Theoriekonzept: Differenztheoretischer Theorieansatz

  • Differenzdenken bedeutet, man geht nicht von ontologischen Einheiten aus, sondern von der Differenz zwischen diesen Einheiten. Bei Luhmann ist das die System/Umwelt-Differenz, die kein anderer Name für Subjekt/Objekt ist. Das System ist nicht das System. Es ist die Grenze zwischen System und Umwelt. Differenztheoretisches Denken beginnt sozusagen mit dem "/" zwischen System und Umwelt.

    Das ist ein guter Aufhänger, ich nehme vor allem den letzten Satz, an den ich glaube anknüpfen zu können. Das System ist die Differenz zwischen System und Umwelt ["Einführung in die Systemtheorie (S.66)], es ist das "/", es ist merkwürdigerweise also nicht nur das "System" in "System/Umwelt". Es ist der Theorieansatz an sich und kommt auch bei anderen Unterscheidungen vor: Beispielsweise: Die Form von Sinn ist die Differenz von Aktualität und Möglichkeit.

    Bei Spencer Brown, und Luhmann erwähnt ihn ja immer wieder diesbezüglich ("radikalste Form differenzialistischen Denkens" [Einführung in die Systemtheorie (S.70)]), ist das reentry, das "Unterscheidung enthält Unterscheidung und Referenz" schon, wie Luhmann erwähnt, in das Zeichen graphisch eingebaut: Der vertikale Strich als Unterscheidung, das "/", und der horizontale Strich als Indikator oder Referenz, das "System" in "System / Umwelt".
    Ich verstehe das nun so: Beginnt man mit der Theorie, egal ob man das als Titel auf ein weisses Blatt schreibt um dann mit der Ausarbeitung einer Theorie zu starten oder ein Buch von Luhmann aufschlägt um konkret seine Theorie zu lernen, wie auch immer, man muss System von Nicht-System unterscheiden, muss das "/" setzen. Darauf folgt dann die Referenz: Dieses ist "System", jenes "Umwelt", das hier wieder "System", usw. Da die Begründung/Weiterentwicklung/Lernen/etc. der Systemtheorie selbst aber auch zum System gehören soll - wenn man Systemtheorie als "Differenztheorie" versteht - muss die anfängliche Unterscheidung von System und Umwelt selbst, eben das "/", bereits "System" gewesen sein.

    Ich hab an der Überleitung von Referenz zurück zu "/" länger herumgebastelt, bin nicht wirklich glücklich. Ist ja der Threadtitel, aber muss man die Systemtheorie wirklich radikal als Differenztheorie betrachten? Oder wie kriegt man das halbwegs stringent hin? Den ansonsten empfinde ich das so, dass man mMn von "einigermassen zwingend" sprechen könnte. Oder müsste man weitere Konzepte in die Geschichte einbauen, Operator, Medium, operative Geschlossenheit, ontologische Einheiten wie im Zitat (fehlt mir ja in obigem Text) etc.? Ist es der Beobachter, der vielleicht die im reentry angedeutete Dynamik sozusagen "ausführt" und zwischen "/" und "System" alterniert?
    Bei Spencer Brown halte ich das für klar, rein abstrakt ist Referenz/Unterscheidung halt bereits eine Unterscheidung. In dem etwas konkreten Fall wie bei Luhmann scheint mir der Schritt komplizierter und ist mir nicht restlos klar.

  • In GdG wird ab S.64 (bis ca. S.66, scheint mir dann ein fliessender Übergang zu Autopoiesis) die historische Entwicklung hin zur auf Differenz beruhenden Systemtheorie skizziert, grob:

    1. Es geht um offene Systeme, die über Input/Output in der Lage sind, Negentropie aufzubauen und damit gerade durch ihre Offenheit und Umweltabhängigkeit den Unterschied zur Umwelt verstärken.
    2. Als nächster Entwicklungsschritt kommt die Einbeziehung seltbstreferentieller, zirkulärer Verhältnisse. Es geht dann um selbstorganisierende Systeme. Die Umwelt nimmt dabei dann hauptsächlich die Rolle des "Rauschens", "order from noise", ein.
    3. Schlussendlich die Einführung des Konzept "Autopoiesis" durch Maturana. Autopoietische Systeme erzeugen nun auch ihre Elemente selbst aus ihren eigenen Elementen (Elemente werden mit Information gleichgesetzt). An der Stelle soll dann auch die ontologische Erklärungsweise und die Subjekt/Objekt-Trennung aufgegeben werden.

