Gedanken zur Freiheit in der Demokratie (Anlehnung an F. Fukuyama)

  • Vor ein paar Tagen veröffentlichte der Tagesspiegel ein Interview mit Francis Fukuyama und der Frage, ob sich seine Ansichten zum Ende der Geschichte und des Siegeszuges der Demokratie angesichts von Wahlprognosen und -ergebnissen hinsichtlich autoritärer oder populistischer Parteien geändert hätten. Im Schlußteil dieses Interviews fügt er hinzu, daß eine liberale Demokratie wohl auf gesellschaftlich einigermaßen homogene Wertvorstellungen angewiesen sei (den genauen Wortlaut kann ich leider nicht mehr beisteuern, da der Artikel inzwischen hinter die Paywall geschoben wurde; im Wikipedia-Artikel zum Thema wird immerhin ein "homogenes Volk" als Voraussetzung für die Demokratie genannt, was ich etwas mißverständlich finde, da man das "homogene Volk" ja auch in materieller oder biologischer Hinsicht verstehen könnte).


    Mir gab diese Formulierung zu denken, zumal ich gerade den Aufsatz Die demokratische Regression (Armin Schäfer, Michael Zürn, Surkamp 2749) gelesen hatte. Dort wird eine innere Gefährdung der Demokratie durch Populisten unter anderem in der Weise behauptet, daß diese "zur Untergrabung ungeschriebener Gesetze führen kann, die entscheidend für das Funktionieren der Demokratie sind. ... Die herausfordernde [populistische] Partei bricht Tabus; ... Es kommt zu einer Emotionalisierung, die zu einer zusätzlichen Eskalation und Radikalisierung von Zielen beiträgt. Im Ergebnis gefährdet das die informellen Praktiken einer Demokratie." (S. 180)


    Ich hatte den Aufsatz von Schäfer und Zürn zuerst gelesen und zunächst darüber nachgedacht, ob solche "informellen Praktiken" nicht im Sinne der Rechtsstaat-Idee abzulehnen wären, weil sie einerseits nicht allen Menschen unbedingt zugänglich sind, vielmehr diese zur Teilhabe die gesellschaftlichen Codes kennen müßten (vergleiche Bourdieus Gedanken zum Habitus), und als ungeschriebene wie wohl auch meist unausgesprochene Gesetze leichter der Willkür anheimfallen können als kodifiziertes Recht.


    Die Worte Fukuyamas haben mich dann wanken machen. Nach einiger Hintergrundrecherche habe ich zunächst meine Vermutung bestätigt gefunden, daß sein Freiheitsbegriff für die liberale Demokratie eher dem der Selbstentfaltung im Rahmen des gesellschaftlich Erlaubten entspricht. Damit wird seine Aussage leicht nachvollziehbar. Ein Gesetz gegen das Wegnehmen von Sachen aus einer fremden Wohnung ist unnötig, wenn sich alle Bürger einig sind, dies nicht zu tun - oder wenn sich alle einig sind, daß dieses Verhalten in Ordnung ist (und sich jeweils auch entsprechend verhalten).


    Von daher betrachte ich die demokratische Regression im Sinne Fukuyamas zunächst eher als Abkehr vom Liberalismus als von der Demokratie - dem Liberalismus, der sich buchstäblich zwanglos aus der relativen Wertehomogenität ergibt (Beispiel wegnehmen aus Wohnungen). Um aus abweichenden Wertvorstellungen beziehungsweise daraus entstehenden Handlungen rührende gesellschaftliche Konflikte zu bändigen, sehe ich zwei Möglichkeiten:

    • informelle soziale Kontrolle, wie sie wohl Schäfer und Zürn mit den Tabus im Sinne haben; früher oft in Formeln gekleidet wie "das macht man nicht", "was sollen die Leute denken" etc.
    • offene Unterdrückung beziehungsweise Erzwingen von konformen Verhalten

    Tatsächlich wird bei Schäfer und Zürn die Rede von Viktor Orban zur "christlichen Demokratie" auch als Musterbeispiel für autoritären Populismus angeführt (Anfang Kapitel 6). Könnte man als Summe unterm Strich ableiten, daß die Freiheit in der liberalen Demokratie nur bestehen kann, solange sie nur in eher begrenztem Maße genutzt wird?

