Weltbild (1)

Heidegger hat die neuzeitliche "Gegenständigkeit" zum Paradigma für das "Weltbild" erhoben. "Das Seiende im Ganzen wird jetzt so genommen, daß es erst und nur seiend ist, sofern es durch den vorstellend-herstellenden Menschen gestellt ist. Wo es zum Weltbild kommt, vollzieht sich eine wesentliche Entscheidung über das Seiende im Ganzen. Das Sein des Seienden wird in der Vorgestelltheit des Seienden gesucht und gefunden." (Martin Heidegger; Die Zeit des Weltbildes; in: GA. 5; S. 87) - Die neuzeitliche Metaphysik bewegt sich in dem von Descartes angebahnten Auslegungshorizont von Seiendem und Wahrheit. Indem das Sein des Seienden in der Gegenständlichkeit verortet wird, wird Wissenschaft als Forschung möglich. Vom "rechnenden Menschen" ist alsbald die Rede; für Heidegger ist darin die Preisgabe des Wesens des Denkens beschlossen. Die Wahrheit wandelt sich zur Gewißheit des Vorstellens. Sicher, die Bindung und Unterwerfung der Metaphysik unter die mittelalterlichen Vorgaben wird in der Neuzeit gelöst, aber sie wird eben auch abgelöst von "Irrtümern" hinsichtlich des Wesens des Menschen und hinsichtlich der Engführung des Wahrheitsverständnisses auf Gewißheit. Das Gewißheitsproblem, das insbesondere Descartes bewegt, wird in seiner Ausdrücklichkeit zum Agens der Geistesgeschichte. Die Welt wird in der Neuzeit auf die Dimension des Quantifizierbaren beschränkt.

Kommentare 4

  • Im Mittelalter, und darüber hinaus, unterschied man zwischen existentia (Dasein) und essentia (Wesen). Martin Heidegger hat daraus, sich dazu vertiefend, die ontologische Differenz zwischen Sein als Existenz und Seiendem als Vorhandenem gemacht. Das Sein betreffend, hinterfragt Heidegger dasselbe nach einem Wie, einem Wozu und schlussendlich fokussierend nach einem Wodurch. Mit jeder Zitation aus dessen Gedankengängen entstehen zugleich auch neue Fragen, denn er versucht, die Gegenständlichkeit des Seins impulsgebend prozesshaft aufzufassen. Dem Menschen gesteht dieser zu, über die „Lichtung“ des Daseins eine Ahnung zur Sinnfrage des Seins erfahren zu können. Womit dieser zugleich auch die traditionelle Metaphysik infrage stellt, worin sich seiner Meinung nach kein Seinsdenken entfalten kann. – „Sein und Zeit“ bleibt für Interessierte eine gleichermaßen anregende wie erlebnisreiche Lektüre.

  • Sollte der Schlusssatz nicht besser lauten: „Die Welt wird in der Neuzeit auf das Verifizierbare hin reduziert.“


    Denn sofern sich ein Weltbild als ein (Ab-)Bild von dieser Welt versteht, bliebe somit sogleich eingangs zu klären, was dabei einem Bild und was dabei einer Welt inhaltlich gleichkommen soll? Welt könnte hier als Benennung des weltlich Seienden im Ganzen gelten, dessen Wahrnehmung durch den Menschen zu einem begreifbaren Bild reift. - Descartes setzt hierzu auf die menschliche Vernunft und schreibt derselben das Potenzial zu, dem denkenden Menschen den richtigen Weg zur Erkenntnis eröffnen zu können. Dies stand im Widerspruch zur tradiert theologischen Allmacht des Unverifizierten. - Heidegger hingegen, um Praxisnähe bemüht bleibend, erkennt in der Philosophie dagegen die theoretische Ableitung dieser Welt, aus welcher sich hermeneutisch ein Bezug zur Erfassung des Seins darin Welt herstellen ließe. Und was hierbei jene anteilig vorwissenschaftliche Erfassung der Lebenswelt anbetrifft, findet diese für Heidegger in Husserls transzendentaler Phänomenologie deren Basis; diese eröffnete Husserl dereinst eine Sinnbewirtschaftung einer durch die Naturwissenschaften gleichsam entleerten Welt …

    • A.Paesch schrieb: Sollte der Schlusssatz nicht besser lauten: „Die Welt wird in der Neuzeit auf das Verifizierbare hin reduziert.“


      Das klingt so, als ob die Neuzeit die Welt auf das beschränken würde, was verifizierbar ist. Davon kann aber keine Rede sein, zeitgenössische Wissenschaftler bestreiten keineswegs, dass es außer den verifizierbaren Tatsachen auch noch jede Menge Unbekanntes im Universum gibt. Nur weil sie etwas "auf etwas anderes reduzieren", sprich "auf etwas anderes zurückführen", heißt es noch lange nicht, dass sie den Rest, (die weiße Flecken in unserem Weltbild) in Abrede stellen.


      Hier ist wieder einmal die Doppeldeutigkeit des Reduktionsbegriffs, die Verwirrung stiftet.

    • Re: Das klingt so, als ob die Neuzeit die Welt auf das beschränken würde, was verifizierbar ist.


      Mein diskutabler Hinweis sollte eigentlich weniger der gesamten Varianz an Meinungspositionen hierzu gerecht werden, sondern sich stattdessen stringent kontextuell verstehen. Letzteres ist mir womöglich misslungen?