Kybernetik höherer Ordnung - Kaffeekränzchenplauderei

  • infinitum und OSchubert, hattet ihr mal Kauffmans Aufsatz gelesen?


    Ich habe an sich kein konkretes Anliegen, vielleicht aber einfach ein bisschen Smalltalk über diesen ganzen Kauffman, Reentry, Spencer Brown, Selbstreferenz, Luhmann,... - Themenkomplex?


    Nach wie vor, und dank dem was ich von Luhmann gesehen habe sogar noch verstärkt, halte ich diesen Themenkomplex für fundamental mit derzeit für mich, dem Gefühl nach, immer noch unabsehbarem Potential. Es liegt vielleicht eine "wahrhafte" "theory of everything" in der Luft, eine Theorie, die mit Emergenzphänomenen auf intuitive Weise umgehen kann, die Physik und Mathematik fundieren kann, die auch eine alternative zu den vergleichsweise "kalten", Subjekt-Objekt-Trennung basierenden, aktuellen naturwissenschaftlichen Paradigmen anbieten kann, die mit Selbstbezüglichkeit und den typischen Paradoxa umgehen kann, sich insbesondere irgendwie selber beschreiben kann? Mir scheint das auf einer Ebene der Assoziationen alles relativ eng miteinander verknüpft und Luhmann ist bisher das Beste, was ich bisher diesbezüglich gesehen habe.


    Für den Fall, mich würden insbesondere interessieren: Das Thema "Prognostik" in solchen Theorien. Erweiterungen, Varianten oder Alternativen zur Idee von Spencer Browns Hakenkalkül in Richtung einer adäquaten formalen Beschreibungssprache für Luhmanns Systemtheorie. Das Thema re-entry, insbesondere diese "Ur-Selbstbezüglichkeit" in der Aussage: "In der Unterscheidung ist der Indikator und die Unterscheidung enthalten". Ganz allgemein Formalisierungen von Vereinheitlichungen irgendwelcher Aspekte in dieser ganzen Thematik um Evolutionstheorie, Informationstheorie, Selbstbezüglichkeit, formale Systeme und Logik, Lügnerparadox, Grenzwerte und Fixpunkte, ... Kann man das alles Kybernetik höherer Ordnungen nennen?

  • sybok

    Hat den Titel des Themas von „Kybernetik höherer Ordnung - Kaffekränzchenplauderei“ zu „Kybernetik höherer Ordnung - Kaffeekränzchenplauderei“ geändert.
    • Offizieller Beitrag

    Puh, Du wirfst da aber eine Menge Stoff in den Ring, da wüßte ich gar nicht wo ich anfangen könnte, ausser vielleicht einige Gedankenblitze darzulegen:


    Statt atomisierte Sichtweise eher eine ganzheitliche fraktale, holistische Sichtweise - ich weiß, Fraktale sind bloß ein mathematisches Konstrukt, aber ich denke da steckt mehr dahinter. So wie wir die Mandelbrot-Menge auf verschiednen Ebenen, besser wäre vielleicht bezüglich verschiedener Rauheit betrachten können und sich dadurch, eben durch die Einnahme einer Perspektive unterschiedliche Arten von Strukturen herausbilden, so könnte sich es auch in der Welt verhalten.


    Wenn sich mal verschiedene "Ausschnitte" der Mandelbrot-Menge z.B. bei der Google Bilder Suche nach Mandelbrot Menge oder noch anschaulicher mithilfe eines online Tools angesehen wird, dann ergeben sich je nach "Zoom" unterschiedliche Strukturen die anscheinend klar definiert sind, aber die bei "genauerer" Betrachtung immer neue, andersartige Strukturen aufweisen ohne das jemals ein Ende erreicht werden kann - es kann "die" Struktur auf der alles aufgebaut ist nicht aufgefunden werden, weil es "die" Struktur nicht gibt, nur dadurch, dass eine Auswahl getroffen wird, eine Unterscheidung getroffen wird, kann überhaupt sinnvoll von einer bestimmten Struktur gesprochen werden - Struktur ergibt sich also durch die Art und Weise hinzuschauen.