  • im Wikipedia-Artikel zum Thema wird immerhin ein "homogenes Volk" als Voraussetzung für die Demokratie genannt, was ich etwas mißverständlich finde, da man das "homogene Volk" ja auch in materieller oder biologischer Hinsicht verstehen könnte).

    Ich kann mir vorstellen, dass sich das auf die Wertvorstellungen bezieht.

    Könnte man als Summe unterm Strich ableiten, daß die Freiheit in der liberalen Demokratie nur bestehen kann, solange sie nur in eher begrenztem Maße genutzt wird?

    Freiheit muss ja nicht zwingend bedeuten, alles maximal auszukosten und die Grenzen der Konventionen maximal zu belasten.

    Ich glaube man muss hier - wie bei der Willensfreiheitsdiskussion - zwischen (präkonventioneller; Kohlberg) Freiheit im Sinne der Willkür und (postkonventioneller) im Sinne der Begründung des eigenen Verhaltens unterscheiden.

    Da das gewöhnlich aber auch bei der Willensfreiheitsdiskussion nicht verstanden wird, erwarte ich das hier auch nicht.

    "It's not that I don't like them, I really hate them." (Eine Ukrainerin)

  • Könnte man als Summe unterm Strich ableiten, daß die Freiheit in der liberalen Demokratie nur bestehen kann, solange sie nur in eher begrenztem Maße genutzt wird?

    Ds hängt ja maßgeblich vom Freiheitsbegriff ab, von dem man ausgeht. Je stärker er mit Gleichheit oder Gerechtigkeit verwechselt wird, desto sicherer geht die Freiheit baden.


    Wobei das dann ein Problem nicht nur in einer liberalen Demokratie ist.


    (Keine Lust, mit Veith Selks "Demokratiedämmerung" zu lesen? Siehe den Strang).

    Ich will hier nur sitzen.

  • Wenn sich die Bürger die Freiheit herausnehmen, sich gegenüber anderen Gesellschaftsschichten zu übervorteilen, die auch in keiner angemessenen Relation zum eigenen Wert steht, dann hört die Demokratie auf zu funktionieren.

    Zwischen den Zeichen, die wir setzen, liegen die Grenzen, die sie verschieben.

  • Hi

    Wenn sich die Bürger die Freiheit herausnehmen, sich gegenüber anderen Gesellschaftsschichten zu übervorteilen, die auch in keiner angemessenen Relation zum eigenen Wert steht, dann hört die Demokratie auf zu funktionieren.

    Wenn sich Bürger einer fortgeschritteneren Kultur die Freiheit herausnehmen, sich gegenüber anderen relativ zurückgebliebenen Kulturen zu übervorteilen, die auch in keiner angemessenen Relation zum eigenen Wert steht, dann entspricht dies dem Grundprinzip Demokratie.


    SCNR


    mvg Philzer

    Pflichteid an die Pan-Theismen des Sozialdarwinismus:

    Ich schwöre, dass alles von mir Geschriebene lediglich ein Meinen ist. - Philzer


    Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet.
    Von den Tatsachen, die ihnen mißfallen, wenden sie sich ab
    und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag.
    Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer.


    Gustave Le Bon

  • :)

    Pflichteid an die Pan-Theismen des Sozialdarwinismus:

    Ich schwöre, dass alles von mir Geschriebene lediglich ein Meinen ist. - Philzer


    Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet.
    Von den Tatsachen, die ihnen mißfallen, wenden sie sich ab
    und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag.
    Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer.


    Gustave Le Bon

  • ein "homogenes Volk" als Voraussetzung für die Demokratie

    Das gilt im Prinzip in der Demokratietheorie, wie ich jetzt festgestellt habe, ziemlich umfassend (jedenfalls für die liberale Demokratie). Wobei natürlich der Begriff des "Volkes" sich stark gewandelt hat. Aber selbst Hans Kelsen hat das in seinem Büchlein über die Demokratie vertreten, wobei es ihm nicht um Ethnie oder gar Rasse ging, sondern um die gemeinsame Sprache. Wir werden im Strang um Selks Buch sicher auch darauf eingehen (müssen), weil zum Nachvollziehbarkeitkriterium von Politik als Demokratievoraussetzung (im Sinne des Sartori-Kriteriums der Verständlichkeit) diese gemeinsame Sprache unabdingbar ist. Von daher hätten beispielsweise die Vereinigten Staaten von Europa ein unüberwindbares Problem, sich demokratisch zu verfassen.

