Die drei Grazien oder Opulenz und Korpulenz


Peter Paul Rubens - Die drei Grazien (ca. 1630)



Eufrosine, Thalia und Aglae verkörpern Charme, Freude und Schönheit. Die drei Grazien gehören in der Mythologie zum Gefolge der Aphrodite und ihre besondere Aufgabe besteht im Schutz der Philosophen. Die Körper der drei Grazien sind mit opulenter Sinnlichkeit ausgestattet, die Andeutung ihrer Fülle symbolisiert den Reichtum und die Vielfalt des philosophischen Denkens und seine Freude am Überschwang, an der Spekulation, am Ausgreifenden und Ausladenden, am Mäandern und der Weit- und Ausschweifigkeit dieses Denkens.


Das ist heute aufgegebenes Terrain. Körper ohne Gewicht sind das Ideal des Denkens ohne Gewicht. Der Hass auf die körperliche Fülle korrespondiert der Vorliebe für frugales Denken, das sich der Mode des Zeitgeistes als verschlanktes Denken anbiedert. Es geht dabei nicht um individuelle Vorlieben. Das ist geschenkt. Ein Gegengeschenk in Form von Toleranz scheitert an der Kargheit und Kleinteiligkeit des einzig an Torheiten reichen verschlankten Denkens.


Dieses Denken macht keine Lust auf mehr, weil es selber die Lust nicht kennt. Daß Philosophie lustvoll, barock, ausladend, üppig sein kann, kommt ihm so wenig in den Sinn wie daß der üppige Körper Gegenstand eines Begehrens sein kann. Die deutsche Sprache hält dafür ein besonderes Attribut im Sinn. Armseligkeit.

Kommentare 9

  • Die Darstellung leiblicher Fülle und Sinnlichkeit als trotzige Gegenbewegung zum stark ausgeprägten Vergänglichkeitspathos (Vanitas) des Barocks. Das Leben ständig vom Tod bedroht - Alles ist eitel, Memento Mori, Mensch werde wesentlich...

  • Aus dem Füllhorn quillt das reine Wasser zur Erfrischung der Grazien, die dem Aussehen nach Drillingsschwestern Schwestern sein könnten. Im Alter jedoch sind sie um ein Jahr getrennt. Die Grazie links ist die Jüngste. Ihr freudiger Blick lässt vermuten, dass sie ihrer Empfängnis sicher ist und dies mit Blick auf das befruchtenden Füllhorn mitteilt. Die Grazie in der Mitte zeigt sie Monate später, im Körper einer Hochschwangeren. Und ganz rechts steht mit unterschiedlich grossen Brüsten die Stillende, schon bald als wäre nichts gewesen, wieder in Form. Die Offenheit des Verborgenen steht im Zeitraffer nackt vor dem Maler und dem ausschweifenden Blick der Betrachter auf die modellstehende Frau des Meisters. Warum sonst, behielt er das Bild ihr und dem Nachwuchs zu Ehren und Danken im Studio, wo es in seinem Nachlass ausgewiesen ist?

    • "Die Offenheit des Verborgenen steht im Zeitraffer nackt vor dem Maler und dem ausschweifenden Blick der Betrachter auf die modellstehende Frau des Meisters." (Alltag)


      Es gibt von Helene Fourment, Rubens' zweiter Ehefrau, ein Portrait im Stile der Venus pudica, in dem dieser ausschweifende Blick des Betrachters durch Helenes Blick reflektiert wird, so als würde Helene dessen Blick bereits vorwegnehmen. Das verleiht dem Bild eine unausgesprochene Intimität. Dadurch bilden der Betrachter und die Betrachtete eine Art Symbiose. (s. den neuesten Beitrag in diesem Blog)


      Der Name Rubens steht ja für den Frauentypus des Üppigen. Das Zeitalter des Barock ist insgesamt vom Schönheitsideal des Ausladenden und Üppigen geprägt, was diesem Frauentypus - nicht nur durch Rubens - das Attribut des "Barocken" beigibt. Weiblichkeit wird auch in ästhetischen Kategorien formatiert. Sie unterliegt dem geschichtlichen Wandel dessen, was wir das Schöne nennen. - Das jedoch ist ein Aspekt, der den zeitgenössischen Gesundheits- und Moralaposteln nicht in den Sinn kommt. Für sie ist das Barocke das Kranke in Reingestalt, seine Signatur das Unästhetische, ein Vehikel, das ihren (politischen) Hass befördert. -



    • Impulsgebend war womöglich der Zeitgeist des Barocks, dass sich auch der flämische Maler Peter Paul Rubens, ebenso wie Botticelli und Baldung Grien, dem Thema der drei Grazien widmete. Dieser erschuf diese Grazien nicht als idealisierte Frauengestalten, sondern als dessen künstlerisches Empfinden von Natürlichkeit; und somit als frohe Frauen, welche voll von Leben sind. Sich damit zur Schönheit der Natur bekennend, werden sie daher bei ihm auch zum Sinnbild des Wachsens, Gedeihens, Reifens und Erblühens.


    • In den Sinn kommt einem da als Vorschlag zur Güte, was auch noch so lustvoll, barock, ausladend, üppig sein kann, lädt zum - Hinschauen und Hineindenken. (¬,~)

    • Es gibt zu den Imaginationen der Weiblichkeit eine vielfach gelobte Dissertation der Literaturwissenschaftlerin Silvia Bovenschen: Imaginationen der Weiblichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen.


      Ich will mich jetzt da nicht versteigen, aber ein Blick in diese Arbeit könnte auch Auskunft über das barocke Bild der Frau geben, das ja - vermutlich - eher von Männern geprägt wurde als von Frauen.

    • Nun, vielleicht nur etwas weniger Aufmerksamkeit gebührt in diesem Kontext jene 2013 an der Grazer Karl-Franzens-Universität eingereichte Diplomarbeit der Christina Moser, zu deren Erlangung des Grades einer Magistra der Philosophie; betitelt mit: „Die drei Grazien – Ein Motiv und dessen Bedeutung im Wandel der Zeit“.


      Ein Blick dort hinein, könnte womöglich mit dazu beitragen, die Deutungen und Interpretationen gegenüber dieser Darstellung noch mehr zeitbezogener wahrzunehmen?