Lego sic scribo: Stoners Notate zur Literatur

  • Um den Büchersalon nicht mit langen Überlegungen zu einzelnen Werken und Autoren vollzuschreiben, werde ich künftig in unsystematischer Form eines eher monologischen Lesetagebuches meine Gedanken zu aktuellen oder auch vergangenen Lektüren hier einstellen. Vor allem, weil ich gerne auch Begleitlektüren lese und Vergleiche zu anderen Werken ziehen möchte, was insgesamt zur wirr ist, um es drüben im Büchersalon zu bringen. Dort reicht dann eine Kurzversion davon.

    Ich will hier nur sitzen.

    Einmal editiert, zuletzt von Quintus Ironicus ()

  • Hi,


    Ich bin gespannt.



    mvg Philzer

    Pflichteid an die Pan-Theismen des Sozialdarwinismus:

    Ich schwöre, dass alles von mir Geschriebene lediglich ein Meinen ist. - Philzer


    Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet.
    Von den Tatsachen, die ihnen mißfallen, wenden sie sich ab
    und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag.
    Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer.


    Gustave Le Bon

  • Robert Seethaler hat "Ein ganzes Leben", in dem Falle das des Andreas Egger, auf knapp 190 Seiten (dazu in großer, lesefreundlicher Schrift) abgehandelt und keine Frage offen gelassen.


    IanMcEwan nimmt sich 200 Seiten mehr heraus, um einen Tag im Leben des Hirnchirurgen Henry Perowne in "Saturday" zu beschreiben.


    So, wie man glauben kann nach der Lektüre, auch die Gedanken des Andreas Egger zu kennen, kann man umgekehrt glauben, alles über das Leben Henry Perownes verstanden zu haben.


    Zwei völlig unterschiedliche Arten des Erzählens führen zur gleichen Art des Verstehens.


    Über "Saturday", McEwans wahrscheinlich politischsten Roman, werde ich ein bisschen mehr berichten. Ein paar seiner Themen streifen auch Diskussionen, die wir hier führen. Für den Augenblick bloß ein sehr treffendes Zitat über einen Aspekt der Musik und dem Zusammenspiel von Musikern, die mit diesem Zusammenspiel in der Ausdruckskraft ihres Spiels einen flüchtigen Blick auf das erlauben


    Zitat

    was wir sein könnten, auf unser ideales Ich und auf eine unmögliche Welt, in der man alles, was man besitzt, fortgibt und doch nichts verliert. Draußen in der Welt gibt es visionäre Projekte, detaillierte Pläne von friedfertigen Imperien, in denen sämtliche Konflikte gelöst sind und das Glück auf ewig existiert - Trugbilder, für die Menschen zu sterben und zu töten bereit sind. Das Königreich Christi auf Erden, das Arbeiterparadies, der ideale islamische Staat. Doch nur in der Musik und nur in seltenen Augenblicken hebt sich tatsächlich dieser Vorhang, um verlockend den Traum einer Gemeinschaft heraufzubeschwören, der mit den letzten Noten wieder entschwindet.

    (Ian McEwan: "Saturday", Zürich 2005, S.240)


    Diese Kraft der Musik, die McEwan hier beschreibt - es war die Zeit des Irakkriegs und der Anschlagsgefahr durch Islamisten in London - die haben eben letztere verstanden, weshalb sie in dem von vielen Kulturen geprägten Mali, wo Musik eine Klammer für die unterschiedlichen Kulturen darstellt, auch den Musikern die Finger abgeschnitten haben.


    Doch ansonsten ist das ein sehr zutreffender Gedanke dieses absolut nüchternen und wissenschaftsorientierten Neurochirurgen des Romans, der über religiös (übernatürlich) veranlagte Menschen sagt, dass ihr primitives Denken darauf hinauslaufe


    Zitat

    was seine psychiatrischen Kollegen ein Beziehungsproblem oder einen Beziehungswahn nennen würden. Ein Übermaß an Subjektivität, ein Ordnen der Welt gemäß den eigenen Bedürfnissen, eine Unfähigkeit, die eigene Bedeutungslosigkeit wahrhaben zu können.

    (a.a.O. S. 28)


    Die Psychose winkt, wie er meint, und man sieht in dieser Passage sehr deutlich, dass McEwan mit Christopher Hitchens befreundet war und, wenn ich es richtig weiß, auch ein Projekt mit Dawkins zusammen gemacht hat.


    Aber das eher vorab. Mehr folgt noch.

    Ich will hier nur sitzen.

    4 Mal editiert, zuletzt von Quintus Ironicus ()

  • Ach, und was mir auch zufällig im Roman unterkam, war ein Gedanke des Protagonisten zum Thema der Gedanken und ihrer Sprachlichkeit, das in dem von Feinhals eröffneten Strang um Wittgenstein zur Sprache kam.


    Während des Fahrens sinniert Perowne entlang einer bestimmten Gemütslage vor sich hin. Aber, heißt es dann,


    Zitat

    Diese Feststellungen und Fragen formuliert er nicht aus. Eher erfährt er sie als ein mentales Achselzucken, gefolgt von einem Frageimpuls. Präverbale Sprache, die Linguisten sprechen von Mentalese, der universalen Sprache der Gedanken. Nicht so sehr Sprache, als vielmehr eine Matrix wechselnder Muster, wobei Bedeutung sich in Bruchteilen von Sekunden verfestigt und komprimiert, um untrennbar mit einer unverwechselbaren emotionalen Einfärbung zu verschmelzen. ... Selbst wenn man als Poet die Gabe der Verdichtung besäße, bräuchte man aberhundert Worte und viele Minuten, um diese Gedanken auszudrücken.

    (a.a.O. S.114)


    Und hier sind wir dann bei dem Problem, dass wir einzelne Sätze für einen Gedanken nehmen, aber in Wirklichkeit ist es ein Ordnungsversuch, ein Versuch, einen Anker im Strom des Bewusstseins zu werfen und angeln zu gehen. Wenn es gelingt, wie den Meistern der Verdichtung, aus diesem Strom etwas festzuhalten und in kohärente Form, die Ordnung, zu bringen, dann entstehen Sätze, formen sich, wenn man an Philosophie denkt, die Ideen. Wie in der berühmten Formel "Die allmähliche Verfertigung der Idee beim Schreiben", als nach außen gekehrtes Ordnen des chaotischen Inneren.

    Ich will hier nur sitzen.

    Einmal editiert, zuletzt von Quintus Ironicus ()

  • Ich glaube es gibt zwei extreme Haltungen. Die im obigen Zitat skizzierte, die den Bewusstseinsstrom mit den Gedanken identifiziert. Oder der von mir (und wie ich meine auch von W präferierte) Standpunkt, der den Gedanken mit seinem sprachlichen Medium identifiziert. Das hätte zumindest den Vorteil, dass wir Gedanken intersubjektiv zugänglich machen. Aber das gehört eher in den Wittgenstein-Faden.

  • Oder der von mir (und wie ich meine auch von W präferierte) Standpunkt, der den Gedanken mit seinem sprachlichen Medium identifiziert.

    Ich würde beides sehen.

    Einerseits sind, wenn wir zu sprechen beginnen, unsere Gedanken unfertig, wir alle kennen das.