    Ich will hier nur sitzen.

  • 8|


    Vor allem so selbsterklärend.

    der erste zielt darauf, dass sich der Mensch in der Demokratie einen zu hohen Anspruch zuschreibt, der seinem Nutzen für die Gesellschaft, seinem Grad an Ehrwürdigkeit nicht gerecht wird. Ist das der Fall, dann zerfällt die demokratische Ordnung. Darauf zielt Astralis Everdream

    Philzer hingegen zielt darauf, dass wir kollektiv als Demokratie die Welt ausbeuten. Indem wir unsere Macht nutzen, diktieren wir anderen unsere Bedingungen. Und dies ist eine Bedingung der Demokratie: Sie muss auf Wohlstand gebaut sein. Ein solcher hat aber stets den Verlierer zur Folge, der ausgeblendet wird und in heutiger Zeit gar übersehen wird, weil die Systemkräfte hinreichend stark wirken und so komplex sind, dass sie eh nicht mehr überblickt werden.

  • Und dies ist eine Bedingung der Demokratie: Sie muss auf Wohlstand gebaut sein.

    Für die liberale Demokratie stimmt das sicherlich. Aber auch Nicht-Demokratien funktionieren nicht richtig ohne Wohlstand. Aber gut, zugestanden.

    Ein solcher hat aber stets den Verlierer zur Folge, der ausgeblendet wird und in heutiger Zeit gar übersehen wird, weil die Systemkräfte hinreichend stark wirken und so komplex sind, dass sie eh nicht mehr überblickt werden.

    Das ist dann aber eine moralische Wertung. Die Verlierer gibt es auch ohne Demokratien. Russland oder China sind noch viel ausbeuterischer und neo-kolonialistischer als wir das sind. Wenn Philzer hier herrscht mit seinen Vorstellungen, gibt er Wohlstand und Freiheit dran. Wer sind dann bei ihm die Gewinner?

    Ich will hier nur sitzen.

  • Aber auch Nicht-Demokratien funktionieren nicht richtig ohne Wohlstand.

    Demokratien existieren aber wohl garnicht ohne Wohlstand (oder Kolonialismus, wenn man an Indien denkt). Es ist da wohl auch die Historie ein Eindruck. Denn in dieser haben wir die Welt ausgebeutet um an den Kapitalstock zu kommen, der uns Freiheiten ermöglichte, die wir heute haben.

    Das ist dann aber eine moralische Wertung. Die Verlierer gibt es auch ohne Demokratien. Russland oder China sind noch viel ausbeuterischer und neo-kolonialistischer als wir das sind. Wenn Philzer hier herrscht mit seinen Vorstellungen, gibt er Wohlstand und Freiheit dran. Wer sind dann bei ihm die Gewinner?

    Aber ja, seit China aufgeschlossen ist und im Kern noch viel gewissenloser handelt, kann man den Satz nicht mehr absolut unter allen Umständen zustimmen. Was dort aber vielleicht noch zum Ausdruck kommt ist die spätrömische Dekadenz die sich in der westlichen Welt etabliert hat.


    Ein System wie Philzer es wünscht ist m.e. mit dem heutigen Menschen noch nicht vereinbar. Aber als Utopie und Ziel ist es doch okay.

    Es kommt hier mehr drauf an, dass Satz 1 und 2 dazu führen, dass Demokratien zu kurzfristig planen - und darum absteigen werden ökonomisch, wenn man bedenkt dass China 200 Jahres Pläne hat....Absteigen, aber immerhin mit dem Fähnchen der Moral in der Hand und mit dem Wissen, dass man frei war.

  • Ein System wie Philzer es wünscht ist m.e. mit dem heutigen Menschen noch nicht vereinbar. Aber als Utopie und Ziel ist es doch okay.

    Also bei Philzers absolut negativem Menschenbild fällt mir außer Nordkorea nichts mehr ein. Und seine "Analysen" lese ich im Prinzip so wie das:


    Zitat

    Das Leben, selbst das rein psychische, wird zu einem kollektiv experimentellen werden. Das Menschengeschlecht, der erstarrte Homo sapiens, wird erneut radikal umgearbeitet und - unter seinen eigenen Händen - zum Objekt kompliziertester Methoden der künstlichen Auslese und des psychophysischen Trainigs werden.

    Hab ich mir mal notiert, stammt aus Trotzkis "Literatur und Revolution". Sorry, aber bei Philzer sehe ich dann nichts als "Menschenmaterial" und den entsprechenden Großversuch. Was ich von Philzer über die Begriffe Demokratie oder Freiheit lese, ist gruseliger als das, was Höcke und seine Einflüsterer so ablassen.

    Es kommt hier mehr drauf an, dass Satz 1 und 2 dazu führen, dass Demokratien zu kurzfristig planen - und darum absteigen werden ökonomisch, wenn man bedenkt dass China 200 Jahres Pläne hat....Absteigen, aber immerhin mit dem Fähnchen der Moral in der Hand und mit dem Wissen, dass man frei war.

    Ja, China plant in großem Stil, weil, wie Deng nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens sagte, in China eine Millionen Menschenleben nichts sind. Was auch vollkommen richtig ist, wenn das Kollektiv alles und das Individuum nichts ist. Man kann sich trefflich streiten, ob es der Weiheit letzter Schluss ist, was wie hier treiben. Aber Philzer bietet keine Lösungen, auch keine Utopien, sondern Dystopien. Ich kann es notfalls noch mal suchen - irgendwo hat er ja mal zugegeben, dass Platons Staat ihm durchaus ein Vorbild wäre. Nein, danke. Lieber nicht.

    Ich will hier nur sitzen.

  • Also bei Philzers absolut negativem Menschenbild fällt mir außer Nordkorea nichts mehr ein. Und seine "Analysen" lese ich im Prinzip so wie das:

    Naja, ich denke, dass er primär eine Kritik an der Moderne fahren möchte, die den Kapitalismus trifft und die Sorglosigkeit demokratischer Gesellschaften. Die ist m.e. aus einem dialektischen Standpunkt recht zutreffend. Aber natürlich sehr radikal und gibt dem Menschen wenig Möglichkeit sich einen eignen Raum zu greifen, das stimmt wohl.


    Ich denke bei Philzer ist entscheidend, dass die analysen soziologisch und insbesondere sozio-ökonomisch sehr präzise sind. (Soziokulturell aber eher nicht, da m.e. zu eindimensional, zu orthodox marxistisch, weshalb du mit deinem Zitat nicht unrecht hast. [Dennoch liefert Marxismus aber natürlich eine schöne Utopie: die der ökonomischen Gleichheit]) Aber dabei ist der Mensch tatsächlich Menschenmaterial - aber nur, weil das System halt nunmal so konzipiert ist; es ist durch und durch durchinstrumentalisiert, Religion und Spiritualität leuchten makrosoziologisch praktisch nicht auf.

    Hab ich mir mal notiert, stammt aus Trotzkis "Literatur und Revolution". Sorry, aber bei Philzer sehe ich dann nichts als "Menschenmaterial" und den entsprechenden Großversuch. Was ich von Philzer über die Begriffe Demokratie oder Freiheit lese, ist gruseliger als das, was Höcke und seine Einflüsterer so ablassen.

    Es ist positiv auch "Kommunikation" zu finden, wie Luhmann sie begreift. Meines Erachtens eine der wichtigsten Größen neben Energie und Information.


    Es ist eine negative Analyse und mittlerweile wohl zu sehr ins Modell gepresst alles. Aber dennoch zeigen sich darin m.e. wichtige Punkte der Kritik von Demokratien und Kapitalismus, ebenso wie vom Wandel der Geistigkeit. Was ich mich bei Philzer immer frage ist, welchen Raum das Selbst hat...ich empfinde diesen strengen freudo-marxismus, den die Frankfurter Schule auch noch pflegt, immer als sehr deterministisch und so, dass sich das Subjekt selbst seziert, um die Kritik üben zu können, die es vorbringt. Und das halte ich für problematisch, möchte man wirklich des Pudels Kern, also die europäische Seligkeit begreifen, statt direkt einfach spirituell zu werden.

    Ja, China plant in großem Stil, weil, wie Deng nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens sagte, in China eine Millionen Menschenleben nichts sind. Was auch vollkommen richtig ist, wenn das Kollektiv alles und das Individuum nichts ist. Man kann sich trefflich streiten, ob es der Weiheit letzter Schluss ist, was wie hier treiben. Aber Philzer bietet keine Lösungen, auch keine Utopien, sondern Dystopien. Ich kann es notfalls noch mal suchen - irgendwo hat er ja mal zugegeben, dass Platons Staat ihm durchaus ein Vorbild wäre. Nein, danke. Lieber nicht.