    Wenn wir also unsere Sicht auf die natürlich Welt mit dem Blick auf die Mandelbrot-Menge vergleichen, dann kann bei geeigneter Perspektive zwar eine Struktur wie ein konkreter Mensch erkannt werden, aber wird dann die Perspektive geändert, steht da nicht mehr die eine konkrete Person, sondern ein Etwas das atmen muss und dadurch mit der Luft verbunden ist, also sozusagen der Luft-Mensch - und ändern wir die Perspektive weiter, dann erkennen wir vielleicht eine andere Struktur, die "Luft-Mensch-Luft" Menschenmenge und eine weitere Perspektive später vielleicht die "Luft-Mensch-Luft-Menschenmenge" Gesellschaft, die Wiederrum der "Mensch-Lebensumstände" Gesellschaft ähnelt, oder der "Wasser-Mensch-Lebensumstände" Gesellschaft - wie ähnliche Fraktale in der Mandelbrot-Menge "beieinander" aufzufinden sind und sich aber je weiter sie entfernt sind in immer neue Variationen aufspalten, neu formieren und schließlich ihre Verbundenheit kaum mehr zu erkennen ist.


    Ich stoppe hier mal um nachzufragen: geht das am Thema vorbei?

    Worauf gezeigt, ist unabhängig davon was darüber gedacht, nicht was darunter verstanden wird.
    Selbst Mutter Teresa tat Gutes nur, weil Gutes tun ihr gut tat.
    "Mann, wenn du fragen musst, was Intelligenz ist, dann wirst du es nie wissen." (frei nach Louis Armstrong)
    Jede hinreichend komplexe deterministische Handlung ist von freiem Willen nicht mehr zu unterscheiden. (frei nach Arthur C. Clarke)

  • Statt atomisierte Sichtweise eher eine ganzheitliche fraktale, holistische Sichtweise - ich weiß, Fraktale sind bloß ein mathematisches Konstrukt, aber ich denke da steckt mehr dahinter.

    Kann ich nachvollziehen, das Thema Fraktale ist für mich ein mathematischer Kaninchenbau. Auch eine sehr eng mit Rekursion verknüpfte Angelegenheit, in Kauffman's Aufsatz gibt es einen kurzen Abschnitt zu Fraktalen, er beschreibt sie als "geometrical re-entry form".


    Bei der ganzen Sache um die Perspektive musste ich an das Thema "Beobachter" denken, ist ja auch sehr zentral bei der ganzen Geschichte. Wenn nicht letztlich sogar der zentrale Punkt. Da hab ich noch viele schwarze Stellen, das Thema "Beobachter" ist mir weder bei Luhmann (Selbst- und Fremdreferenz und die ganze Thematik) restlos klar, noch bei so Formalisierungsversuchen (wenn man das so nennen kann) wie eben Kauffman und Spencer Brown.


    Ich stoppe hier mal um nachzufragen: geht das am Thema vorbei?

    Nein ist gut, kannst gerne weiter machen. :)

    • Offizieller Beitrag

    Kann ich nachvollziehen, das Thema Fraktale ist für mich ein mathematischer Kaninchenbau. Auch eine sehr eng mit Rekursion verknüpfte Angelegenheit,

    Ja, für mich ein Paradebeispiel dafür wie aus recht einfachen rekursiven Regeln sehr komplexe Strukturen hervorgehen können die der ursprünglichen Anweisung kaum anzusehen sind.

    Bei der ganzen Sache um die Perspektive musste ich an das Thema "Beobachter" denken, ist ja auch sehr zentral bei der ganzen Geschichte. Wenn nicht letztlich sogar der zentrale Punkt. Da hab ich noch viele schwarze Stellen, das Thema "Beobachter" ist mir weder bei Luhmann (Selbst- und Fremdreferenz und die ganze Thematik) restlos klar, noch bei so Formalisierungsversuchen (wenn man das so nennen kann) wie eben Kauffman und Spencer Brown.

    Ich mag den Begriff "Beobachter" ja nicht besonders, denn er rührt meiner Auffassung nach aus der Subjekt/Objekttrennung welche ich mittlerweile für einen Holzweg, zumindest einen veralteten Weg halte der zudem aufgrund seiner Art und Weise zu "Problemen" führt die mithilfe anderer Arten der Interpretation zu vermeiden sind, Probleme wie die "Gottesperspektive" u.ä.


    Ich ersetze mittlerweile das Konzept "hier Beobachter" und "dort Objekt" durch eine mehr ganzheitliche Sichtweise bei der Subjekt und Objekt untrennbare Aspekte derselben Medaille sind, ein Konstrukt bei dem Sehen nicht bedeutet ein Etwas anzusehen, sondern durch den Akt des Sehens das Gesehene zu generieren und beides als untrennbaren Aspekt Desselben, nämlich des Ergebnisses zu erachten.