    In dieser Darstellung scheint mir Luhmann eigentlich viel eher Kybernetiker denn Soziologe.
    Ich werde dann noch bei "Einführung in die Theorie der Gesellschaft" nachschauen und evt. dies hier dann entsprechend ergänzen. Meiner Erinnerung nach war dort die Darstellung dieser geschichtlichen Entwicklungsschritte etwas ausführlicher.

  • sybok September 6, 2024 at 2:03 PM

    Changed the title of the thread from “Differenztheoretischer Theorieansatz” to “Theoriekonzept: Differenztheoretischer Theorieansatz”.
  • In dieser Darstellung scheint mir Luhmann eigentlich viel eher Kybernetiker denn Soziologe.

    es ist ja auch eine kybernetische Theorie. Aber dies nur, um den Mythos auszuschließen. Der Mythos wird ignoriert, da er einfach der Startpunkt ist, um die Elemente zu produzieren, aus denen sich die Gesellschaft reproduziert.

    Sicher hat man das Problem dann, wo diese Gesellschaft herkommt. Aber das ist hierbei nicht relevant, denn Luhmann verbleibt strukturell und fragt nicht nach formalen Ur-Anfängen. Er ist kein Metaphysiker und will dies auch nicht sein.

    Er ist aber sehr wohl Soziologe. Denn es ist ja die Gesellschaft, die sich selbst beobachtet, mittels der kybernetischen Prozession. Interessant ist, dass seine Perspektive m.e. zugeschnitten ist auf die postmoderne Theorie - und dabei aber ebenso einen Anschluss an die Metaphysik zulässt.

  • Korrekturen und Kritik wären willkommen:

    Das ist während des Schreibens etwas eskaliert. @Verena falls ich dich an dieser Stelle falsch verstanden habe oder dir das alles längst bekannt ist oder du es für eine Trivialität hälst, dann lass es mich für mich selbst geschrieben haben, damit ich das auch für mich selbst mal halbwegs kurz schriftlich dargestellt habe und dein Post ist dann einfach mein Vorwand dafür.

    Die Frage ist allerdings, ob das philosophische Denken hier nicht erst ein künstliches Problem (->Wittgenstein) schafft, dh ob diese Trennung zwischen System und nichtsystemischen Ambiente nicht ein Artefakt des abstrahierenden (philosophischen) Denkens darstellt, welches seine abstrahierten Unterscheidungen unvermerkt zu ontischen Entitäten verdinglicht und dann vor dem selbstgeschaffenen Problem steht, wie die künstlich getrennten und ontologisierten (verdinglichten) Aspekte einer eigentlich ursprünglichen EINHEIT wieder "strukturell gekoppelt" werden können, dh wie die Beziehung zwischen System und nichtsystemischem Ambiente zu denken sei (oder mit anderen Worten wie das Subjekt zum Objekt kommt).

    Ja, wenn ich das richtig verstehe, ist das eine gute Frage. Vielleicht fällt man immer wieder zurück in eine "ontologische Unterscheidung" System/Umwelt, weil man sonst permanent gegen die gelernte Subjekt/Objekt-Unterscheidung andenken muss, das frisst ja ständig Energie und ist anstrengend, gar nichts ist mehr trivial. Das ist von der Theorie aber ja schon anders gedacht und soweit ich das beurteilen kann, tatsächlich auch konsistent durchgezogen und präsentiert.