    Das Problem ist, dass wir es uns in einigen Jahrzehnten schlicht nicht mehr leisten werden können, die Moral und damit das Individuum so hoch zu heben. Denn darunter leider scheinbar Effizienz und Rechtswesen und auch die Fähigkeit langfristig Infrastruktur und Strukturmaßnahmen umzusetzen.


    Aber sicher, so wie China das betreibt ist das nicht optimal. Das Problem ist nur, dass die uns halt wegfegen werden. Also so richtig. Zumindest befürchte ich das, wenn man sieht, wie die einfach mal 50 Jahrespläne haben und sie jetzt offenbar die deutsche Kernindustrie angreifen und alles ebenso können, nur 25% günstiger.


    Philzer hat die Utopie immanent. Seine Analysen zielen aber tatsächlich nicht darauf, sondern eher auf die Dystopie, die droht, wenn sich nichts ändert (was es die letzten 50 JAhre nicht getan hat, wenn man bedenkt, wie lange der Klimawandel bekannt ist).

  • Wenn sich Bürger einer fortgeschritteneren Kultur die Freiheit herausnehmen, sich gegenüber anderen relativ zurückgebliebenen Kulturen zu übervorteilen, die auch in keiner angemessenen Relation zum eigenen Wert steht, dann entspricht dies dem Grundprinzip Demokratie.

    Wie immer, Philzer's Warte des realistischen Pessimismus.

    "Wenn Ihr Schlimmes erfahren habt weger Eurer Schwäche, so legt den Göttern nicht die Schuld daran zur Last. Denn Ihr selbst habt diese Leute groß werden lassen, indem Ihr ihnen die Macht gegeben habt und deswegen seid Ihr schimpflicher Knechtschaft verfallen." Solon /



    Sedulo curavi humanas actiones non ridere, non lugere neque detestari, sed intelligere. Spinoza, Tractatus politicus 1,4

  • Ds hängt ja maßgeblich vom Freiheitsbegriff ab, von dem man ausgeht. Je stärker er mit Gleichheit oder Gerechtigkeit verwechselt wird, desto sicherer geht die Freiheit baden.

    Das habe ich im Eingangsbeitrag mit dem Verweis auf die Selbstentfaltung im Rahmen des gesellschaftlich Erlaubten auszudrücken versucht. In den ersten Entwürfen meines Beitrags hatte ich das noch eingehender erörtert, mich dann aber entschieden, daß der Beitrag zu lang und unlesbar wurde. Ganz sicher sehe ich bei Fukuyama den Freiheitsbegriff im Sinne "alles tun zu dürfen, was einem anderen nicht schadet", und möchte sie in diesem Faden erstmal als für die Diskussion gesetzt halten - im ausdrücklichen Wissen, daß es auch andere Definitionen von Freiheit gibt, die teils gerade als das Gegenteil von Fukuyamas Verständnis erscheinen, teilweise bei Kant und ganz ausdrücklich bei Rousseau.


    (Der Begriff der Gerechtigkeit bietet übrigens gleichfalls mannigfaltige Auslegungsmöglichkeiten, die sich in praxi regelmäßig nicht gleichzeitig dauerhaft verwirklichen lassen).


    Aber selbst Hans Kelsen hat das in seinem Büchlein über die Demokratie vertreten, wobei es ihm nicht um Ethnie oder gar Rasse ging, sondern um die gemeinsame Sprache. .... Von daher hätten beispielsweise die Vereinigten Staaten von Europa ein unüberwindbares Problem, sich demokratisch zu verfassen.

    Ich denke, wir können uns schonmal darauf einigen, daß die postulierte Homogenität nicht primär auf eine Ethnie oder Rasse abzielt, also auf biologische Merkmale. Nach Deinem Verweis auf die Vereinigten Staaten von Europa interpretiere ich die "gemeinsame Sprache" allerdings etwas bildlicher: daß es weniger darauf ankommt, daß die beteiligten Bevölkerungskreise wirklich die gleiche Sprache sprechen (auch wenn die Sprache das Denken beeinflußt), sondern vor allem darauf, daß sie in sittlichen und kulturellen Fragen im wesentlichen gleich denken. Primitiv gesprochen: ich halte es für unmöglich, eine Demokratie mit einem Volk zu fahren, das nur aus Manchester-Kapitalisten und strenggläubigen Religiösen besteht.


    Beim nochmaligen Nachdenken über meinen Eingangsbeitrag kam mir die Überlegung, ob sich diese Degeneration der Freiheit als Instanz des sozialen Dilemmas begreifen läßt. Auch bei diesen wird ja als Gegenmaßnahme Regulierung durch den Gesetzgeber und Internalisierung empfohlen; dies könnte ich mit etwas Großzügigkeit auf die im Eingangsbeitrag genannten Lösungsansätze "Unterdrückung/Erzwingung konformen Verhaltens" und "informelle soziale Kontrolle" abbilden.

  • Das Problem ist, dass wir es uns in einigen Jahrzehnten schlicht nicht mehr leisten werden können, die Moral und damit das Individuum so hoch zu heben. Denn darunter leider scheinbar Effizienz und Rechtswesen und auch die Fähigkeit langfristig Infrastruktur und Strukturmaßnahmen umzusetzen.


    Aber sicher, so wie China das betreibt ist das nicht optimal. Das Problem ist nur, dass die uns halt wegfegen werden. Also so richtig. Zumindest befürchte ich das, wenn man sieht, wie die einfach mal 50 Jahrespläne haben und sie jetzt offenbar die deutsche Kernindustrie angreifen und alles ebenso können, nur 25% günstiger.


    Philzer hat die Utopie immanent. Seine Analysen zielen aber tatsächlich nicht darauf, sondern eher auf die Dystopie, die droht, wenn sich nichts ändert (was es die letzten 50 JAhre nicht getan hat, wenn man bedenkt, wie lange der Klimawandel bekannt ist).

    Als Fazit kommt mir das vor wie Selbstaufgabe im "vorauseilendem Gehorsam". Tut mir leid, aber das ist nur gruselig. Auch wenn der "diktatorische Kollektivismus" noch so stark sein mag.

  • Als Fazit kommt mir das vor wie Selbstaufgabe im "vorauseilendem Gehorsam". Tut mir leid, aber das ist nur gruselig. Auch wenn der "diktatorische Kollektivismus" noch so stark sein mag.

    Sofern es sich bei dieser Selbstaufgabe um blanken Moralismus handelt, bin ich jederzeit bereit diesen loszuwerden. Den braucht niemand; auch wenn Europa ihn sich auf die Fahnen geschrieben hat für den Moment.

  • Hi,

    Wie immer, Philzer's Warte des realistischen Pessimismus

    Real auf jeden Fall.

    Warum sonst sterben die Ausbeutervölker ab?


    Dialektisch ist die Antwort einfach:

    Würden sie nicht absterben, wäre Rassismus wahr.


    Verkürzt:

    Sie bezahlen mit dem Tod ihrer Gene das oben genannte ‚zu viel nehmen‘ als ihnen ‚Wertmäßig’ zusteht in ihrem Sein als (‚Normalo’-) Mensch, versus ihrem gelebten Sein als

    Ausbeuterdemokrat


    Man könnte auch so sagen:


    Im ökonomischen Reproduktionsprozess der Demokratie nehmen Sie eine Haben-Position ein, die ihrem Sein (Leistung) nicht entspricht.


    Dafür bezahlen ihre Gene schließlich mit dem Tod.


    ...könnte man noch bissl dran feilen...

    😋


    mvg Philzer

    Pflichteid an die Pan-Theismen des Sozialdarwinismus:

    Ich schwöre, dass alles von mir Geschriebene lediglich ein Meinen ist. - Philzer


    Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet.
    Von den Tatsachen, die ihnen mißfallen, wenden sie sich ab
    und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag.
    Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer.


    Gustave Le Bon

    Einmal editiert, zuletzt von Philzer ()

  • Sofern es sich bei dieser Selbstaufgabe um blanken Moralismus handelt, bin ich jederzeit bereit diesen loszuwerden. Den braucht niemand; auch wenn Europa ihn sich auf die Fahnen geschrieben hat für den Moment.

    Mit Moral/en habe ich nicht so das (grundsätzliche) Problem, mit diversesten Machtausübungen, oder so, schon.

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