    So können zwei Menschen nicht wirklich dasselbe Objekt betrachten, weil die Betrachtungsweise nunmal unterschiedlich ist, allein schon durch die unterschiedliche Perspektive und die zumindest leicht unterschiedliche Wahrnehmungsweise. Worüber zwei Menschen eigentlich sprechen wenn sie sich einig darüber sind es mit demselben Objekt zu tun zu haben, ist dann bereits eine Abstraktion die über die aktuelle Situation hinausgeht.


    Ich habe mal chatGPT gebeten ein Bild zu generieren:



    Der blaue Neben und der gelbe Nebel sowie der Apfel sollen jeweils als Ganzes das jeweilige Objekt der jeweiligen Person verdeutlichen, wobei die weiße Deckenbeleuchtung die Abstraktion der Situation wäre, also die Perspektive die z.B. zulässt von "dem Apfel" oder "Person links" oder "Person rechts" zu sprechen.


    Ich werde versuchen eine bessere Visualisierung mithilfe von chatGPT hinzubekommen, aber darin bin ich noch nicht so geübt, daher dauert es bestimmt noch eine Weile.


    Worauf ich zunächst hinaus möchte ist, dass Objekte - und damit sind nicht abstrakte Objekte gemeint, sondern aktuelle, wirkliche Objekte, immer das jeweils aktuelle Ergebnis von (Wechsel-)Wirkung sind und wir besonders im Alltag, aber auch bei philosophischen Diskussionen dazu neigen rein gedankliches Abstraktes mit aktuell Wirklichem zu vermengen.

    Worauf gezeigt, ist unabhängig davon was darüber gedacht, nicht was darunter verstanden wird.
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  • Nochmals kurz etwas zu "Perspektive":

    Ich fand Luhmanns Interpretation des Hakens von Spencer Brown umwerfend, der vertikale Strich als Unterscheidung und der horizontale Strich als Indikator. Schon zu Beginn also ein re-entry, das bereits angesprochene: "die Unterscheidung enthält einen Indikator und sich selbst als Unterscheidung".

    Das scheint mir dann erst der Anfang der Überlegung zu sein und ginge dann aus meiner momentanen Sicht - im Versuch, halt vielleicht nochmals aus einer anderen Richtung, hier an deinen Post anzuschliessen - hauptsächlich in der Richtung weiter, als das Indizieren ja erstmal willkürlich ist - was "Innen" oder "Aussen", "Links" oder "Rechts" usw. ist, scheint ja erstmal auch eine Frage der Perspektive.

    Ich stelle mir eine vernünftige Indizierung momentan als iterativen Prozess vor, so im Stil von: "Links ist dort, wo der Daumen rechts ist. Der Daumen ist dort rechts, wo der kleine Finger vom Daumen aus links ist. Der kleine Finger ist vom Daumen aus dort links, wo..." und der Indikator dann als eine Art Grenzwert (und ab hier kann man ja wieder mit allen möglichen Dingen verknüpfen, Fixpunkte, eben Fraktale, etc.).


    Ja, für mich ein Paradebeispiel dafür wie aus recht einfachen rekursiven Regeln sehr komplexe Strukturen hervorgehen können die der ursprünglichen Anweisung kaum anzusehen sind.

    Eine Verbindung zu zellulären Automaten, Berechenbarkeitstheorie, etc. Ich finde das so spannend, es scheint wirklich relativ tiefhängend Alles mit Allem verknüpft. Das hat mich auch bei Luhmann stark beeindruckt, wenn er sagt, dass die Systemtheorie nicht sequentiell gedacht werden kann, eher ein Netzwerk von Begriffen sei, die Struktur der Theorie mit dem Hirn vergleicht. Ein Aspekt, den ich rein dem Gefühl nach tatsächlich ohnehin als Anspruch an eine entsprechende Theorie stellen würde.


    Ich mag den Begriff "Beobachter" ja nicht besonders, denn er rührt meiner Auffassung nach aus der Subjekt/Objekttrennung welche ich mittlerweile für einen Holzweg, zumindest einen veralteten Weg halte der zudem aufgrund seiner Art und Weise zu "Problemen" führt die mithilfe anderer Arten der Interpretation zu vermeiden sind, Probleme wie die "Gottesperspektive" u.ä.


    Ich ersetze mittlerweile das Konzept "hier Beobachter" und "dort Objekt" durch eine mehr ganzheitliche Sichtweise bei der Subjekt und Objekt untrennbare Aspekte derselben Medaille sind, ein Konstrukt bei dem Sehen nicht bedeutet ein Etwas anzusehen, sondern durch den Akt des Sehens das Gesehene zu generieren und beides als untrennbaren Aspekt Desselben, nämlich des Ergebnisses zu erachten.

