Philosophie der symbolischen Formen. Dritter Teil: Phänomenologie der Erkenntnis von ERNST CASSIRER, Text und Anmerkungen bearbeitet von julia clemens. FELIX MEINER VERLAG HAMBURG. PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 609.
«Denn die Leib-Seelen-Frage ist, wenn irgendeine, eine solche, die schon dem »natürlichen Weltbild« angehört und die innerhalb seiner Grenzen, innerhalb seines theoretischen Horizonts mit Notwendigkeit entsteht. (S. 115–116:) Um sie hier in ihrer ursprünglichen und genuinen Fassung zu erkennen, gilt es freilich, diesen Horizont selbst in seiner ganzen Weite und in der Mannigfaltigkeit seiner möglichen Aspekte zu nehmen. Diese Weite wird willkürlich eingeengt, diese Mannigfaltigkeit wird verkümmert, wenn man als die einzige oder als die eigentlich konstitutive Kategorie für alles empirische Dasein und Geschehen die Kategorie der Kausalität ansetzt. Vom Standpunkt der theoretischen Naturwissenschaft erscheint freilich dieser Ansatz gerechtfertigt: Denn für sie bedeutet die Natur zuletzt nichts anderes als »das Dasein der Dinge, […] sofern es nach allgemeinen Gesetzen bestimmt ist«.[1] Und doch ist diese Ordnung und Bestimmung nach Gesetzen, durch die erst der »Gegenstand« der Naturerkenntnis sich konstituiert, keineswegs die einzige Form der empirischen Bestimmbarkeit. Nicht jeder empirische »Nexus« lässt sich, mittelbar oder unmittelbar, in einen Kausalnexus auflösen; vielmehr gibt es gewisse Grundgestalten der Verknüpfung, die nur dann verstanden werden können, wenn man der Versuchung einer derartigen Auflösung widersteht, wenn man sie als Gebilde sui generis bestehen und gelten lässt. Und eben als der Prototyp einer solchen Verknüpfung stellt sich uns der Zusammenhang zwischen »Leib« und »Seele« ursprünglich dar. Was die Metaphysik betrifft, so hat sie im Verlauf ihrer Geschichte immer deutlicher erkennen müssen, dass sich dieser Zusammenhang dem Schema des kausalen Denkens keineswegs ohne weiteres einfügen lässt, ja dass die Anwendung ebendieses Schemas zum Ausgangspunkt und zum Grund einer Fülle von Aporien und Antinomien wird. Aber die [Metaphysik] hat aus diesem Sachverhalt zumeist nur die Folgerung gezogen, dass die empirische Kausalität an diesem Punkte durch eine Kausalität von anderer Form und anderer Dignität, durch eine »transzendente« Kausalität ersetzt werden müsse. Das Verhältnis wird, | statt als ein prinzipiell nichtkausales, vielmehr als ein transkausales, als auf einer Kausalität höherer Stufe beruhend, gefasst. »Der Typus von Determination«, so betont Hartmann, »der auf ontologischem Gebiet in der alles umfassenden Seinssphäre waltet und die nur durch den Seinscharakter als solchen verbundenen, im übrigen aber mannigfach heterogenen Seinsgebilde miteinander verknüpft, kann selbstverständlich nur ein viel allgemeinerer sein als der des Kausalnexus. Er muss sich zu diesem, als dem Nexus der objizierten Natur verhalten, wie das Transobjektive zum Objizierten. (S. 116–117:) Er darf also nicht diesseits der Kausalität gesucht werden, sondern nur jenseits, er kann weder kausal noch ziskausal, sondern nur ›transkausal‹ sein; ein Determinationstypus des Transobjektiven, sofern es der gleichen Seinssphäre wie das Subjekt und das hinter ihm stehende Transsubjektive angehört.«[2] Statt der empirischen Determination, wie sie in der Welt der räumlich-zeitlichen Ereignisse herrscht, wird also eine andere, eine »intelligible« Determination angenommen, die freilich nur in der Art und unter der Bedingung gesetzt werden kann, dass gleichzeitig ihre unaufhebliche Irrationalität, ihre prinzipielle Unerkennbarkeit zugestanden wird. Aber sollte der tiefere Grund dieser Irrationalität nicht vielmehr darin zu suchen sein, dass hier an das Phänomen, um dessen Aufhellung es sich handelt, von Anfang an, ein falscher Massstab angelegt wurde? Die Geschichte der Metaphysik zeigt uns aufs klarste, wie jeder Versuch, das Leib-Seelen-Verhältnis dadurch zu beschreiben, dass man es in ein Verhältnis des Bedingenden zum Bedingten, des »Grundes« zur »Folge«, verwandelt, zuletzt in unentwirrbare Schwierigkeiten verwickelt. Dies Verhältnis entschlüpft dem Denken immer wieder – gleichviel ob es dasselbe in die Maschen der empirischen Ursächlichkeit oder in die einer rein intelligiblen Determination einzufangen sucht. Denn jede Art von Determination lässt Seele und Leib als zwei selbständige, für sich bestehende Wesenheiten erscheinen, deren eine durch die andere bedingt und bestimmt wird: Und eben gegen diese Form des Durch-einander-Bestimmtseins setzt sich die eigentümliche Weise des Ineinander, des wechselseitigen Verwobenseins und Verschränktseins, wie sie die Beziehung von Leib und Seele aufweist, immer aufs Neue zur Wehr.»
Diese Sichtweise eine Wechselwirkung zwischen Wellenfunktion und makroskopischer Welt wird von der Quantenphysik (soweit ich weiss) nicht geteilt.
Eine mitgestaltende Wirkung der Messungen auf die Wellenfunktion ist nicht belegt.
Hiernach werden die Teilchen, Felder und Blitze der 3D-Welt im Einbahnverkehr von der Wellenfunktion gesteuert.
[1] [Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, in: Werke, Bd.IV, S.241–324: S.279 (Akad.-Ausg.IV, 421).]
[2] Hartmann, Metaphysik der Erkenntnis, S.260f.