    Auf der anderen Seite sprechen wir auch nicht einfach drauf los, schon der Impuls zu antworten markiert ja in gewisser Weise ein Ziel, man weiß, wo es hingeht, weiß was man in etwa entfalten, vertiefen, verteidigen oder was auch immer will.

    Die Intuition, die ja irgendwie auch ein Gedanke ist, ist da, sie zu formulieren ist das, was vor uns liegt. Sieht man ja auch daran, dass man mit der eigenen Ausführung sehr zufrieden sein kann, oder eben auch denken, es sei einem nicht gelungen, den wesentlichen Aspekt auszudrücken. Das setzt aber voraus, dass man den wesentlichen Aspekt kennt.

    "It's not that I don't like them, I really hate them." (Eine Ukrainerin)

  • Wie auch immer, zurück noch zu einem kurzen weiteren philosophischen Gedanken bzw. Urteil des religiös unbegabten und in seinen Urteilen recht kurz angebundenen Perowne, den man in manchen Dingen, außer der Literatur, wahrscheinlich ziemlich nah an seinem Schöpfer vermuten darf.


    Man hatte ihn im Lehrgang für Physik mit der berühmten Katze Schrödingers konfrontiert. Der Sinn davon will ihm nicht einleuchten. Die Idee, es würde da eine Quantenwelle der Wahrscheinlichkeit beim Öffnen des Deckels kollabieren, gehört für ihn eher in die angesprochene Bezugsproblemkiste. Was kollabiere, sei schlicht und ergreifend die eigene Unwissenheit. Wie immer das Ergebnis ausfällt, so Henry Perowne, es ist vorprogrammiert.


    Perowne wäre eine Figur, die hier den einen oder anderen in Entzücken versetzen würde. Er liest seiner Tochter zuliebe allerlei Werke der Weltliteratur, aber durchaus mit einem gewissen Missvergnügen. Im Grunde schimmert Dawkins ebenso durch wie vielleicht der gestern und heute wieder einmal erwähnte Gerhard Roth, wenn Perowne sinniert:


    Zitat

    Für ihn ist es keine Glaubensfrage, sondern eine alltägliche Tatsache, daß das Bewußtsein von bloßer Materie, vom Hirn geschaffen wird. Eine ehrfurchtgebietende Tatsache, die auch Neugier verdient: Das Wirkliche, nicht das Magische, sollte die Herausforderung sein. Die Werke auf seiner Lesliste überzeugten Perowne davon, daß das Übernatürliche Zuflucht einer beschränkten Phantasie war, ein Pflichtversäumnis, ein kindliches Sich-Drücken vor den Mühen und Wundern des Realen, vor der anspruchsvollen Neuinszenierung des Plausiblen.


    (a.a.O. S. 95)


    Daher hat er auch seine Tochter gebeten, keine weiteren "magischen Zwergentrommler" und ein paar andere Gestalten wie Engel, Gespenster, Teufel oder Verwandlungen mehr auf die Liste der zu bewältigenden Lektüren setzen.


    Vielleicht muss man als Hirnchirurg, der täglich irgendwelche Operationen am Gehirn durchführt, so gestimmt sein. Wie sollte man es sonst aushalten und einen guten Job machen, wenn man dem Organ Magisches zuschreibt?

    Ich will hier nur sitzen.

  • "Dieser Tag ist vorüber."


    Mit diesem lakonischen Satz endet McEwans Roman über einen Tag im Leben des Neurochirurgen Henry Perowne. Der steht morgens gegen 4.00 h auf, sieht am Himmel ein Flugzeug mit brennendem Triebwerk im Anflug auf Heathrow, fährt mit dem Auto zum Squashspielen und hat unterwegs einen kleinen Unfall, verliert die Squashpartie gegen seinen Kollegen, fährt nach Hause, kauft unterwegs ein, besucht seine Mutter im Pflegeheim dann seinen Sohn bei einer Probe, kocht zu Hause, trinkt dazu, wird mit seiner Familie zusammen überfallen, führt im Krankenhaus noch eine Operation durch, kommt wieder nach Hause, schläft mit seiner Frau, schaut noch einmal auf die wieder erwachende Stadt und geht dann endgültig ins Bett. "Der Tag ist vorüber."


    Soweit ein paar Tatsachen, lakonisch aufbereitet und abgehandelt. Das Leben, die Tatsachen, sie haben kein Thema. Es ist der Mensch. Aber welches?


    McEwan setzt einen Rahmen, den er in einem längeren vorangestellten Zitat entfaltet:


    Zitat

    Zum Beispiel? Nun zum Beispiel, was es heißt, ein Mann zu sein. In einer Stadt. In einem Jahrhundert. Im Übergang. In einer Masse. Von der Wissenschaft umgemodelt. Unter organisierter Macht. Gewaltigen Kontrollen unterworfen. In einem durch die Mechanisierung verursachten Zustand. Nach der jüngsten Enttäuschung radikaler Hoffnungen. In einer Gesellschaft, die keine Gemeinschaft war und die Persönlichkeit entwertete. Aufgrund der multiplizierten Kraft von Zahlen, die das Ich zur Unerheblichkeit verurteilte. Die Rüstungsmilliarden gegen auswärtige Feinde ausgab, aber für die Ordnung im Lande nicht bezahlen wollte. Was der Brutalität und Barbarei in den eigenen großen Städten Tür und Tor öffnete. Zur gleichen Zeit der Druck von Millionen Menschen, die entdeckt haben, was gemeinsame Anstrengungen und Gedanken erreichen können Wie Megatonnen von Wasser auf den Grund des Ozeans die Organismen gestalten. Wie die Gezeiten Steine glätten. Wie die Winde Klippen höhlen. Die schöne Supermaschinerie öffnet ein neues Leben für unzählige Menschen. Möchtest du Ihnen das Recht zum Leben absprechen? Möchtest du sie auffordern, zu arbeiten und zu hungern , während du köstliche altmodische Werte geniest?

    Das ist ein Zitat aus Saul Bellows "Herzog" (Bellows Bücher treffen gerade parallel, aber völlig unabhängig davon zusammen mit den Büchern McEwans bei mir ein), und man könnte den Roman tatsächlich Stück für Stück und Sequenz für Sequenz in diesen Rahmen packen, also den Tatsachen und Ereignissen einen Sinnhorizont verpassen. Ist ja im Prinzip wie bei Gemälden auch. Eine Figur wird erst dann sichtbar, wenn sie auch einen Hintergrund hat. Ohne den bliebe sie nichts. So auch das, was Henry Perowne an diesem Tag erlebt. Ihm widerfährt. Er unternimmt. Mit ihm getan wird. Ich komme noch einmal darauf zurück. Jedenfalls ein Buch, das man auch einmal wiederlesen kann.

    Ich will hier nur sitzen.

    Einmal editiert, zuletzt von Quintus Ironicus () aus folgendem Grund: Fehlerkorrektur

  • So, noch ein paar Sätze zum Abschluss über "Saturday".


