τὸ τί ἦν εἶναι

Nicht erst bei Heidegger findet sich der substantivierte Infinitiv. Schon Aristoteles bedient sich dieser Form in der Metaphysik. Der wohl bedeutendste ist das τὸ τί ἦν εἶναι. Der substantivierte Infinitiv rahmt hier die implizite Frage "Was ist eigentlich?" ein. Die Aristotelesforschung hat die Funktion dieser Substantivierung unterschiedlich beurteilt im Hinblick darauf, ob damit ein vergegenständlichender oder zitierender Sinn verbunden ist. Aristoteles benutzt die brachylogische Verkürzung - vergleichbar dem rhetorischen Stilmittel der Ellipse - als Rekonstruktion der Frage τί εἶναι ἦν τὸ εἶναι; wobei das ἦν das Prädikat ist und τὸ εἶναι das Subjekt: "Was zu sein hieß (für etwas), (schlechthin) zu sein?". Die Gräzistik spricht von einem "philosophischen Imperfekt", denn ἦν soll auf bereits vorgebrachte Definitionen verweisen: "Es verhält sich, wie wir bereits sagten". (Im Allgemeinen finden sich Selbstzitate bei Aristoteles entweder im Präsens oder Aorist; da es jedoch von εἶναι keinen Aorist gibt, wird das ἦν als Imperfekt gelesen.) Ähnlich verhält es sich mit dem τί λέγεται; in den platonischen Dialogen. Substantivierte Infinitive finden sich bei vielen griechischen Autoren; sie stehen gleichsam an der Wiege der alteuropäischen Tradition. Aristoteles' τὸ τί ἦν εἶναι ist nur der prominenteste. (Im Grunde kann das Griechische fast alles in den Infinitiv setzen, adverbiale Bestimmungen werden beibehalten.)