Die Romantik und Dante

Wes ist das Lied, das mit geweihten Zungen

Des Weltalls Höhn und Tiefen ernst verkündet;

Erst langsam durch des Abgrunds Nachts sich windet,

Der Prüfung Gipfel kühner schon errungen;

Dann, neu gekräftigt, himmelan gedrungen;

Daß Religion und Poesie verbündet

Noch nie so Cherubinen-gleich entzündet

Sich mit den Sphären schwungen und erklungen?


So beginnt August Wilhelm Schlegel sein Gedicht über Dante. Die Verbündung von Religion und Poesie war für die Frühromantik ein zentraler Topos. Denn beiden liegt eine Suchbewegung hin zum Grenzbereich von Sagbarem und Unsagbarem zugrunde. Insbesondere die hebräischen Texte des Alten Testaments sind über weite Strecken poetische Texte. Und im Islam wurde der Koran - und wird bis heute - von Beginn an als Poesie gelesen. (Das Rezitieren von Koran-Versen gilt deshalb als Deklamation von Poesie.) Schlegels "Verbündung" von Religion und Poesie liegt darin, daß die Sprache aus ihrer reinen Zeichen- und Benennungsfunktion heraustritt und zu einem Instrument der Erkundung der Schwelle zum Unsagbaren wird.


Vom Unsagbaren heißt es bei Wittgenstein: es "zeigt sich". Dieses Sich-Zeigen anzudeuten, es - paradox formuliert - zur Sprache zu bringen, darin liegt ein gemeinsamer Wesenszug des Poetischen und Religiösen.


Und natürlich hat August Wilhelm Schlegel auch ein Gedicht über Petrarca geschrieben:


In Frühlingslüften, die vorüber ziehen,

Fühlst du, im Lorbeerbaum erblickst du Lauren;

Sie nennt dein Mund, wie schüchtern er auch schweige.


Hier liegt das Paradox, das Unsagbare zu sagen, im Schweigen des Mundes, der "Laura" sagt. So gesehen ist es kein Zufall, daß sowohl Beatrice als auch Laura engelsgleich sind. :)