    Es ist keine "Ontologie-Unterscheidung" sondern eine "Spencer Brown Unterscheidung", eine Unterscheidung die man eher als eine Gleichung System=System/Umwelt auffassen müsste: Weil eine Unterscheidung eine Referenz beinhaltet und umgekehrt eine Referenz eine Unterscheidung voraussetzt und aber Referenz/Unterscheidung ja selbst schon eine Unterscheidung ist (*), folgt, dass eine Unterscheidung System/Umwelt, welche die Seite des Systems referenziert, selbst das System sein muss, System=System/Umwelt ("/" als LoF-Haken). Oder anders: Das System ist das Bezeichnete, als Solches ist es nicht das Nicht-Bezeichnete (**), also ist es im Endeffekt eigentlich die Unterscheidung selbst. So findet man also tatsächlich keine Identitäten sondern stattdessen fortlaufendes Prozessieren, Reentries oder Oszillationen: Das System konstituiert sich, indem es sich von einer Umwelt "wegdefiniert" (nicht das Nicht-Bezeichnete. Und "sich selbst 'wegdefinieren'"=>Autopoiesis) und dadurch zum System wird. Wenn es nun aber das System ist, muss es sich von seiner Umwelt "wegdefinieren". Wenn es das tut, wird es zum System, wenn es nun aber das System ist ... , es lässt sich sozusagen nicht einfangen, keine Ontologie draufpacken. In dem Moment, wo man es einfangen würde - "hier ist System, der Beobachter hat es dingfest gemacht" - träte man ja aus dem System heraus in etwas, worin diese ganze Geschichte eingebettet sein müsste. Aber was wäre denn ein "dort", von wo aus man das festzurrt?

    In Näherung, für Spezialfälle mit Fragestellungen die genügend Distanz zum Fundament aufweisen, funktioniert das ja, und die Antwort scheint, dass man den Beobachter halt auf die andere, die unbezeichnete Seite des "/" von wo aus er scheinbar das "/" fixieren kann, setzt, wo er dann vermeintlich von Aussen auf das System blicken kann und die Subjekt/Objekt-Trennung ist geboren. Früher oder später aber, wenn diese "Spezialfälle" an die Ränder ihrer eingehegten Welten gelangen, die Distanz zu ihren Fundierungen verkleinern, merket man, dass sie allesamt selbst Teil dessen sind, was sie jeweils analysieren: Die sich "was ist leben?" fragenden Biologen, dass sie selbst leben. Die Physiker, dass ihre Messungen selbst Teil der physikalischen Welt sind. Die Mathematiker, dass die Semantik in der Syntax steckt. Die Philosophen, dass sie mittels Sprache über Sprache nachdenken.

    Der ganze Konstruktions-Trick ist wohl, dass man Widersprüche und Paradoxien im Gegensatz zum Subjekt/Objekt-Trennungsparadigma und ontologischen Sichtweisen nicht mit Ignoranz gegenüber der eigenen Fundierung wegschiebt, sondern stattdessen an dieser Stelle beginnt. Ganz im Sinne von Spencer Browns imaginären Wahrheitswerten wird daraus schon beim Beginn der Theorie ein Prozessieren A, Nicht-A, A, Nicht-A,... statt dass man sie sich als (nichtzeitliche) Widersprüche A UND Nicht-A einfängt (***).

    (*) Eigentlich wäre es noch etwas trickreicher, weil man Unterscheidung, und damit auch Referenz, ebenfalls jeweils auch mit Beobachter gleichsetzen kann: Eine Unterscheidung macht ohne Beobachter der die Unterscheidung gezogen hat, keinen Sinn und umgekehrt kann ein Beobachter nichts beobachten, wenn er keine Unterscheidung verwendet. Es ist der Beobachter, der die Unterscheidung verwendet, in dem er die Referenz setzt. Andererseits ist "Beobachter" selbst die Referenz einer Unterscheidung.

    (**) In Anlehnung an Luhamanns von Spencer Brown übernommenem "Kreuzen", müsste man dann an dieser Stelle einen, in analoger Weise von Spencer Brown zu übernehmenden, Begriff "Speigelung" verwenden können. Nach meinem Verständnis müsste das hier passen wie die Faust aufs Auge.