    Ja die Sichtweise teile ich. Daran dachte ich auch im Startpost mit " ...[Theorie] die auch eine Alternative zu den vergleichsweise 'kalten', Subjekt-Objekt-Trennung basierenden, aktuellen naturwissenschaftlichen Paradigmen anbieten kann...". Ich hätte keine Ahnung wie, aber ich glaube man könnte letztlich wirklich so weit gehen.

    Assoziationen und Verbindungen sind sehr schnell gefunden, aber irgendwie, wohl gerade weil eben Alles mit Allem verbunden scheint, sehr schwierig das auszuarbeiten. Es scheint halt wie bei Luhmanns "Netzwerk von Begriffen" keine wirklichen Einstiegspunkte zu geben. Wie geht man so etwas an? Rekursiv ;) ?


    Auf "Beobachter" kann man gerne verzichten, aber das Phänomen will man ja schon beschreiben, oder? Was würdest du beispielsweise davon halten, sich sozusagen sprachlich an Luhmann anzulehnen und von System, Selbst- und Fremdreferenz zu sprechen, oder halt System und Perspektiven?

  • Nach wie vor, und dank dem was ich von Luhmann gesehen habe sogar noch verstärkt, halte ich diesen Themenkomplex für fundamental mit derzeit für mich, dem Gefühl nach, immer noch unabsehbarem Potential. Es liegt vielleicht eine "wahrhafte" "theory of everything" in der Luft, eine Theorie, die mit Emergenzphänomenen auf intuitive Weise umgehen kann, die Physik und Mathematik fundieren kann, die auch eine alternative zu den vergleichsweise "kalten", Subjekt-Objekt-Trennung basierenden, aktuellen naturwissenschaftlichen Paradigmen anbieten kann, die mit Selbstbezüglichkeit und den typischen Paradoxa umgehen kann, sich insbesondere irgendwie selber beschreiben kann? Mir scheint das auf einer Ebene der Assoziationen alles relativ eng miteinander verknüpft und Luhmann ist bisher das Beste, was ich bisher diesbezüglich gesehen habe.

    Luhmann liefert nur eine Beschreibung der Gesellschaft. Sicher, man kann das auch philosophisch nutzen, dann gibt es aber eine sehr kybernetische Deutung des Selbst. Es gibt dann Kopie und Original.


    Gewinne von Luhmann sind u.a.:

    1. Kommunikationsbegriff ist abgegrenzt von "Sender-Empfänger-Modellen" und "4-Ohren-Modellen". Das ermöglicht es soziologisch zwischen Handlungen und Interaktionen auf der einen Seite und Kommunikationen auf der anderen Seite zu unterscheiden.


    2. Der Begriff der doppelten Kontingenz, in welchem eine Situation entsteht, die der Appräsentation ähnlich ist und anders geartet ist, als die diskursethische Perspektive einer idealen Sprechsituation von Habermas.


    Probleme sind, wenn man sie philosophisch sieht aber sicher, dass es alles sehr kybernetisch ist und damit eigtl. kein Subjekt auffindbar ist. Generell ist die Idee mit der Kommunikation aber genial. Aber man hat das Problem, dass man damit nur zu Hegel kommt, nicht zu Kant - auf der anderen Seite denkt er zwar postmodern, ist aber ohne weitere Anstrengungen, nicht Anschlussfähig an die Postmoderne bzw. wird doch nicht registriert.


    Man muss Luhmann und Habermas synthetisieren.

    Das Thema "Prognostik" in solchen Theorien. Erweiterungen, Varianten oder Alternativen zur Idee von Spencer Browns Hakenkalkül in Richtung einer adäquaten formalen Beschreibungssprache für Luhmanns Systemtheorie.

    was würde man denn dann beschreiben? Welcher Entität würde diese Logik untergeschoben werden?

    • Offizieller Beitrag

    Assoziationen und Verbindungen sind sehr schnell gefunden, aber irgendwie, wohl gerade weil eben Alles mit Allem verbunden scheint, sehr schwierig das auszuarbeiten. Es scheint halt wie bei Luhmanns "Netzwerk von Begriffen" keine wirklichen Einstiegspunkte zu geben. Wie geht man so etwas an? Rekursiv ;) ?

