"Kalt ist der Abendhauch"

(Dieses Photo hat mir ein lieber Mensch geschickt)

<3


In einer Notiz vom 19. Juni 1931 schreibt Wittgenstein "Ein Motto für mein Buch: 'Seht ihr den Mond dort stehn? Er ist nur halb zu sehn und ist doch rund und schön.' "

Verse aus dem Abendlied Der Mond ist aufgegangen von Matthias Claudius.


So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.


Eigentlich beschreiben diese Verse eine Grundkonstellation der Philosophie. Was sie sieht, sieht sie "nur halb", bedenkt und behandelt es aber als "rund", sogar "schön". Das Nicht-Sichtbare wird vom philosophischen Denken durch Sprachformen ergänzt, die es sich mit der Poesie teilt und so kann das Ganze des "Mondes" zur Anschauung gebracht werden, was der strenge Begriff "Halbmond" im Dunkeln lassen muß. Die Philosophie "zeigt" auf etwas ("Seht ihr .... das?) als "rund", was sie sprachlich nur "halb" erfassen kann. (Sagen/Zeigen ... Begriff/Ausdruck ... diskursiv/expressiv ... ) - Auch die thrakische Magd ist wieder mit von der Partie: Die "Sachen", auf welche die Philosophie "zeigt", die sie sichtbar macht, obwohl sie unsichtbar sind, sind solche, "die wir getrost belachen, weil unsre Augen sie nicht sehn". So ist die Philosophie eine Schule des Sehens.

Kommentare 1

  • "Eigentlich beschreiben diese Verse eine Grundkonstellation der Philosophie"


    Diese zeigen damit aber auch auf, dass sich die Philosophie keineswegs einer Beliebigkeit andient; sondern, befeuert von der Lust nach einem intensiveren Empfinden, eher einer inneren Notwendigkeit nach Abenteuer und Aufbruch ins Ungesicherte folgt.