    (***) Eben, man kann keine Identitäten festmachen. Hier findet man Anschluss zu der Geschichte mit dem Intuitionismus ("Die Schrift der Form"), bei dem, mit der Ablehnung von Nicht-Nicht-A=A der Prozess nicht als A, Nicht-A, Nicht-Nicht-A,... aufgefasst werden kann. Denn man kann dann ja nicht sagen, was Nicht-Nicht-A ist, dann weiss man ja auch nicht, was auf A, Nicht-A,... folgt. Klar, denn es ist ja auch die Unterscheidung, die im tieferen Kern verantwortlich für den Prozess resp. Widerspruch ist, nicht die Identität von A (und "Negation erfordert Identität" - Luhmann). Es gibt also keine Identität des Systems, sondern ein unkalkulierbarer Prozess über der wechselseitigen Beziehung zwischen System und Nicht-System (also Umwelt).

  • Auffallend ist, daß systemtheoretische Darstellungsweisen zwangsläufig mit einem hermeneutischen Hinterhalt arbeiten. Die Not des Anfangs zwingt die Theorie dazu, Begriffe zu verwenden, die den Leser auf eine falsche Fährte setzen. So ist der Begriff Schema durch Kants Schematismus-Kapitel in der Kritik der reinen Vernunft präfiguriert, der Sinnbegriff ist in der Hermeneutik beheimatet, Bewußtsein in der Phänomenologie usw. - Es beginnt alles recht vertraut und alsbald ist ein Kipppunkt erreicht und das Vorherige wird nach und nach wieder einkassiert. Systemtheoretische Untersuchungen sind auf großzügige Überziehungskredite ihrer Leser angewiesen, Tilgung ungewiß.

    Die Systemtheorie arbeitet zwar bisweilen mit Sprachschöpfung („Unjekt“), kokettiert auch damit, Geburt aus dem Geiste der Poesie zu sein („Theorie als Lehrgedicht“), zunächst mal bleibt sie aber auf die natürliche Sprache angewiesen und findet ein Verständnis vor, das sich als Überlieferungsgeschehen eingespielt hat. Wenn ihr dieses Geschehen auch Bewunderung abnötigt, so fehlt es ihr doch an Emphase dafür. Die „alteuropäische Tradition“ ist geprägt von ontologischen Denkmustern, an deren Spitze sich Sein, Wesen, Idee, Substanz, Gott, Subjekt, res cogitans, Dasein u.ä. den Platz streitig machen. Und von da aus gelangt man dann zu Ding, Erscheinung, Eigenschaft, Objekt, Gegenstand …

    Die Versuchung ist groß, an die Stelle des Systems das Subjekt zu setzen und an die Stelle der Umwelt das Objekt. Das wäre dann eine Umetikettierung, welche die ontologische Denkweise rehabilitiert. Oder man nimmt das In-der-Welt-Sein Heideggers; auch das sieht ja ein wenig aus wie das System in seiner Umwelt. Aber die System/Umwelt-Unterscheidung beginnt nicht mit dem System, auch nicht mit der Umwelt. Das System ist nicht ontologisch vorrangig vor der Umwelt, auch umgekehrt hat die Umwelt keinen Vorrang. Denn die System/Umwelt-Unterscheidung ist vor allem: Unterscheidung. Die Systemtheorie beginnt mit einer Differenz. Sie beginnt mit dem „/“, beziehungsweise mit dem „-“ in der Formel des In-der-Welt-Seins. Das System ist nicht ein ontologisches Etwas, sondern seine Grenze, kein Sub-jekt, kein Ob-jekt, sondern ein Un-jekt.

  • Erkenntnis als Konstruktion von Luhmann zeigt die Systemtheorie von einer Seite, die den Unterschied zum ontologischen Denken ganz gut deutlich macht.