    Wie ich schrieb, ist es auch ein sehr politisches Buch. Es spielt um die Zeit, als der zweite Irakkrieg, die Frage der Massenvernichtungswaffen dort, virulent war. 9/11 war noch sehr präsent, die drohenden und tatsächlichen Anschläge hielten einige Städte und die Menschen in Atem. Vor allem aber, darüber wird sich Perowne irgendwann im Klaren, sind es die neuen Medien in ihrer dauerhaften Erreichbarkeit, die man nutzt, die einen immer stärker glauben lassen, dass man in einem bestimmten Zeitalter lebt. Man kennt das ja. Flüchtlinge, Anschläge, Klimawandel, Corona - alles Themen, die einen aufsaugen, wenn man täglich, stündlich ins Netz auf Nachrichten blickt. Nur deshalb ordnet Perowne, als er nachts aufsteht und das brennende Flugzeug beobachtet, das Ganze sofort in das vorherrschende Thema von Terroranschlägen ein.


    Zitat

    Der Drang zu hören, was mit der Welt passiert, um sich der Allgemeinheit, der Sorgengemeinschaft anzuschließen, ist typisch für die heutige Zeit.

    (a.a.O. S. 244)


    Das ist die kurze und knackige Definition dafür.


    Trotz der politischen Geräusche, die sich durch den Roman ziehen, ist es kein Politroman. Die wichtigere Begegnung der anderen Art ist jener Unfall, in den Perowne verwickelt ist und bei dem er das Pech hat, einer jener Gestalten des urbanen Lebens zu begegnen, denen man besser niemals im Leben begegnen würde - vor allem dann nicht, wenn man Psychos von der Art Baxters in ihrem Tun, und sei es bloß, dass sie aufgehalten werden, hindert. Menschen von Baxters Schlag und Charakter - hinzu kommt die Auflösung aller Hemmungen, weil er schon weiß, dass er an Chorea Huntington leidet -, sind in ihrer Empathielosigkeit und absoluten Selbstbezogenheit der fleischgewordene Albtraum. Dass Perowne und seine Familie am Ende entkommen, ist reines Glück (so wie der Unfall gerade mit so einem reines Pech ist). Dass Perowne denjenigen, den er selbst die Treppe hinuntergeschmissen hat, am Ende dann operiert und dabei nicht um die Ecke bringt, ist schon fast "Liebet eure Feinde"-mäßig. Obwohl er Baxter damit natürlich keinem schönen Restleben ausliefert.


    Das war's dann erst einmal über diesen Roman. Vielleicht komme ich noch einmal auf ein paar literaturtheoretische Aspekte im weiteren Verlauf von McEwan-Lektüren zurück. Womit ich weitermache, weiß ich noch nicht so recht, die Qual der Wahl sagt: Entweder "Amsterdam" oder "Solar". Einer eigenartigen Theorie zufolge hat mein Gehirn sich ja schon entschieden, bloß weiß ich noch nichts davon. Vielleicht verrät es mir seine Entscheidung, wenn ich es jetzt ein bisschen ruhen lasse und nur meine Muskeln anstrenge und meine Bänder dehne. :D

    Ich will hier nur sitzen.

  • Nun bin ich doch noch nicht ganz fertig mit "Saturday", das mich etwas länger noch beschäftigt hat, sodass ich noch nicht so richtig in den nächsten McEwan eintauchen kann.


    Als Randnotiz sei noch angemerkt, dass McEwan über zwei Jahre lang einem Neurochirurgen bei der Arbeit zusehen konnte und erklärt bekam, was der dort tat. Das merkt man dem Roman an in seinen ausführlichen Passagen, in denen Operationen am Gehirn beschrieben werden.


    Was mich so beschäftigt, ist diese Situation, in der Perowne ein zweites Mal, dieses Mal zusammen mit seiner Familie in die Gewalt Baxters gerät und seine Tochter nur deshalb der Vergewaltigung entgeht, weil sie schwanger ist und Baxter und sein Komplize sich davor ekeln, eine Schwangere zu vergewaltigen. Es ist keine Gewissensfrage, sondern eine des Ekels. Baxter und Kriminelle seinesgleichen sind Menschen, die sich andere so verfügbar machen, dass deren Vertrauen in sich und ihre soziale Existenz an einem seidenen Faden hängt.


    Man weiß um die psychologischen Auswirkungen von Wohnungseinbrüchen inzwischen besser Bescheid, weshalb man auch die Strafandrohung heraufgesetzt hat. Bei Baxter fiel mir wieder eine Situationen meines Lebens ein, in der ich eine Überzeugung praktisch über Nacht über Bord warf.


    Als in den Achtzigern die Diskussionen liefen, ob die Polizeigesetze der Bundesländer den finalen Rettungsschuss (solche Begriffe können sich nur Bürokraten ausdenken) enthalten sollen, war ich dagegen. Aber als ich dann die Geiselnahme von Gladbeck live im Fernsehen sah, den Typen vor der Kamera protzen und posieren sah, bin ich umgeschwenkt. Wer anderen eine Knarre an den Kopf hält, soll damit rechnen müssen, im Notfall ohne weitere Umstände erschossen zu werden. Anders als andere hier glaube ich nämlich, dass der Geiselnehmer das nicht tun muss. Wobei ich meine, dass Menschen wie Perowne und seine Familie aufgrund ihrer sozialen Umstände auch eine gute psychische Stabilität aufgebaut haben, weshalb das Szenario der (Anfangs)Bewältigung im Roman durchaus realistisch ist.


    Damit nun endgültig genug und weiter zu "Ein Kind zur Zeit", jener Roman, mit dem ich McEwan seinerzeit zum ersten Mal wahrgenommen hatte. Es ist sein erstes Werk, in dem er eine Figur ganz bewusst in die politischen Umstände, oder ein bestimmtes politisches Zeitgeschehen einbettet, was er. so viel ich weiß, seitdem durchgehend so hält. An diesen Handlungsstrang hab ich nach fast 30 Jahren heute bei der Zweitlektüre keine Erinnerung mehr, es ist dazu noch sehr spezifisch britische Innenpolitik (Bildung und Erziehung). Ich bin gespannt darauf. Dafür habe ich noch deutlich den Alptraum in Erinnerung, dem der Protagonist ausgesetzt ist. Ein Vater, der am Samstagmorgen mit seiner dreijährigen Tochter in den Supermarkt zum Einkaufen geht, sich an der Kasse einen Moment lang abwendet - und die Tochter ist verschwunden und wird nie mehr auftauchen. Ihr Schicksal ist ungewiss. Ich weiß nicht, ob man sich von einer Geiselnahme oder von so etwas besser erholt - wenn überhaupt.

    Ich will hier nur sitzen.

    Einmal editiert, zuletzt von Quintus Ironicus ()

  • Noch fehlen mir ein paar Seiten aus "Ein Kind zur Zeit", aber das Fazit kann ich jetzt schon ziehen. Es hat mich nicht so absolut gefesselt als Geschichte, weil der aus heutige Sicht sehr amüsante Teil um eine von der Politik eingesetzte Kommission ("Die Offizielle Kommission zur Kindererziehung), die Vorschläge in Erziehungs- und Bildungsfragen machen soll, obwohl das Buch, das angeblich aus ihren Vorschlägen entstehen soll, längst fertig ist, nicht mehr sonderlich spektakulär wirkt. Lustig sind die Auszüge, die als Motto über den einzelnen Kapiteln stehen (ein oder zwei werde ich noch zitieren, weil sie gar so köstlich sind). Schön zusammengefasst ist das Thema Familie, Politik, Staat und Erziehung in einer fast zweiseitigen inneren Monologsuada des Hauptcharakters, in der er die jeweils auf der Höhe der Vernunft der Zeit formulierten Erziehungsansichten zusammenfasst, und jedes neue Dokument im Prinzip seine Modernität darin ausweist, dass es genau das Gegenteil des vorangegangenen behauptet. Es bestätigt das, was ich schon immer weiß, nämlich dass Konservative und Linke immer besonders daran interessiert sind, über Erziehung und Bildung zu bestimmen. Der Unterschied heute besteht darin, dass Linke durchsetzen und Rechte verhindern wollen - was einen Hinweis darauf geben könnte, wie die Machtverhältnisse gerade liegen.


