Sur la route de Phalère (6)

WIR BEIDE / Rest der Welt


Wird an dieser Unterscheidung die linke Seite markiert, ist das Intimsystem sozusagen eingeschaltet. Das bedeutet keineswegs, daß der Rest der Welt überhaupt keine Rolle mehr spielt. Das Intimsystem ist ja nur operativ geschlossen, nicht kognitiv! Es kann sich nur aus seinen eigenen Elementen her fortschreiben. In Anknüpfung an Maturana nennt Luhmann diesen Sachverhalt "Autopoeiesis". Die Elemente, um die es dabei geht, sind einzig Kommunikationen. Eine Kommunikation reiht sich an die andere (wie beim Bewußtseinssystem ein Gedanke an den anderen).


Intime Kommunikation kann über Sprache laufen, über Gesten, über die Augen und auch über das Schweigen. Das Schweigen ist nicht etwa Nicht-Kommunikation. Vielleicht kann man sich das am Fall des "beredten" Schweigens klar machen. Wenn sie sich im Badezimmer die Haare föhnt und er dazukommt, und sich mit der Fernsehzeitung in der Hand auf die Kloschüssel setzt, könnte sie in dem Moment sagen: "Nun warte doch bis ich fertig bin." Sie könnte aber auch wortlos ihren Föhn mit ins Schlafzimmer nehmen und ohne ihn eines Blickes zu würdigen, ihre Haare dort weiterföhnen. Auch so wird kommuniziert. Eine Bestätigung für diese Kommunikation läge etwa darin, daß er später zu ihr sagt: "Du, das vorhin im Badezimmer, das tut mir leid."


Hier kommt etwas Wichtiges dazu: Kommunikation kommt nicht dadurch zustande, daß sie etwas sagt oder über dieses Etwas schweigt. Kommunikation kommt erst mit dem Verstehen zustande. Hat er zum Beispiel ihr Handeln im Bad überhaupt nicht bemerkt, liegt keine Kommunikation vor. Verstehen heißt auch nicht, daß er sie richtig versteht. Kommunikation ist kein Vorgang, bei dem etwas ausgetauscht wird o.ä. Die Systemtheorie konzeptualisiert den Vorgang der Kommunikation von seinem Ende her. Dabei ist "gelungene" Kommunikation nicht die, bei der alter ego das von ego Gesagte so versteht wie dieser es gemeint hat. Auch das Mißverstehen ist Verstehen. Der Dissens hält die Kommunikation in Gang:


"Warum hast du das gesagt?"

"Hab' ich gar nicht."

"Doch, natürlich."

"Aber nicht so gemeint wie du es darstellst."

"Wie denn dann?"

"Ich wollte nur ..."

"Und warum sagst du es dann gesagt?"

Kommentare 3

  • Intime Kommunikation geschieht stets unter dem Ausschluss dritter und lebt von der verbalen und der nonverbalen Interaktion zwischen zwei Spannungspolen. Hieraus resultiert eine Interaktionsstruktur, dessen unstetiger Handlungsfokus sich aus der jeweiligen Reaktion des Gegenübers herleitet. Als Handlungsrahmung dient einerseits, dem Liebesideal folgend, so etwas wie der tiefe Wunsch nach Vertrauen, Sicherheit und einem Gleichklang der Seelen. Andererseits bestimmt die gegenseitig wahrgenommene Attraktivität dieses Handlungsfeld nicht minder deutlich.

    • Syndyastische Sexualtherapie als fächerübergreifendes Konzept der Sexualmedizin*


      Klaus M. Beier, Kurt Loewit * Überarbeitet aus: Klaus M. Beier, Kurt Loewit: Lust in Beziehung. Einführung in die Syndyastische Sexualtherapie als fächerübergreifendes Therapiekonzept der Sexualmedizin. Springer 2004. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.


      «Was meint „syndyastisch“? Die Bedeutung von guten zwischenmenschlichen Beziehungen als Grundlage von Lebenszufriedenheit und -qualität stellt niemand ernstlich in Frage. Dabei erwächst diese Zufriedenheit zweifelsohne aus der Akzeptanz, d.h. dem Gefühl des Angenommenseins durch die Bezugsperson und damit dem emotional stabilisierenden Empfinden, richtig, sicher und geborgen zu sein. Besonders intensiv ist dieses Empfinden dann, wenn die Bezugsperson diese Annahme auch körperlich vermittelt, d.h. durch körperliche Nähe und Wärme „vollzieht“. Das ist der Grund, warum Intimbeziehungen am meisten geeignet sind, um Glück und Zufriedenheit bei den Beteiligten auszulösen – hier geschieht die Annahme auf allen Ebenen, einschliesslich der konkreten körperlichen Sichtbarmachung gegenseitiger Zuneigung, die im gemeinsamen – auch sexuellen – Lusterleben (im doppelten Sinne) ihren Höhepunkt findet.


      Diese – lange vor der naturwissenschaftlich fundierten Medizin – bekannte Tatsache der existentiellen Bedeutung von Beziehungen führte bei Aristoteles zu einer neuen Begriffsbildung, die hier zur Ableitung der Bezeichnung „syndyastisch“ gedient hat. In seiner „Nikomachischen Ethik“ erläutert Aristoteles den Sachverhalt des „Einander-vertraut-Werdens“ („syn oi keioûsthai“) im Sinne von „Zugehörigkeit“ und grenzt hiervon auch sprachlich die Beziehung zu einem bedeutsamen Anderen im Sinne der Paarbeziehung (syndyastikós) ab, in der sich besonders intensiv Vertrautheit und Zugehörigkeit herausbilden können (Buch VIII, Kap. 14). Auf diesen Zusammenhang kommt er auch in seiner „Politik“ (Buch I, Kap. 2) zu sprechen, wo er das entsprechende Verb („syndyazesthai“) verwendet und die Beziehung zwischen zwei Partnern als Basis der Lebenserhaltung (und damit der Politik bzw. staatlicher Entwicklung) darstellt.»

    • Fühle mich in diesem Metier nicht derart sicher zuhause, um mich auf wissenschaftlich fundierte Nuancierungen hierzu differenzierend einzulassen. Beier und Loewit sind mir daher auch mehr über die Begrifflichkeit der „Dissexualität“, als Oberbegriff für ein sozial dysfunktionales sexuelles Verhalten, geläufig; wobei sich als deren Behandlung ebenso deren Syndyastische Sexualtherapie empfiehlt. Wie sich letztere mit dem Blogthema in Einklang bringen lässt, führt mich an die Grenzen meiner Abstraktionsfähigkeiten.