    Hier noch ein Link zu einem kurzen Aufsatz von Peter Fuchs mit ähnlicher Intention:

    http://sammelpunkt.philo.at/id/eprint/2397…_erkenntnis.pdf

    „De-Ontologisierung ist aber nicht gleichbedeutend damit, Erkenntnismöglichkeiten im klassischen Sinne schlechthin zu bestreiten. Damit würde sich diese Theorie aus der Wissenschaft katapultieren. Stattdessen wird eine Minimalontologie eingeführt (…), nämlich die der dezidiert naiven Präsupposition der Existenz von realen Systemen in einer realen Welt, die - nachdem mit ihr gestartet wurde - einer Post-festum-Entnaivisierung unterzogen wird. Dieser Ausgangspunkt führt zu der verblüffend einfachen Konsequenz, daß Erkenntnis zurückgebunden wird an Beobachter (eben: informationsverarbeitende Systeme), die exklusiv Beobachtungen und Beschreibungen anfertigen, von denen einige als erkenntnisorientierte Beobachtungen und Beschreibungen imponieren.“

  • Die klassische Ontologie hatte hier eine Hierarchie eingezogen, das Sein galt ihr höherwertig als das Nichtsein. Sein oder Nichtsein ist hier gerade nicht die Frage.

    Du sagst in einem anderen Strang, ich habe ihn nicht mehr gefunden, dass man die Ontologie über Bord werfen muss, wenn man die Systemtheorie verstehen will oder anwenden will. Das ist ja schon noch heftig. Gibt es denn in der Systemtheorie keine Objekte? Bin denn ich nicht mehr hier und mein Tisch dort?

    Der Witz ist das Kleingeld des Geistes. (Franz Hohler)

  • Du sagst in einem anderen Strang, ich habe ihn nicht mehr gefunden, dass man die Ontologie über Bord werfen muss, wenn man die Systemtheorie verstehen will oder anwenden will. Das ist ja schon noch heftig. Gibt es denn in der Systemtheorie keine Objekte? Bin denn ich nicht mehr hier und mein Tisch dort?

    Du bist noch hier und Dein Tisch ist noch dort, Matthias. :)

    Wenn es heißt, die Systemtheorie verfahre nicht ontologisch, sondern differenztheoretisch, dann leugnet sie damit nicht die Realität. Im Zusammenhang mit ihrer Erkenntnistheorie, die sich als "operativer Konstruktivismus" bezeichnet, wird das manchmal so kolportiert, als leugne die Systemtheorie, daß es Realität gibt. Das ist natürlich nicht so. Gäbe es keine Realität, gäbe es keine Systemtheorie. Ohne Realität ließe sich ja auch nichts konstruieren.

    Dennoch verfährt die Systemtheorie nicht ontologisch, d.h. sie trifft keine Aussagen über das Sein oder Vorhandensein oder das Wesen oder die Substanz von Gegenständen, Objekten, auch nicht von Systemen. Sie lehnt die Ontologie ab, weil das ontologische Denken bei Identität, Einheit, ansetzt und sich daraus eine Logik ergibt, die das differenztheoretische Denken der Systemtheorie nicht erfassen kann. Statt auf Identität setzt die Systemtheorie auf Differenz. System ist für sie kein identischer Gegenstand, der irgendwo vorkäme, beispielsweise in der Umwelt; System ist die Differenz (!) von System und Umwelt.

    Unser Alltagsdenken schüttelt den Kopf, denn die ganze abendländische Tradition denkt so nicht. Sie ist ontologisch, d.h. vom Seinsdenken her geprägt. Das Sein (also Einheit) ist ihr Ausgangspunkt und die einzelnen Seienden (Dinge) haben von diesem Sein her eine bestimmte Seinsweise. So hast Du als Subjekt eine andere Seinsweise als Dein Tisch usw.

    Dieses auf Identität ausgerichtete, in Deduktionen verlaufende Denken, erweist sich beim Verständnis der Systemtheorie als Barriere. Deontologisierung bedeutet, System, Umwelt, Kommunikation, Bewusstsein ... nicht als Gegenstände, Einheiten, Identitäten zu denken, die es in einem großen Behälter namens Welt gibt, sondern als Differenz.

    Die Welt wird nicht abgeschafft, sie wird nur anders gedacht.

  • In welchem man sich gerade befindet?

    Vorhanden oder vielleicht zugegen?

