Tauchgänge in die Systemtheorie (1)

Interessiert Luhmann nur der Bereich, worauf das System hinzielt und wie es überhaupt funktioniert?

Dann müßte es aber auch einen genauen Unterschied geben zwischen der Substanz der Liebe und dem zielführenden System Liebe.


Systeme haben keine Ziele. Sie können ihre Evolution nicht steuern. Sie sind selbstreferenziell, d.h. sie reproduzieren die Bedingungen ihrer Fortexistenz ständig aus sich selbst. Sie stellen sich selbst her indem sie von innen heraus eine Grenze zur Umwelt ziehen. Dadurch gewinnen sie Beständigkeit und Identität. Und Systeme sind operativ geschlossen, sie sind auf Selbstorganisation angewiesen. Auf der Ebene der eigenen Operationen gibt es keinen Durchgriff in die Umwelt des Systems. Ziele, etwa in Form von normativ motivierten Interventionen wären nur Lernblockaden, die vor allem eines bedeuten, daß die Evolution nicht vorankommt. Die Evolution des Systems ist kein teleologischer, zielgerichteter Prozeß; mit Evolution ist hier nur die Strukturänderung des Systems mittels Selbstreferenzialität gemeint. Wie diese genau vonstatten geht, hat Luhmann in einer eigenen Evolutionstheorie dargestellt.


Liebe selbst ist kein System. Liebe ist das symbolisch generalisierte Kommunikationsmedium des Intimsystems. Auch hier hat Luhmann eine spezifische Theorie solcher Kommunikationsmedien ausgebildet; ebenso für Kommunikation. Das Verständnis der Systemtheorie machen all diese Einzeltheorien nicht einfacher, aber unter dem ist es nicht zu haben. Man muß sich immer wieder bewußt sein, daß ein Phänomen wie Liebe hier nur als ein soziales Phänomen zum Gegenstand der Theorie gemacht wird. Was die Liebe ihrem Wesen nach ist, was sie als Gegenstand auszeichnet, alteuropäisch also die Frage nach ihrer Substanz, ist für die Systemtheorie ohne jedes Interesse. Sie schaut darauf, wie über die Liebe gesprochen und geschrieben wird, was die Dichter und die Philosophen sagen, aber sie gewinnt darüber keine Erkenntnis, was die Liebe ist, sondern wie ein Intimsystem, dessen Kommunikationsmedium die Liebe ist, funktioniert.


Angenommen alle Informationen die man aus einem System ablesen könnte, wären fehlerhaft und fälschlich.

Was würde übrig bleiben? Nur das System selbst und die Frage nach dem, warum gibt es das System?
Es bleibt die Suche und die Frage, was könnte man finden.


Die "Informationen" über ein System und sein Funktionieren, stellt die Systemtheorie selbst zur Verfügung: Systeme sind selbstreferenziell organisiert, operativ geschlossen, ziehen von innen heraus eine Grenze zu ihrer Umwelt usw. Zieht man all das ab, hat man keine Theorie mehr. Das System würde in seinem Funktionieren dadurch nicht beeinträchtigt. Man kann sich lieben ohne vorab ein Studium der Systemtheorie absolviert zu haben. Das System ist ja selbstreferenziell. Eine Theorie des Systems ist für das System ein Umweltereignis. Ein Mann liebt eine Frau nach vollzogener Luhmann-Lektüre nicht anders oder bewußter oder intensiver als vorher. Systeme tun, was sie tun.

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