    Ich denke eher so wie auch bei der Mandelbrot Menge "eingestiegen" wird, an jeder beliebigen Stelle eine Perspektive einnehmen. Ich bastle noch an ein passendes Bild, ein Ansatz könnte dies hier sein:



    Natürlich ist das jetzt sozusagen zweidimensional (obwohl es eigentlich gar nicht stimmt), aber das Prinzip alles ist mit allem verbunden und worüber wir gerade sprechen ist immer eine Frage der Perspektive. So wäre z.B. "der Weg zum Apfel" aus jeder Perspektive ein anderer, Sehen ergibt das Gesehene und keine Perspektive ist dieselbe und somit ist es auch jedesmal eigentlich ein anderes Objekt, auch wenn es über viele Perspektiven hinweg sehr (Selbst-) ähnlich ist.


    Beachte, dass die "Beobachter" Teil des Ganzen sind und eben nicht bloß "dort das Objekt" sehen, sondern eben auch einen Teilaspekt ihrer selbst.

    Auf "Beobachter" kann man gerne verzichten, aber das Phänomen will man ja schon beschreiben, oder? Was würdest du beispielsweise davon halten, sich sozusagen sprachlich an Luhmann anzulehnen und von System, Selbst- und Fremdreferenz zu sprechen, oder halt System und Perspektiven?

    Einige der Vorwürfe an Luhmann rühren meiner Auffassung nach eben vom Versuch her mit einer Subjekt/Objekt Sprache ein nicht-Subjekt/Objekt Verhältnis darzulegen, sozusagen einen Beobachter systemisch zu generieren, ganz so als würde versucht einem perfekten Kreis einen Anfang "anzudichten".

    Worauf gezeigt, ist unabhängig davon was darüber gedacht, nicht was darunter verstanden wird.
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  • das Thema "Beobachter" ist mir weder bei Luhmann

    interessant ist, dass Watzlawick eine 4. Beobachtungsdimension hat. Diese beinhaltet Introspektion als Beobachtung. Etwas, das Luhmann ganz beiseite lässt.

  • Ich mag den Begriff "Beobachter" ja nicht besonders, denn er rührt meiner Auffassung nach aus der Subjekt/Objekttrennung

    Der Beobachter ist keinesfalls so stark, wie die Subjekt-Objekt-Trennung. Bei Luhmann ist dieser primär virtuell, sofern er Beobachtung 3. Ordnung ist. Eine Beobachtung 2. Ordnung wäre bspw. das Beobachten von Berichterstattern des Gazakrieges, welche Beobachtungen 1. Ordnung tätigen, die sie dann aufbereiten zu Beob. 2. Ordnung.


    Die Beobachtung geschieht sozusagen bei Luhmann im Gesellschaftssystem und zwischen den Individuen. In der Sphäre der Gesellschaft; ohne, dass dort direkt eine Beobachtung von Natur mit angesprochen ist (sag ich jetzt einfach mal so :P )

  • Es scheint halt wie bei Luhmanns "Netzwerk von Begriffen" keine wirklichen Einstiegspunkte zu geben.

    Der Einstiegspunkt ist die Selbstreferenz oder die Kommunikation als Medium von Gesellschaft, welches umgreifender ist als Interaktion.

    • Offizieller Beitrag

    Die Beobachtung geschieht sozusagen bei Luhmann im Gesellschaftssystem und zwischen den Individuen. In der Sphäre der Gesellschaft; ohne, dass dort direkt eine Beobachtung von Natur mit angesprochen ist

    "Spähre der Gesellschaft" wäre das was ich eine mögliche Perspektive nennen würde die untrennbarer Teilaspekt des Gesehenen ist und somit nur in diesem Zusammenhang auch zustande kommt - schon wenn "darüber" gesprochen wird entsteht etwas anderes, also ein neues Beobachtetes.

    Worauf gezeigt, ist unabhängig davon was darüber gedacht, nicht was darunter verstanden wird.
    Selbst Mutter Teresa tat Gutes nur, weil Gutes tun ihr gut tat.
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    Jede hinreichend komplexe deterministische Handlung ist von freiem Willen nicht mehr zu unterscheiden. (frei nach Arthur C. Clarke)

  • "Spähre der Gesellschaft" wäre das was ich eine mögliche Perspektive nennen würde die untrennbarer Teilaspekt des Gesehenen ist und somit nur in diesem Zusammenhang auch zustande kommt - schon wenn "darüber" gesprochen wird entsteht etwas anderes, also ein neues Beobachtetes.

    das verstehe ich glaub nicht richtig, was du hier meinst. Die Gesellschaft ist m.e. nur in einem symbolischen Interaktionismus bzw. in "kommunikativen Handlungen" sichtbar. Luhmann redet aber von Kommunikation, d.h. hier ist Gesellschaft etwas, das genetisch begriffen ist und von Anbeginn dem Einzelnen vorausgeht. Der Einzelne ist sein gesamtes Leben in einer Gesellschaft und der mögliche Anbeginn ist nicht trennscharf erkennbar.