    In einem System (so wie Luhmann System versteht) befindet man sich nicht in dem Sinne, daß dieses System gleichsam ein Ort wäre, in dem man sich aufhält oder dessen Teil man ist o.ä. Dieses Ganze/Teil-Schema verabschiedet Luhmann und setzt an seine Stelle die Differenz von System und Umwelt. Jetzt darf man nicht den Fehler machen und die Umwelt als ein anderes Wort für Ganzes nehmen und System als anderes Wort für Teil. Dann hätte man nur zwei Vokabeln ausgetauscht. Das System (das kann ein Bewusstsein sein, eine Intimbeziehung, eine Familie, eine Verwaltung, eine Organisation, ein Unternehmen, die Wissenschaft, das Recht, die Wirtschaft, ein Hotelbetrieb ... Es gibt Millionen und Milliarden Systeme) ist seine Differenz zur Umwelt (die Umwelt ist alles andere). Und in einer Differenz kann man sich nicht aufhalten.

    Du hattest kürzlich geschrieben, daß Du im Moment nicht zum Lesen kommst (Abitur); hast Du denn Zeit zum Hören - gelegentlich? Dann hör' Dir mal eine Vorlesung von Luhmann an ... zwei, drei Einheiten vielleicht ... ich glaube, ganz ohne Lesen (von Originalliteratur) und/oder Hören wird man der Sache nicht näherkommen können. Unsere kleinen Schnippsel (Forenbeiträge) werden da nicht richtig weiterhelfen.

  • In einem System (so wie Luhmann System versteht) befindet man sich nicht in dem Sinne, daß dieses System gleichsam ein Ort wäre, in dem man sich aufhält oder dessen Teil man ist o.ä. Dieses Ganze/Teil-Schema verabschiedet Luhmann und setzt an seine Stelle die Differenz von System und Umwelt. Jetzt darf man nicht den Fehler machen und die Umwelt als ein anderes Wort für Ganzes nehmen und System als anderes Wort für Teil. Dann hätte man nur zwei Vokabeln ausgetauscht. Das System (das kann ein Bewusstsein sein, eine Intimbeziehung, eine Familie, eine Verwaltung, eine Organisation, ein Unternehmen, die Wissenschaft, das Recht, die Wirtschaft, ein Hotelbetrieb ... Es gibt Millionen und Milliarden Systeme) ist seine Differenz zur Umwelt (die Umwelt ist alles andere). Und in einer Differenz kann man sich nicht aufhalten.

    Du hattest kürzlich geschrieben, daß Du im Moment nicht zum Lesen kommst (Abitur); hast Du denn Zeit zum Hören - gelegentlich? Dann hör' Dir mal eine Vorlesung von Luhmann an ... zwei, drei Einheiten vielleicht ... ich glaube, ganz ohne Lesen (von Originalliteratur) und/oder Hören wird man der Sache nicht näherkommen können. Unsere kleinen Schnippsel (Forenbeiträge) werden da nicht richtig weiterhelfen.

    Ja.

    Schon klar.

    Ein System ist z.B. eine Klasse oder Institution oder Familie oder Gruppe... oder nicht?

    Also gerade für eine schöne Vorlesung von Luhmann, die Stunden dauert, habe ich leider entschieden bis nächsten Sommer keine Zeit, ich muss jetzt eher weniger hier stöbern als mehr, so Leid es mir tut.:(

  • Dieses auf Identität ausgerichtete, in Deduktionen verlaufende Denken, erweist sich beim Verständnis der Systemtheorie als Barriere. Deontologisierung bedeutet, System, Umwelt, Kommunikation, Bewusstsein ... nicht als Gegenstände, Einheiten, Identitäten zu denken, die es in einem großen Behälter namens Welt gibt, sondern als Differenz.

    Die Welt wird nicht abgeschafft, sie wird nur anders gedacht.

    Kannst du ein Beispiel geben von so einer Differenz? Also wo der Unterschied deutlich wird zwischen einem Gegenstand aus der Ontologie und einer Differenz aus der Systemtheorie?