    Der Teil um das verschwundene Mädchen ist eigentlich sehr kurz, dabei aber gut und glaubhaft dargestellt. Der Hauptteil besteht m.E. in den philosophischen Überlegungen zur Zeit, die McEwan mit seinen Figuren literarisch durchspielt, insbesondere dort, wo er die theoretischen Überlegungen, wonach sich in höheren Modellen die Linearität des aktuellen Zeitverständnisses auflöst, auf seinen Protagonisten anwendet. Das ist literarisch ganz gut gelungen. Und trotzdem wird der Roman zu den Büchern gehören, die ich eher nicht so schnell, wenn überhaupt, wieder lesen werde. Liegt vielleicht auch an meinen Erinnerungen an die Erstlektüre, die ich viel spannender in Erinnerung hatte als sich beim Lesen jetzt Spannungsmomente eingestellt hätten.

    Ich will hier nur sitzen.

  • Geschafft - an das Ende mit Blick auf Stephen und Julie konnte ich mich noch gut erinnern, aber der Teil um Stephens Freund Charles, der sich am Ende als der Autor des Erziehungsbuches entpuppt, wobei die konservative Ausrichtung wiederum etwas mit seiner Krankheit zu tun hat, war mir nicht mehr präsent.


    Hier noch wie versprochen die Kostproben aus dem "Autorisierten Leitfaden zur Kindererziehung":


    Zitat

    Es gibt jedoch Anzeichen dafür, daß ein Vater, je inniger er mit der Pflege eines Kleinkindes befaßt ist, um so weniger als Autoritätsperson wirken kann. Wenn ein Kind sich von einem Vater geliebt fühlt, der die richtige Balance zwischen Zuwendung und Distanz zu wahren weiß, ist es auf dem guten Wege, sich emotional auf künftige Trennungen vorzubereiten, Trennungen, die unverzichtbar zum Erwachsenwerden gehören.


    Wir sind gewiß nicht schlecht beraten, wenn wir, wie schon viele vor uns, folgern, daß aus der Liebe und Achtung vor dem Elternhaus [grammatisch keine gute Wendung] unsere wahre Treue zu Volk und Heimat erwächst.

    (Ian McEwan, Ein Kind zur Zeit, Zürich 1988, S. 73 bzw. S. 103)


    8o


    McEwan verarbeitet in diesem ersten explizit politischen Buch die Ära Thatcher. Leider enthält diese deutsche Diogenes-Ausgabe keinerlei Hinweise, was McEwan da verwurstet hat, ob diese Zitate aus irgendeinem offiziellen Dokument stammen, was eigentlich bei ihm zu erwarten wäre. Wie auch immer, Mario Vargas Llosa hat in "Der Ruf der Horde" (ein Buch auch nach Geschmack von hel ) in seinem Hayek-Aufsatz darin diesem Sympathien für seine Gedanken zur Ökonomie ausgedrückt, gleichzeitig aber auch seine Distanz zu Hayek wegen dessen Einverständnis mit der konservativen Gesellschaftspolitik unter Thatcher betont. Diesen konservativ-reaktionären gesellschaftspolitischen Geist unter der Regierung der Krämerstochter (fiel mir wieder ein, weil am Sonntag der Thatcher-Film mit Meryl Streep auf arte oder 3sat lief) spiegeln die beiden Zitate ganz gut wider.


    Damit geht's jetzt mit McEwan ins Berlin Mitte der Fünfziger Jahre zu einem Roman, der sich ein bisschen ans Genre von le Carré und Graham Greene anlehnt: "Unschuldige". Ich bin gespannt und werde berichten.

    Ich will hier nur sitzen.

  • Augenprobleme, Grippe trotz Impfung sind keine lektürefreundlichen Dinge, und so habe ich Ian McEwans "Unschuldige" in Kleinsthappen durchgelesen und weiß am Ende nicht, ob es mehr an der inneren Einstellung oder doch am Buch lag, dass meine Begeisterung begrenzt ist.


    Ganz sicher sind mit wenigen Ausnahmen Spionagegeschichten nicht mein Genre, und weshalb McEwan diese Geschichte von Verrat und Verlust der Unschuld und der Liebe, die nach einem Vergewaltigungsversuch aufgrund von sadistischen Phantasien dann in einem sehr detailreich beschriebenen Mord mit anschließender Zerlegung der Leiche endet, nun ausgerechnet um eine historisch verbürgte Spionageaktion in Berlin Mitte der 50er Jahre angesiedelt hat, erschließt sich mir nicht. So präzise, wie die Charaktere wieder einmal entwickelt werden, so fad ist die ganze hoffnungslos veraltete Fernmeldetechnik, die allem Detail beschrieben wird. Deshalb war ich am Ende ganz froh, dass ich durch war, und es gibt nicht viel, was mir so als bemerkenswert und zitierwert aufgefallen wäre. Was nicht nur an der schlechten Verfassung lag. Deshalb habe ich auch gar nichts neues angefangen, sondern blättere nur lustlos hier und da ein wenig rum, bis ich wieder auf der Höhe bin.

    Ich will hier nur sitzen.

  • Bevor ich gestern zu "Schwarze Hunde" von McEwan überging, habe ich noch einmal Galen Strawsons Essay "Ein Irrtum unserer Zeit" (Englisch: Against Narrativity) gelesen, in dem sich Strawson gegen die von bestimmten Philosophen und auch anderen vertretene Idee des Lebens als Erzählung richtet. Namentlich erwähnt und zitiert werden vor allem Oliver Sacks, Daniel Dennett, Charles Taylor und Alaisdair McIntyre, die allesamt in ihrer Philosophie - zu Sacks komme ich noch getrennt - Vertreter von Thesen sind, die das Ich oder das Selbst als eine Erzählung oder durch eine solche konstituiert auffassen. Ein weiterer Vertreter wäre Richard Rorty mit seiner romantischen Selbstbeschreibung als Work-In-Process.


    Leider ist einer der Ausgangspunkte zwar aufschlussreich für das, wogegen er mit sehr berechtigten Einwänden und Überlegungen argumentiert, aber nicht ganz glücklich gewählt. Oliver Sacks schreibt in seinem Buch "Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte" im 12. Fallbeispiel "Eine Frage der Identität":


    Zitat

    „Jeder von uns hat eine Lebensgeschichte, eine Art innere Erzählung, deren Gehalt und Kontinuität unser Leben ist. Man könnte sagen, dass jeder von uns eine „Geschichte“ konstruiert und lebt. Wenn wir etwas über jemanden erfahren wollen, fragen wir: „Wie lautet seine Geschichte, seine wirkliche, innere Geschichte?“ Jeder Mensch ist eine einzigartige Erzählung, die fortwährend und unbewusst durch ihn und in ihm entsteht – durch seine Wahrnehmungen, seine Gefühle, seine Gedanken, seine Handlungen und nicht zuletzt durch das, was er sagt. Biologisch und physiologisch unterscheiden wir uns nicht sehr voneinander – historisch jedoch, als gelebte Erzählung, ist jeder von uns einzigartig.“


    Um wir selbst zu sein, müssen wir uns selbst haben; wir müssen unsere Lebensgeschichte besitzen oder sie, wenn nötig, wieder in Besitz nehmen. Wir müssen uns er-innern, an unsere innere Geschichte, an uns selbst. Der Mensch braucht eine solche fortlaufende innere Geschichte, um sich seine Identität, sein Selbst zu bewahren.


    (Lizenzausgabe des Spiegel-Verlags, S. 146) (Strawson zitiert nur den fett hervorgehobenen Teil.)


    Sieht man sich die Geschichte des William Thomson an, dann kann man dem nur unmittelbar zustimmen. Der Mann mit Korsakow-Syndrom und einer sog. Korsakow-Psychose (die keine echte Psychose ist) leidet unter Amnesie und kann sich höchstens ein paar Sekunden lang etwas merken. Was dazu führt, dass er in Gegenwart von anderen Menschen permanent schwafelt und Geschichten erfindet, weil er die Welt nicht mehr als kohärent erfassen kann. Er erschlägt seine Mitmenschen mit Witzen und Geschichten. Der einzige Ort, an dem er verstummt, ist der Garten. Dort, zwischen Pflanzen und für sich scheint er keine Geschichten mehr zu brauchen und irgendwie in einer ihn nicht mehr herausfordernden Welt zu leben.


    Diese Geschichte hat mich beim Lesen von Strawsons Aufsatz dazu gebracht, ihm seinen Gedanken, wonach sich für ihn nichts ändern würde, wenn man ihn seiner Erinnerungen beraubte, nicht abzunehmen. Es hätte mich interessiert, ob er Sacks Fallstudie gelesen oder das Zitat nur irgendwo gefunden hat. Aus neurophysiologischer Sicht ist die Fähigkeit der Erinnerung - und die wird immer im weitesten Sinne die Form einer Erzählung haben, ohne dass das Leben die Erzählung ist - für mich auch unverzichtbar.


    Zieht man diesen Pferdefuß des Essays mal ab und nimmt ihn als ein philosophisches und psychologisches Stück, dann stecken ein paar sehr interessante Überlegungen und Typisierungen in dem Aufsatz. Die werde ich nach und nach ein wenig aufdröseln.

    Ich will hier nur sitzen.

  • Strawson nimmt Sacks' These als eine psychologische Narrativitätsthese und meint, diese trete oft in Verbindung mit einer ethischen Narrativitätsthese auf. Mit der ersten seien Behauptungen darüber verbunden, wie ein Mensch sein Leben erfährt, mit zweiten wird ein normativer, evaluierender oder ethischer Anspruch ausgedrückt. Man kann dann wiederum vier mögliche Positionen daraus ableiten, dass nämlich jemand die erste, die zweite oder beide zusammen vertritt oder beide falsch seien. Für sich reklamiert Strawson die vierte Position: weder ist er der Meinung, dass unser Denken narrativ sei noch dass wir es sein sollten. Menschen erfahren ihr Leben nicht notwendigerweise als eine zusammenhängende Geschichte. Wichtig sei, zwischen dem eigenen Bewusstsein als körperlicher Ganzheit und einem inneren Wesen als mentaler Einheit zu unterscheiden.


    Diese mentale Einheit sieht Strawson nicht für sich und auch nicht als Notwendigkeit. Es gebe zwei Kategorien von Selbsterfahrung in dieser Hinsicht, nämlich Menschen, die sich als dauerhaft (diachron) und vorübergehend (episodisch) erfahren. Der Diachrone, wird eher von einem Wesenskern ausgehen und sich als eine Geschichte erfahren, während das episodische Erleben dazu führt, dass man sich eher als eine Abfolge vieler sich ständig ändernder "Selbste" (meine Wortwahl) erfährt, wobei erstens Mischformen existieren und die Ausprägung zweitens auch durchaus kulturell beeinflusst ist.


    Der Unterschied zwischen den beiden Erlebensweisen zeigt sich auch an der unterschiedlichen Gewichtung der Vergangenheit. Dem Episodischen ist Vergangenheit zwar nicht fremd oder bedeutungslos, er lebt jedoch die Gegenwart nich als eine fortwährend wirkende bewusste Vergangenheit. Die Virtuosität des Musikers, meint Strawson, ist das Ergebnis seines Übens in der Vergangenheit, aber es wäre nutzlos, sich jeder geübten Etüde zu erinnern.


    Auf Philosophie und Literatur bezogen gehören für Strawson u.a. Montaigne. Stendhal, Borges, Virginia Woolf, Pessoa und ganz stark Iris Murdoch zu den Episodischen, während Platon, Augustinus, Heidegger, Conrad, Dostojewski und Graham Greene im Lager der Diachroniker befinden.


    Diese Einteilung ist insofern interessant, als sie mich an die beiden von Isaiah Berlin anhand eines Fragments des Archilochos vom Igel und vom Fuchs - der Fuchs weiß viele Dinge, der Igel weiß eine große Sache - entworfenen Kategorien erinnert. Berlin schreibt darüber:


    Zitat

    Es besteht nämlich eine tiefe Kluft zwischen denen, die alles auf eine einzige, zentrale Einsicht beziehen, auf ein mehr oder weniger zusammenhängendes oder klar gegliedertes System, im Rahmen dessen sie verstehen, denken und fühlen – ein einziges, universales, gestaltendes Prinzip, das allein allem, was sie sind und sagen, Bedeutung verleiht –, und auf der anderen Seite denen, die viele, oft unzusammenhängende und sogar widersprüchliche Ziele verfolgen, die, wenn überhaupt, nur in einem faktischen Zusammenhang stehen, aus irgendeiner psychologischen oder physiologischen Ursache und nicht kraft eines moralischen oder ästhetischen Prinzips. Diese Menschen leben, handeln und denken in einer Weise, die eher zentrifugal als zentripetal zu nennen ist, ihr Denken ist sprunghaft oder verschwommen, bewegt sich auf vielen Ebenen und ergreift das Wesen einer großen Vielfalt von Erlebnissen und Gegenständen um ihrer selbst willen, ohne bewußt oder unbewußt den Versuch zu machen, sie mit irgendeiner unabänderlichen, allumfassenden – manchmal in sich widersprüchlichen und unvollständigen, manchmal fanatischen – einheitlichen inneren Einsicht in Einklang zu bringen oder sie von ihr auszuschließen. Die erste Art von Intellektuellen und Künstlern gehört zu den Igeln, die zweite zu den Füchsen

    (Isaiah Berlin, Der Igel und der Fuchs, Frankfurt am Main 2009, S. 7f)


    Man kann auf jeden Fall Strawsons Diachroniker allesamt den Igeln zuschlagen, bei den Episodischen bin ich mir bei Murdoch nicht ganz sicher, ob die nicht doch mehr zu den Igeln gehört. Aber sonst passt das.


    Aber gut, damit komme ich im nächsten Schritt zum Ich und Ich*. Später. Es wurde Essen bestellt für 18.30 h, und zwischen dem neuronalen Korrelat der Bestellung und dem speisengedeckten Tisch herrscht auch ein Kausalitätsverhältnis. Die sind ja bekanntlich überall möglich. :D

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    Einmal editiert, zuletzt von Quintus Ironicus () aus folgendem Grund: Fehlerkorrektur

  • Strawson streitet autobiographische Erinnerungen nicht ab, aber er möchte gerne unterscheiden zwischen einem Ich als die Person, die man ist im Augenblick und einem Ich*, zu dem auch die ganzen Formen wie mich*, mein*, du*, man selbst*, sich selbst* und ähnliche abgeleitete Formen zählen und sich alle auf "das innere, mentale "Selbst" beziehen. dessen tatsächliche Existenz steht dabei nicht zur Debatte, es geht ihm darum, dass die Empfindung existiert. Und nun kommt der Clou mit der Vergangenheit: Seine weit zurückliegende Vergangenheit, sagt Strawson an dieser Stelle, sei "nicht mir* widerfahren".


    Es ist etwas, was in einem geschichtlichen Zusammenhang in Martin Walsers Roman "Ein springender Brunnen" im ersten Kapitel "Vergangenheit als Gegenwart" so formuliert ist:


    Zitat

    Solange etwas ist, ist es nicht das, was es gewesen sein wird. Wenn etwas vorbei ist, ist man nicht mehr der, dem es passierte. Allerdings ist man dem näher als anderen. Obwohl es die Vergangenheit, als sie Gegenwart war, nicht gegeben hat, drängt sie sich jetzt auf, als habe es sie so gegeben, wie sie sich jetzt aufdrängt. Aber solange etwas ist, ist es nicht das, was es gewesen sein wird. Wenn etwas vorbei ist, ist man nicht mehr der, dem es passierte. Als das war, von dem wir jetzt sagen, daß es gewesen sei, haben wir nicht gewußt, daß es ist. Jetzt sagen wir, daß es so und so gewesen sei, obwohl wir damals, als es war, nichts von dem wußten, was wir jetzt sagen.

    Das ist das gleiche Prinzip, man müsste hier nur "Geschichte" durch "Geschichte der Person" ersetzen, dann, so meine ich, hat man hier etwas Vergleichbares vor sich. Der kleine Galen Strawson kann sich zwar von innen heraus erinnern, dass er mal aus dem Boot ins Wasser gefallen ist, aber das ist nicht dem Galen Strawson, als der er sich nun versteht, widerfahren, und das Gefühl des Kindes beim Sturz ins Nass ist nicht mehr verfügbar, das erinnerungsbegleitende Gefühl gehört nicht ihm (dem Kind) sondern ihm* (dem Erwachsenen). Walsers Gedanke kann man übrigens auch mit in den Teil hinüberziehen, in dem Strawson dann, wenn es ums Narrative geht, die Frage der Revision betrachtet.


    Es folgen nun eine Reihe von Überlegungen dazu, was nun das Narrative ist bzw. was es bedeutet, von Natur aus narrativ zu sein. Er zeigt das an den schon erwähnten Philosophen Taylor, McIntyre und Dennett, aber auch an einigen anderen wie Ricoeur oder Marya Schechtmann. Allen gemeinsam ist die starke Betonung der Wichtigkeit einer Lebensgeschichte, des Lebens als Erzählung, als Notwendigkeit der Erzählung. Dennetts Wort vom Ich als narrativem Zentrum einer Person ist hinlänglich bekannt. Er zitiert ausführlich, erläutert und fragt schließlich, ob irgendetwas davon wahr sei. Was er verneint. Alle sprächen hier eher von sich selbst. Er hält es für einen Irrtum, dass das Narrative für ein gutes Leben unabdingbar sei.


    Ich hatte oben den Unterschied zwischen McEwans Figur Perowne und Seethalers Andreas Egger erwähnt. Seethaler braucht für ein ganzes Leben nicht einmal ein Viertel dessen, was McEwan für einen Tag im Leben des Henry Perowne braucht. Man kann davon ausgehen, dass Andreas Egger keiner war, der im Sinne Rortys romantische Selbsterschaffung durch ein Narrativ betrieb, während Perowne eher wie ein wandelndes Narrativ wirkt. Daraus aber auf ein besseres oder schlechteres Leben zu schließen? Aus welchen Gründen? In welcher Hinsicht? Und welchen Sinn hat diese Geschichte überhaupt? Man müsse, erinnert Strawson an Kierkegaard, sein Leben rückwärts verstehen aber vorwärts leben - was trägt aber das rückwärts Verstehen bei?


    Strawson verwirft die ethische Narrativitätsthese und wendet sich dann dem Narrativen zu. Sein Annäherungsversuch an den Begriff läuft am Ende auf Folgendes hinaus:


    Zitat

    Wenn es um das narrative Verständnis des eigenen Lebens (oder weitläufiger Abschnitte dieses Lebens) geht, muss man in großen Zügen denken und vor allem Zusammenhänge, Muster und Einheitlichkeit suchen. Man muss also im umfassenden Sinne eine Tendenz zur Formfindung (F)besitzen.

    (Galen Strawson, Ein Irrtum unserer Zeit, in : ders. Was mich umtreibt, Tod Freiheit, Ich. Stuttgart 2019, S. 79)


    So, was es mit der Form und der Revision auf sich hat, ist der letzte Teil, der dann noch folgt.

    Ich will hier nur sitzen.

  • Wir nähern uns dem Ende mit einer weiteren Kategorie, nämlich der Formfindung (F), eines unscharfen Begriffes, der aber nicht ans Diachronische gebunden sei, sondern auch von Episodischen genutzt würde. Beispielhaft in der Literatur nennt er den episodischen Kerouac, der für sein episodisches Denken eine größere Form gesucht und gefunden habe. Sehe ich auch so, ich glaube "Unterwegs" habe ich noch nie ganz geschafft in seiner chaotischen Komposition. Schließlich gibt es als spezifische Art der Formfindung das Geschichtenerzählen (G). Das Streben nach Formfindung ist für dieses Geschichtenerzählen notwendig, und von hier aus kommt dann ein weiterer Einwand gegen das Narrative:


    Zitat

    An dieser Stelle tritt nun die Vermutung hinzu, dass eine narrative Veranlagung auch die unbeabsichtigte Tendenz mit sich bringt, zu fabulieren, auszudenken, zu verfälschen, und zu revidieren, wenn es um das Verständnis des eigenen Lebens geht, wenngleich diese Prozesse unbewusst ablaufen. Ich bezeichne dies im folgenden als Revision.

    (a.a.O. S. 82)


    Mit Revision ist nicht nur ein Perspektivenwechsel gemeint, sondern sie geht darüber hinaus. Sie ist im Wesentlichen unbewusst, zur Revision wird sie in dem Augenblick, in dem eine "Verfälschung der Fakten nicht mehr erkannt wird und das Ergebnis dieser Revisionsprozesse als Wahrheit empfunden wird." Was ihn zum Urteil bringt:


    Zitat

    Sollte sich die Revisionsthese als wahr erweisen, wären das schlechte Nachrichten für die Vertreter der ethischen Narrativitätsthese. Ethischer Fortschritt würde in diesem Fall wesentlich auf einer Tatsachenfälschung beruhen.

    (a.a.O. S.83)


    Das scheint mir ganz unmittelbar an Taylor und an McIntyre gerichtet. Denn wenn die beiden entweder das Selbst (Taylor) oder die Einheit eines menschlichen Lebens explizit ans Narrative binden, dann ist Strawson Einwand hier durchaus zu beachten. Bei Taylor gibt es immerhin noch in Bezug auf Heideggers In-der-Welt-Sein noch den praktischen Aspekt des menschlichen Lebens berücksichtigt, aber zum Guten geht es nur über die Erzählung:


    Zitat

    Um uns das eigene Leben wenigstens in minimalem, gerade verständlich zu machen und um eine Identität zu erlangen, brauchen wir, wie ich geltend gemacht habe, eine Orientierung auf das Gute, also ein Gefühl für qualitative Unterscheidungen, für das unvergleichbar Höhere. Nun erkennen wir, daß dieser Sinn für das Gute in mein Verständnis des eigenen Lebens als einer sich entfaltenden Geschichte eingeflochten werden muss. Doch damit wird eine weitere Grundbedingung des Selbstverstehens genannt, nämlich, daß wir das eigene Leben im Sinne einer narrativen Darstellung begreifen müssen.

    (Charles Taylor: Quellen des Selbst, Suhrkamp Verlag 2012, S. 92)


    Wenn also hier revidiert wird, dann wären das wirklich keine guten Nachrichten, bzw. man müsste wieder über die Fluidität der narrativen Identität diskutieren. Rorty hat in einem Aufsatz über Taylor diese "Orientierung auf das Gute" als unnötig zurückgewiesen. Die Erzählung als solche sei ausreichend.


    McIntyres Überlegungen sind ähnlicher Art:

    Zitat

    Worin besteht die Einheit des menschlichen Lebens? Worin besteht die Einheit eines individuellen Lebens? Die Antwort lautet, daß diese Einheit in der Einheit einer in einem einzigen Leben verkörperten Erzählung besteht. ... Die Einheit eines menschlichen Lebens ist die Einheit einer narrativen Suche. Eine Suche scheitert manchmal, wird enttäuscht, aufgegeben oder durch Zerstreuung in abgelenkt; und menschliches Leben kann auf all diese Arten ebenfalls scheitern. Aber die einzigen Kriterien für Erfolg oder scheitern im menschlichen Leben. Als Ganzen sind die Kriterien von Erfolg oder scheitern in einer erzählten oder zu erzählenden Suche.

    (Alasdair McIntyre: Der Verlust der Tugend, Frankfurt 2006, S. 292)


    In dieser Hinsicht war ich schon lange selbst auch skeptisch gegen das Ich als reinen Text, insbesondere bei Rorty hat mich das schon lange gestört. Denn Strawson sagt m.E. zurecht:


    Zitat

    Es wird oft behauptet, dass die autobiografische Erinnerung konstruiert und rekonstruiert, in weit größerem Maße, als sie reproduziert. Vieles spricht dafür, dass dies fast immer der Fall ist. Erinnerung löscht, verkürzt, redigiert, strukturiert, ordnet neu und hebt hervor. Darüber hinaus werden die Fakten miteinander in Beziehung gesetzt und nicht einfach ihrem zeitlichen Ablauf nach aufgelistet.

    (a.a.O. S.81)


    Es gilt ja auch, dass unsere Erinnerung nur immer eine aktuelle Version der Erlebnisse hat - und an dieser Stelle wäre auch noch einmal an Walsers Überlegung zu erinnern. Wobei ich zu wenig über Psychotherapie weiß, um mir über deren Arbeits- und Herangehensweisen ein Urteil erlauben zu können. Bei der Psychoanalyse dagegen neige ich sehr dem bösen Wort von Karl Kraus zu, auch wenn ich Freuds Beitrag zur Geistesgeschichte sehr schätze. Nicht aber seine Analyse.


    Jedenfalls ist Strawsons Aufsatz hier für mich persönlich als Dauerleser ganz spannend im Bereich der Literatur, der Frage des Autobiographischen. Sowohl innerhalb von Romanen - McEwans Briony steht ja ganz exemplarisch für die Frage der "wahren" Erinnerungen. Strawsons Kategorien auf sich selbst oder auf Dichter anzuwenden ist ebenfalls ganz interessant. Ich selbst bin auf jeden Fall nicht diachronisch und eher -F und -G, und die Igel waren eher selten meine größten Freunde und ich selbst bin sowieso keiner. Und ich kenne vor allem sehr viele einfache Menschen, die sich ganz bestimmt nicht als wandelndes Narrativ verstehen. Insofern ist der kleine Essay durchaus bedenkenswert. Wer Strawsons Denken - er ist ein harter Determinist aber gleichzeitig gegen jeden Reduktionismus beim Bewusstsein - ein bisschen näher kennenlernen will, dem sei "Was mich umtreibt" durchaus empfohlen. Der Band besteht aus lauter Reden und Essays und einem langen Interview, die zusammen einen guten Abriss seines Denkens geben.


    So, genug der Philosophie hier, nachzutragen habe ich noch meine Lektüre von McEwans "Schwarze Hunde". Da treffen in Gestalt eines Ehepaars zwei völlig unterschiedliche, prototypische Lebenshaltungen und - einstellungen aufeinander: die vollkommen rationale und die spiritualistische. Ich werde dieser Tage berichten, bin aber schon ganz atemlos in seinem Roman "Kindeswohl". Ein echter Hammer.

    Ich will hier nur sitzen.

  • Es gilt ja auch, dass unsere Erinnerung nur immer eine aktuelle Version der Erlebnisse hat - und an dieser Stelle wäre auch noch einmal an Walsers Überlegung zu erinnern. Wobei ich zu wenig über Psychotherapie weiß, um mir über deren Arbeits- und Herangehensweisen ein Urteil erlauben zu können. Bei der Psychoanalyse dagegen neige ich sehr dem bösen Wort von Karl Kraus zu, auch wenn ich Freuds Beitrag zur Geistesgeschichte sehr schätze. Nicht aber seine Analyse.

    Ich weiß nicht, mich hat dieser Punkt bei Strawson nicht wirklich überzeugt. Ich verstand ihn so, dass ein wesentlicher Punkt seiner Krtitik war, dass die Revision wesentlich eine Schönung sein soll. Das sehe ich anders und um speziell aus einer analytischen Sicht zitierend darauf zu antworten:

    Zitat

    „Ich stimme Ihnen zu, dass Selbstreflexion und eine ehrliche Suche nach den unbewussten Motivationen das Wissen und den Sinngehalt des Lebens bereichern. Man sagt: „Nur ein erforschtes Leben ist lebenswert.“ Und dabei hat die Psychoanalyse geholfen. Diese forschende Selbstreflexion nach unbewussten Motivationen kann nicht nur zu größerer Selbsterkenntnis führen, sondern kann auch helfen, sich – zumindest teilweise – von den destruktiven Aspekten unterdrückter Konflikte zu befreien. In dieser Hinsicht helfen die Selbstreflexion und die ehrliche Suche nach den eigenen Motivationen der Spiritualität, doch macht dies nicht unbedingt glücklich; es bringt auch den Schmerz und Kummer der Entdeckung, dass wir weniger ideal sind, als wir von uns glauben möchten.“

    (Otto Kernberg in einem Interview mit Susan Bridle, in: Was ist Erleuchtung, Herbst/Winter 2000, S. 134)

    "It's not that I don't like them, I really hate them." (Eine Ukrainerin)

  • "Schwarze Hunde" und "Kindeswohl" enthalten beide eine Ehegeschichte, auch wenn die nicht ganz im Vordergrund steht jeweils, aber jeweils einen wichtigen Teil davon ausmacht.


    In "Kindeswohl" bekommt eine Richterin, die mit Familienrecht beschäftigt ist, gerade von ihrem Mann eröffnet, dass der gerne eine Affäre mit einer jungen Frau haben wolle, weil er noch einmal im Leben richtig Sex haben wolle. Fiona Haye, die am nächsten Tag einige wichtige Urteile sprechen muss, wird dabei ganz schön aus der Bahn geworfen.


    Aber ich möchte mich auf den Teil beschränken, der sich um die Geschichte des 17-jährigen Jungen dreht, der mit Leukämie im Krankenhaus liegt, und sich als Zeuge Jehovas einer Bluttransfusion verweigert und somit nicht nur dem Tod, sondern auch einem schrecklichen Sterben ausliefern möchte. Die Ärzte ziehen vor Gericht, es bleiben nur ein oder zwei Tage, um ein Urteil für eine Behandlung zu erstreiten.


    McEwan verarbeitet in dem Roman einiges über fundamentalistische Religionen und die Stellung der Religion im Staat und im Recht, insbesondere im Familienrecht. Da gibt es das Ehepaar einer orthodoxen jüdischen Sekte, die sich um das Bestimmungsrecht über den Lebensweg ihrer Kinder streitet: der Vater, der darauf besteht, dass seine Mädchen keine vernünftige Schulbildung bekommen und die vorgesehene Rolle einer Frau in der Religionsgemeinschaft einnehmen, die Frau, die sich emanzipiert hat und zwar das Umgangsrecht nicht verbieten möchte, aber ihre Töchter ihr Leben selbst bestimmen lassen wollen. Dass der Mann von einer Anwältin vertreten wird, ist dabei ein netter ironischer Kommentar. Hier wird die Mutter gewinnen.


    Schwieriger ist nach dem in England geltenden Recht die Frage der Blutspende. Wäre der Junge drei Monate älter, dürfte ihn keiner gegen seinen Willen behandeln. So ist es zwar schwierig, aber das englische Case Law ist ja ungleich anders als unser Recht, und am Ende wird die Richterin mit ihrem Urteil neues Recht schaffen.


    Es wäre müßig, jetzt in die Details zu gehen. Die Geschichte ist sehr spannend und aufschlussreich erzählt. Wer Liberalität und Recht schätzt, wird sich schwer tun. Darf man einen fast erwachsenen Menschen gegen seinen Willen behandeln? Religion stellt den Rechtsstaat immer und immer wieder vor große Probleme, weil die freie Ausübung sich ein ums andere Mal als kontraproduktiv erweist. Wir hatten die Diskussionen hier in Deutschland ja auch immer wieder - Abtreibung, Sterbehilfe, Beihilfe zum Suizid, Präimplantationsdiagnostik, Burka, Kopftuch, Schwimmunterricht, Biologieuntersicht und einiges mehr - wenn Christen oder Muslime auf ihre Rituale pochen, und auch die Debatte um die Beschneidung führt in rechtliche Verrenkungen ohnesgleichen.


    Dass McEwan sich hier einmal jüdische und christliche Sekten vornimmt, ist ganz gut so, denn dann wird klar, dass nicht nur religiöse Muslime ein Problem für den Rechtsstaat darstellen.


    Also: ein sehr gelungenes aber auch deprimierendes Buch in mancher Hinsicht, denn die Praxis einer Familienrichterin ist im Prinzip von reiner Negativität geprägt. Was Paare, die sich trennen, sich und ihren Kindern so alles antun, wie viele es gibt, da braucht es irgendetwas Solides im Leben, um das täglich bewältigen zu können ohne ins Zynische zu verfallen.


    Der Roman ist ein starker Kurzdurchlauf durch einige englische Rechtsgrundsätze anhand sehr interessanter Fälle, die so nebenbei abgehandelt werden. Der Roman ist recht kurz, aber sehr dicht mit alltäglichen Fragen aus dem Familien- und Medizinrecht gespickt. Wirklich zeitlos empfehlenswert.

    Ich will hier nur sitzen.

  • Eigentlich hatte ich McEwans "Honig" immer so ein bisschen zur Seite geschoben, weil es, oberflächlich betrachtet, ja nur als eine weitere Geschichte aus dem Geheimdienstmilieu daherkommt. Aber weit gefehlt!


    Melvin Lasky - ich kannte den Namen nur aus den Briefen von Isaiah Berlin, wo es darum geht, ob Berlin eigentlich gewusst hatte, dass die britische Zeitschrift "Encounter" u.a. von der CIA finanziert worden war. Es gibt keine Hinweise, dass er es gewusst hätte. Aber das nur nebenbei. Lasky gehörte der antikommunistischen Linken an, die der von der Sowjetunion geförderten, unterstützten und betriebenen Kulturpolitik von Linken in aller Welt etwas entgegensetzen wollte. Der britische Encounter war ebenso eine solche Zeitschrift wie der deutsche "Monat", aber auch Verlage wurden von der CIA gesponsort. George Orwell fand für "1984" und seine "Farm der Tiere" nur schwer Verleger, die anti-sowjetische Linke tat sich schwer. Orwells "Farm der Tiere" wollte lange kein Verlag nehmen, man hatte teilweise Angst, dass die Gewerkschaften ihre Arbeiter zum Streik aurufen würden.


    Dieser geheimdienstfinanzierte Kulturstreit steht im Mittelpunkt von McEwans Roman, der im von Streiks, Ölpreisschock und Nordirland-Konflikt schwer gebeutelten Großbritannien von 1972-1974 spielt. Eine junge, von der Uni geworbene junge Geheimdienstmitarbeiterin wird auf einen jungen, hoffnungsvollen Schriftsteller angesetzt. Es entwickelt sich eine süße Liebesgeschichte, der Mann hat Erfolg, erhält den renommierten Austen-Preis, aber dann fliegt die ganze Sache auf.


    Der Reiz des Romans liegt nicht nur in der perfekten Verarbeitung des damaligen Kulturkriegs zwischen den beiden Welten des kalten Krieges, sondern auch in der literarischen Raffinesse um Liebe und doppelten und dreifachen Verrat und in dem völlig überraschenden Ende, in dem McEwan einmal mehr die Frage nach Wirklichkeit und Fiktion stellt, den Zusammenhang von Geschichte, Wirklichkeit, Roman. Wirklich gelungen.

    Ich will hier nur sitzen.

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