei den Baudelaire' schen Ennui als Motiv für diese Ansprache wählt. Der Mann langweilt sich und ganz zufällig sieht er diesen Apollodoros vor sich. Der Diskurs über die Liebe beginnt aus Langeweile, verdankt sich einem Zufall. - Das Symposion und die darin erzählten Geschichten sowie die Rede der Diotima haben die Dichtung, die Kunst, die Kulturgeschichte über Jahrhunderte geprägt.


Geschichten von der Liebe sind es, die über den Nachvollzug der fiktionalen Liebe unser Erleben der Liebe bestimmen. Was zum Wissensbestand über die Liebe gehört, was sie in ihrem Wesen ausmacht, worin ihre Substanz besteht, das wissen wir, weil wir Romane und Gedichte lesen, Liebesbriefe und Tagebucheinträge, Filme und Theateraufführungen sehen, Opern und Musicals hören, Chansons und Schlager.


Die Systemtheorie nimmt hier eine Änderung der Blickrichtung vor. Sie fragt nicht nach der Substanz der Liebe, sondern nach ihrer Funktion in Intimsystemen - und das theoriegeleitet, nicht in Form eines Gedichts, das die Liebe als eine Macht, als göttliche Kraft, als Seelenverwandtschaft o.ä. preist, sondern in Form einer soziologischen Theorie.


Eine Theorie der Liebe kann aber nicht in einer Lobpreisung der Liebe ihr Bewenden haben. Seit ich in den 80er Jahren Luhmanns Vorlesungen zur Theorie der Gesellschaft, ihrer Teilsysteme, den symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien u.a. gehört habe, begleiten Protestnoten diese Theorie. Gefragt wird, wo der Mensch bleibt, die Vernunft und auch: wo bleibt die Liebe? - Gerade bei der Liebe erweist sich ein ontologisch ausgerichtetes Substanzdenken als Barriere für die Beschreibungen der Systemtheorie. Die soziale Kälte, die ihr zu Unrecht nachgesagt wird, läßt die Änderung der systemtheoretischen Blickrichtung zuverlässig verweigern. -


Man kennt dieses Protestmuster aus ideologisch kontaminierten Kulturdebatten mit gläubigen Menschen. Über den Glauben muß aus der Haltung des Glaubens gesprochen werden, so daß sich der Glaube darin selbst bestärkt. Der Ungläubige wird nicht so sehr wegen seines Unglaubens getadelt, sondern weil Art und Form seines theoretischen Begreifens zu Glaubenszweifel führt. So ist es auch bei einer Theorie der Gesellschaft, die auf Normativität verzichtet. Wie das religiöse Erleben, so ist auch das Erleben der Liebe und seine theoretische Zurüstung auf Lobpreis verpflichtet, so, wie auch die Lobreden auf den Eros im Symposion angeordnet waren. Über die Liebe soll nur liebevoll gesprochen werden. Seltsamerweise entdecken Vertreter wissenschaftlicher Vernunft schlagartig ihr Herz für die Poesie, wenn sie mit Abstraktionsgewinnen wissenschaftlicher Vernunft konfrontiert werden. - Die Geräuschkulisse des Entsetzens über ihren vermeintlichen Verlust an Humanität begleitet die Systemtheorie von Beginn an. Wenigstens in Liebesangelegenheiten will man sich nicht vom Teufel dreinreden lassen. :evil: