Differenzdenken bedeutet, man geht nicht von ontologischen Einheiten aus, sondern von der Differenz zwischen diesen Einheiten. Bei Luhmann ist das die System/Umwelt-Differenz, die kein anderer Name für Subjekt/Objekt ist. Das System ist nicht das System. Es ist die Grenze zwischen System und Umwelt. Differenztheoretisches Denken beginnt sozusagen mit dem "/" zwischen System und Umwelt.
Das ist ein guter Aufhänger, ich nehme vor allem den letzten Satz, an den ich glaube anknüpfen zu können. Das System ist die Differenz zwischen System und Umwelt ["Einführung in die Systemtheorie (S.66)], es ist das "/", es ist merkwürdigerweise also nicht nur das "System" in "System/Umwelt". Es ist der Theorieansatz an sich und kommt auch bei anderen Unterscheidungen vor: Beispielsweise: Die Form von Sinn ist die Differenz von Aktualität und Möglichkeit.
Bei Spencer Brown, und Luhmann erwähnt ihn ja immer wieder diesbezüglich ("radikalste Form differenzialistischen Denkens" [Einführung in die Systemtheorie (S.70)]), ist das reentry, das "Unterscheidung enthält Unterscheidung und Referenz" schon, wie Luhmann erwähnt, in das Zeichen graphisch eingebaut: Der vertikale Strich als Unterscheidung, das "/", und der horizontale Strich als Indikator oder Referenz, das "System" in "System / Umwelt".
Ich verstehe das nun so: Beginnt man mit der Theorie, egal ob man das als Titel auf ein weisses Blatt schreibt um dann mit der Ausarbeitung einer Theorie zu starten oder ein Buch von Luhmann aufschlägt um konkret seine Theorie zu lernen, wie auch immer, man muss System von Nicht-System unterscheiden, muss das "/" setzen. Darauf folgt dann die Referenz: Dieses ist "System", jenes "Umwelt", das hier wieder "System", usw. Da die Begründung/Weiterentwicklung/Lernen/etc. der Systemtheorie selbst aber auch zum System gehören soll - wenn man Systemtheorie als "Differenztheorie" versteht - muss die anfängliche Unterscheidung von System und Umwelt selbst, eben das "/", bereits "System" gewesen sein.
Ich hab an der Überleitung von Referenz zurück zu "/" länger herumgebastelt, bin nicht wirklich glücklich. Ist ja der Threadtitel, aber muss man die Systemtheorie wirklich radikal als Differenztheorie betrachten? Oder wie kriegt man das halbwegs stringent hin? Den ansonsten empfinde ich das so, dass man mMn von "einigermassen zwingend" sprechen könnte. Oder müsste man weitere Konzepte in die Geschichte einbauen, Operator, Medium, operative Geschlossenheit, ontologische Einheiten wie im Zitat (fehlt mir ja in obigem Text) etc.? Ist es der Beobachter, der vielleicht die im reentry angedeutete Dynamik sozusagen "ausführt" und zwischen "/" und "System" alterniert?
Bei Spencer Brown halte ich das für klar, rein abstrakt ist Referenz/Unterscheidung halt bereits eine Unterscheidung. In dem etwas konkreten Fall wie bei Luhmann scheint mir der Schritt komplizierter und ist mir nicht restlos klar.