Venus pudica

Einer der bedeutendsten Bildhauer der griechischen Antike war Praxiteles. Eines seiner bekanntesten Werke ist die Aphrodite von Knidos, eine Statue, die kunstgeschichtlich einen bestimmten Venustypus begründete, die Venus pudica. Die schamhafte Venus zeigt die Göttin stehend und mit der rechten Hand bedeckt sie ihre Scham vor dem Betrachter:



Die schamhafte Venus wird in späteren Versionen auch so dargestellt, daß sie ihre Nacktheit durch das Bedecken ihrer Brüste zu verbergen sucht. Eine berühmte Venus pudica ist auf Botticellis La nascita di Venere zu sehen:



In diesem Ausschnitt sieht man auch das leichte Anheben des rechten Fußes. Rubens wollte in dem Bild Die drei Grazien seine zweite Ehefrau Helene Fourment, von ihm liebevoll "het pelsken" (Pelzchen) genannt als Göttin der Schönheit und der Liebe darstellen und hat sie deshalb nach dem Vorbild der Venus pudica gemalt:



Auch hier ist, um die Bewegung anzudeuten, der rechte Fuß leicht erhoben. Helene blickt den Betrachter direkt an mit einem leichten Lächeln. Ihre weiße Haut hebt sich vor dem dunklen Hintergrund ab. Die linke Schulter und ihr Gesäß wird von einem schweren Pelzmantel bedeckt. Doch es gibt ein kleines Detail, das vom Grundtypus einer Venus pudica abweicht: Helene versucht nicht, ihre Brüste zu bedecken wie es Botticellis Venus macht, im Gegenteil: ihr rechter Arm hebt ihre Brüste hoch. Die schamhafte Venus von Rubens in Person von Helene Fourment bekommt damit eine leicht ironische Brechung, etwas Augenzwinkerndes und Kokettes.

Kommentare 2

  • Durch die Bloßstellung der Intimität könnte man die schamhafte Pose der Venus als ein zurückweichen, verharren, scheuen interpretieren. Das Verschließen der Venus, während die Muschel Offenheit übermittelt.


    Interessant auch der fern versunkene Blick der Venus, im Vergleich dazu schaut Helene mit ihren Augen fordernd. ;)

    • Ja, die Geburt der Venus von Botticelli hat eine umfangreiche kunstgeschichtliche Wirkungsgeschichte. Das Bild oben ist nur ein Ausschnitt; aber schon darauf sind links Zephyr, der Westwind, und seine Gefährtin, die Nymphe Chloris zu sehen. Sie sind ineinander verschlungen und der Westwind bläst (Chloris auch, aber schwächer) in Richtung Venus, damit diese ans Ufer getrieben wird. Venus wird aus dem Schaum des Meeres geboren, Rosen fallen vom Himmel herab. Ihr überlanges Haar wird vom Wind durcheinander gewirbelt ...


      Es gibt von Aby Warburg eine Studie zu diesem Bild von Botticelli, in der er das "bewegte Beiwerk" (Haare, Gewänder, Wind, Rosenregel usw.) minutiös beschreibt. Vielleicht können wir bei Gelegenheit im Rahmen unseres Projektes näher darauf eingehen. - Mich fasziniert an diesem Bild die Zärtlichkeit, die darin allegorisch durch viele kleine Details (die Rosen haben zum Beispiel kleine goldene Herzen) zum Ausdruck kommt. <3