    Die Gesellschaft verschwindet bei Luhmann nicht einfach, selbst in rein physikalischen Prozessen ist die Gesellschaft nicht verschwunden, sondern für den Moment ein Epiphänomen.

    • Offizieller Beitrag

    das verstehe ich glaub nicht richtig, was du hier meinst. Die Gesellschaft ist m.e. nur in einem symbolischen Interaktionismus bzw. in "kommunikativen Handlungen" sichtbar.

    Ne, es ging hierbei nicht um das Erblicken der Gesellschaft, sondern was die Gesellschaft sieht, worüber sie spricht und das gibt es so nur aus der Perspektive der Gesellschaft. Wenn Du oder ich über etwas sprechen, sprechen wir nicht über das worüber die Gesellschaft spricht, selbst wenn dieselben Worte benutzt würden. Natürlich gibt es starke Ähnlichkeiten in dem was Personen oder Gesellschaften erblicken, worüber sie sprechen, aber Unterschiede gibt es eben dennoch und die sind nicht selten unbemerkt so groß, dass Missverständnisse an der Tagesordnung stehen.

    Worauf gezeigt, ist unabhängig davon was darüber gedacht, nicht was darunter verstanden wird.
    Selbst Mutter Teresa tat Gutes nur, weil Gutes tun ihr gut tat.
    "Mann, wenn du fragen musst, was Intelligenz ist, dann wirst du es nie wissen." (frei nach Louis Armstrong)
    Jede hinreichend komplexe deterministische Handlung ist von freiem Willen nicht mehr zu unterscheiden. (frei nach Arthur C. Clarke)

  • Luhmann liefert nur eine Beschreibung der Gesellschaft. Sicher, man kann das auch philosophisch nutzen, dann gibt es aber eine sehr kybernetische Deutung des Selbst. Es gibt dann Kopie und Original.

    Probleme sind, wenn man sie philosophisch sieht aber sicher, dass es alles sehr kybernetisch ist und damit eigtl. kein Subjekt auffindbar ist. Generell ist die Idee mit der Kommunikation aber genial.

    Ja, ich wäre hauptsächlich an Verallgemeinerungen interessiert, denn, so weit ich es verstanden habe, halte ich seinen gesamten Ansatz für absolut genial. Mich würden halt scheinbar eher Dinge interessieren, die er offenbar eher nur peripher spannend fand, Formalisierung, Prognostik, maximale Verallgemeinerungen. Solche Möglichkeiten gesteht er ja aber explizit auch zu und spricht diesbezüglich die Semiotik an.


    was würde man denn dann beschreiben? Welcher Entität würde diese Logik untergeschoben werden?

    Man würde z.B. vielleicht so eine Art "evolutionäre Pfade", die weitere evolutionäre Entwicklung von Systemen, beschreiben. Oder Charakterisierungen von stationären Zuständen oder so etwas. Im Prinzip müsste die Theorie das irgendwie aus sich selbst heraus schon leisten, stell ich mir so vage vor.

    Das scheint mir auch allgemein ein wichtiger Punkt, die ganzen Verbindungen zur Evolutionstheorie, deren Begriffe und Konzepte. Vom Gefühl her ist es mir irgendwie zu wenig, "nur" die Sprache und Konzepte zu übernehmen. Ich wünschte mir sozusagen die umgekehrte Richtung, dass die Evolutionstheorie sozusagen als Spezial- oder Grenzfall für die Disziplin Biologie dann abgeleitet wird.


    Natürlich ist das jetzt sozusagen zweidimensional (obwohl es eigentlich gar nicht stimmt), aber das Prinzip alles ist mit allem verbunden und worüber wir gerade sprechen ist immer eine Frage der Perspektive. So wäre z.B. "der Weg zum Apfel" aus jeder Perspektive ein anderer, Sehen ergibt das Gesehene und keine Perspektive ist dieselbe und somit ist es auch jedesmal eigentlich ein anderes Objekt, auch wenn es über viele Perspektiven hinweg sehr (Selbst-) ähnlich ist.