    Der Witz ist das Kleingeld des Geistes. (Franz Hohler)

  • Ich habe mir erlaubt, die Beiträge #7 bis #12, die zuvor im "Gesellschaft der Gesellschaft"-Thread waren, in dieses Thema zu verschieben, ich hoffe es ist mir Niemand böse 8) . Wenn wir schon extra Threads, um genau solche Theoriekonzept-Fragen zu klären, machen, warum dann nicht auch nutzen?

  • Deontologisierung bedeutet, System, Umwelt, Kommunikation, Bewusstsein ... nicht als Gegenstände, Einheiten, Identitäten zu denken, die es in einem großen Behälter namens Welt gibt, sondern als Differenz.

    Ich bin ja Existentialphilosoph und somit vielleicht Heidegger und anderen näher als Luhmann. Und genau bei der Deontologisierung des Seins um es nur noch zu denken hapert es bei mir mit Luhmann und Naupilos. Warum soll ich die Welt vom Gedachten, Gesprochenen und Geschriebenen her verstehen und nicht vom Sein und hier vor allem vom Selbst-Sein her zu verstehen suchen. Natürlich muss ich diese dann auch denken, wenn ich darüber reflektieren will. Aber zwischen «System, Umwelt, Kommunikation, Bewusstsein ... nicht als Gegenstände, Einheiten, Identitäten zu denken» und der Anerkennung, dass es eben diese Identitäten teilweise eben doch gibt, ist doch ein Unterschied.

  • Warum soll ich die Welt vom Gedachten, Gesprochenen und Geschriebenen her verstehen und nicht vom Sein und hier vor allem vom Selbst-Sein her zu verstehen suchen.

    Weil das "Subjekt" bei Luhmann als das zu-Grunde-Liegende gedacht wird. Dies ist aber nicht das eigene Selbst, sondern die Intersubjektivität, die wir gemeinschaftlich konstituieren.

  • Ja.

    Schon klar.

    Ein System ist z.B. eine Klasse oder Institution oder Familie oder Gruppe... oder nicht?

    Also gerade für eine schöne Vorlesung von Luhmann, die Stunden dauert, habe ich leider entschieden bis nächsten Sommer keine Zeit, ich muss jetzt eher weniger hier stöbern als mehr, so Leid es mir tut.:(


    Ja, ein System kann eine Familie sein, ein Kegelverein, eine politische Partei … All das sind Beispiele für soziale Systeme und diese Systeme bestehen aus Kommunikationen als ihren Letzteinheiten, nicht aus Mitgliedern, Angehörigen, Glaubensbrüdern oder sonst was. Für Luhmann von Bedeutung sind vor allem die großen Funktionssysteme der Gesellschaft: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Recht, Kunst usw.

    Du kannst keine Zeit, auch nur eine oder zwei Vorlesungen von je 90 Minuten zu hören?? (Na, ich sag´ nix dazu) :)

  • Kannst du ein Beispiel geben von so einer Differenz? Also wo der Unterschied deutlich wird zwischen einem Gegenstand aus der Ontologie und einer Differenz aus der Systemtheorie?

    Ein Beispiel wäre die System/Umwelt-Differenz oder die Medium/Form-Differenz.

    Auch Du hast vermutlich keine Zeit, Dir mal eine Vorlesung anzuhören, Matthias, oder? :) Dauert zu lange. Ist zu anstrengend. :rolleyes:

  • Ich bin ja Existentialphilosoph und somit vielleicht Heidegger und anderen näher als Luhmann. Und genau bei der Deontologisierung des Seins um es nur noch zu denken hapert es bei mir mit Luhmann und Nauplios. Warum soll ich die Welt vom Gedachten, Gesprochenen und Geschriebenen her verstehen und nicht vom Sein und hier vor allem vom Selbst-Sein her zu verstehen suchen.

    Als „Existentialphilosoph“ stehen Dir Kierkegaard, Heidegger, Jaspers, Satre … sicher näher. Was versprichst Du Dir denn dann ausgerechnet von der Systemtheorie? :huh:

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