"Wie ein Naturlaut"

Vermutlich hat Gustav Mahler das Motiv zum Trauermarsch der ersten Symphonie einem alten österreichischen Kinderbuch entnommen: der Leichenzug des Jägers. Die Tiere des Waldes bestatten in einer feierlichen, gleichwohl grotesken, Prozession einen Jäger. "Wie ein Naturlaut" hat Mahler den ersten Satz überschrieben, der mit einem "a" über sechs Oktaven beginnt. Es ist das "Erwachen der Natur aus dem langen Winterschlaf". Man hört Vogellaute und fanfarenartige Motive. Aus den Liedern eines fahrenden Gesellen greift Mahler das zweite Lied (Ging heut´ morgen übers Feld) heraus und verarbeitet es in den Celli. Der "fahrende Geselle" ist ein heimatloser und durch die Natur streifender junger Mann. Überhaupt ist die Natur und das romantische Verhältnis zu ihr das zentrale Thema der ersten Symphonie. Den auf Jean Paul bezogenen Titel Titan hat Mahler zwar später wieder verworfen, aber noch heute wird die Symphonie unter diesem Titel aufgeführt. Neben Jean Paul ist vor allem E.T.A. Hoffmann eine Inspirationsquelle für diese Komposition, wovon der "Totenmarsch in Callot´s Manier" Zeugnis gibt. Der Bezug zu Hoffmanns Fantasiestücke in Callot´ s Manier mit dem Untertitel Blätter aus dem Tagebuche eines reisenden Enthusiasten ist offensichtlich. - Das nach Art eines langsamen Ländlers komponierte Trio des zweiten Satzes mit den geradezu lieblichen und zarten Glissandi ist (für mich) eine der anrührendsten Stellen in dieser Symphonie.


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(Mahlers "Komponierhäuschen" in Steinbach am Attersee


Die nachfolgenden Photos, die mir der "liebe Mensch" gestern überließ, sind gleichsam eine photographische Illustration des Titan:




Kommentare 1

  • Re: Vermutlich hat Gustav Mahler das Motiv zum Trauermarsch der ersten Symphonie, einem alten österreichischen Kinderbuch entnommen: der Leichenzug des Jägers.


    Als eine musikalisch gelungene Formensprache zur Ausdruckgebung des Uneigentlichen, einhergehend mit einer diskreten Koketterie zum Humor, so will ich hierzu beipflichtend Mirijam Schadendorf in deren Werk „Humor als Formkonzept in der Musik Gustav Mahlers“ verstanden haben. Denn der Rezipient fühlt sich hier, in Anbetracht fließend wahrgenommener Übergänge zwischen Parodie, Persiflage und Karikatur gegenüber einer Ausdifferenzierung von musikalischer Komik etwas alleingelassen; aber niemals ungeborgen.