    Einerseits würde ich dem zustimmen. Andererseits, will man eine Theorie bauen, hätte ich sorge darum, dass das dann eine Religion werden könnte.

    Wohin würdest du denn auf diesem Weg weiter gehen wollen, wenn man das als Ausgangspunkt nehmen würde?

  • Ne, es ging hierbei nicht um das Erblicken der Gesellschaft, sondern was die Gesellschaft sieht, worüber sie spricht und das gibt es so nur aus der Perspektive der Gesellschaft. Wenn Du oder ich über etwas sprechen, sprechen wir nicht über das worüber die Gesellschaft spricht, selbst wenn dieselben Worte benutzt würden. Natürlich gibt es starke Ähnlichkeiten in dem was Personen oder Gesellschaften erblicken, worüber sie sprechen, aber Unterschiede gibt es eben dennoch und die sind nicht selten unbemerkt so groß, dass Missverständnisse an der Tagesordnung stehen.

    Okay, das stimmt wohl. Wobei es aber natürlich ein "kommunizieren" wäre, was die Gesellschaft tut. Aber im Prinzip ist das richtig.


    Aber mich würde das Beobachten nicht so interessieren. Viel interessanter ist m.e. der Fakt, dass mit Luhmanns Theorie Gesellschaft nicht in Handlungs- oder Interaktions-Begriffen gedacht werden muss. Dass sich bei Luhmann Gesellschaft selbst beobachtet ist spannend, aber die Konsequenz daraus, dass nämlich die Gesellschaft damit einen Rang erhält, der ontologisch ihr Gewicht besser repräsentiert, wird bisher leider noch nicht gesehen. Wohl auch, weil sein Anspruch war, gerade nicht ontologisch zu argumentieren; weshalb dann ja auch sein Kommunikationsbegriff neu und einzigartig ist: er gibt nämlich eine neue Weise Gesellschaft zu denken, ohne ihre Ursprünge in einen Geist und einen zeitlichen Anbeginn verlegen zu müssen.

  • Ich wünschte mir sozusagen die umgekehrte Richtung, dass die Evolutionstheorie sozusagen als Spezial- oder Grenzfall für die Disziplin Biologie dann abgeleitet wird.

    das ist ein interessanter Gedanke. Ich versuche auch, eine Metabiologie zu begründen. Da hilft aber nicht nur Luhmann, sondern insgesamt die soziologische Theorie.

    Ich finde die Analogien in die Informatik interessant. Naja, ich werd hier mal mitlesen. Ihr wollt ja eher in die formale Richtung. Bin gespannt :P

    • Offizieller Beitrag

    Einerseits würde ich dem zustimmen. Andererseits, will man eine Theorie bauen, hätte ich sorge darum, dass das dann eine Religion werden könnte.

    Besteht die Gefahr nicht eigentlich bei jeder Theorie? ;)

    Wohin würdest du denn auf diesem Weg weiter gehen wollen, wenn man das als Ausgangspunkt nehmen würde?

    Ich würde als erstes Wege suchen diesen Ansatz, der eigentlich eher einer intuitiven Eingebung ähnelt, mit Begriffen aus der Subjekt/Objekt Sprache zu umschreiben, vielleicht sogar eine Sprachweise zu ersinnen die dem Ansatz gerecht werden kann denn ich habe immer wieder den Eindruck, dass "die falsche Sprache" zu verwenden Zuhörer auf Irrwege schicken kann, nur würde ich ungerne ein völlig neue Sprache entwickeln wollen.


    Meine nicht selten holprige Ausdrucksweise rührt zu guten Teilen von eben diesem Versuch her etwas sozusagen in einer Fremdsprache zu erklären die eigentlich dafür nicht gedacht ist, ganz so als würde versucht mit Basic komplexe objektorientierte Programme zu schreiben.


    Eine Sprache die prozessual funktioniert, die das Objekt nicht plump erwähnt, sondern in der sich das Objekt im Laufe eines Satzes durch eben diesen Satz entfaltet, wie ein Ring der zwar bereits komplett besteht, aber der um ihn zu beschreiben von jeder seiner Stellen aus auf entfaltende Art und Weise beschrieben und dadurch zustandekommen kann.


    Keine Sprache der Art "Subjekt, Prädikat, Objekt", sondern eine Sprache in der ein Satz das Prädikat und Objekt beschreibende Subjekt ist.


    Nicht "Ich sehe den Apfel.", sondern, also erste Annäherung vielleicht so etwas wie "Apfel erblickend", ein Satz der "Triff eine Unterscheidung" nicht als Anweisung enthält, sondern die Unterscheidung und auch das Fokussieren (wie hieß es nochmal bei Spencer Brown?) nennt und letztendlich das Ergebnis sprachlich aber eben auch prozessual darlegt.


    Wichtig wäre in so einer Sprache auch zu jeder Zeit deutlich zwischen aktuellen Vorgängen "Apfel erblickend" und eher rein gedanklichen Konstrukten "Äpfel" zu unterscheiden - und noch so einiges mehr.


    Ergibt das irgend einen Sinn für Dich?


    P.S.


    Ach ja, es war "Triff eine Unterscheidung" und dann der Aufruf, also "Call" - im Beispiel also "Apfel erblickend" wobei "Erblicken" die Art und Weise der Unterscheidung ist und "Apfel" der Call, also der Aufruf ist.

    Worauf gezeigt, ist unabhängig davon was darüber gedacht, nicht was darunter verstanden wird.
    Selbst Mutter Teresa tat Gutes nur, weil Gutes tun ihr gut tat.
    "Mann, wenn du fragen musst, was Intelligenz ist, dann wirst du es nie wissen." (frei nach Louis Armstrong)
    Jede hinreichend komplexe deterministische Handlung ist von freiem Willen nicht mehr zu unterscheiden. (frei nach Arthur C. Clarke)

    Einmal editiert, zuletzt von OSchubert ()

  • wenn er sagt, dass die Systemtheorie nicht sequentiell gedacht werden kann, eher ein Netzwerk von Begriffen sei, die Struktur der Theorie

    … ( m.E. ) sei ein System “transzendentral” :

    … und insofern “kaum” Intervall …

    … sondern “transzendental” :

    … und sei insofern “Materie” ?

    … oder aber ( etc ) “mathematisch” ?

    … oder ( m.E. ) “schön” !


    … drum also’ne “oster’praedict” :



    :sleeping:



    … ( “überheblichkeit” ) .

    … überzeugung …

    … ( “wißen” ) …

    … “Glaube”n ? …

    … Liebe !

    … denn m.E. sei’Glaube’n “schön” !

    … aber dennoch sei “erkennen” notwendig .

    … “denn” :

    … “sei’ich’Held” ?

    … “Vorbild” !

    reguläre Phrasen

  • das ist ein interessanter Gedanke. Ich versuche auch, eine Metabiologie zu begründen. Da hilft aber nicht nur Luhmann, sondern insgesamt die soziologische Theorie.

    Ich finde die Analogien in die Informatik interessant.

    Ja die finde ich auch spannend. Ich weiss nicht, ob ich vielleicht einen falschen Eindruck habe, teilst du das oder kannst dem was abgewinnen?:

    Wie bei der Evolutionstheorie scheint es mir angesichts der Genialität des Ansatzes auch bezüglich Informatik zu wenig zu sein, "nur" Begriffe, Konzepte und Vorstellungen zu übernehmen.

    Beispiel für was ich mir so in etwa vorstellen würde: Luhmann schreibt zwar einiges zu Spencer Brown, aber wenn ich mich richtig erinnere, war es Heinz von Foerster der die Zusammenhänge erblickte: Eine fundamentale Eigenschaft sowohl bei Luhmann Kommunikations-Begriff als auch beim Hakenkalkül scheint zu sein, dass "der Operator auf sich selbst operieren kann", wie es von Foerster ausdrückt (bei Luhmann, wenn ich das richtig verstanden habe, das Ganze um "Sinn" und "Anschlussfähigkeit des Operators"). Das könnte man ja weiter untersuchen, beispielsweise ob man an einen entsprechender Operator dieses anfängliche Re-entry zwingend als Anforderung stellen müsste und wie man Luhmanns "Sinn"-Konzepte damit vielleicht auf einer eher mathematischen Weise beschreiben und formalisieren könnte. Oder in welcher Richtung man das weiterentwickeln müsste um daraus eben Konzepte wie "Berechnung", "Selektion", "Reproduktion", etc. herleiten könnte.


    Ich finde die Analogien in die Informatik interessant. Naja, ich werd hier mal mitlesen. Ihr wollt ja eher in die formale Richtung.

    Mich persönlich interessiert die formale Richtung, aber mich interessiert grundsätzlich schon das Thema insgesamt. Der Thread ist ja auch unter "Small-Talk" und dann "Kaffeekränzchenplauderei", also nur zu, wie immer du möchtest :) .

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