Die Schwärzungen sind typisch für eine Politik, die sich ungemein schwertut, Fehler einzugestehen, und lieber ihre Kritiker diskreditiert: Schwurbler, Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker – was alles müssen sich nicht diejenigen anhören, die der alleinseligmachenden Wahrheit der Regierungen mit Skepsis begegnen.
Am weitesten geht dabei wie immer der deutsche Obrigkeitsstaat. Er erfand einen neuen Begriff, der in seiner schwammigen Unbestimmtheit geeignet ist, jegliche Kritik am Regierungshandeln mundtot zu machen. «Delegitimierung des Staates» nennt sich die neue Kategorie, in welche Innenministerium und Inlandgeheimdienst seit Covid alle einsortieren, die ihrer Meinung nach verdächtig sind, aber in keine andere Schablone passen.
Musste der Geheimdienst den Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit bisher in konkrete Tatbestände fassen – etwa Rechtsextremismus, Linksextremismus oder Islamismus –, genügt nun eine abstrakte Unterstellung. In Demokratien werden die Kompetenzen der Nachrichtendienste aus gutem Grund eingeschränkt. Nur die allmächtigen Geheimpolizeien autoritärer Regime dürfen mit windigen Generalklauseln hantieren.
Der deutsche Gesundheitsminister Lauterbach begegnet der Kritik an der Zensur der Protokolle mit der nirgends belegten Behauptung, «ausländische Regierungen» schürten so die Verunsicherung. Wer den Minister deshalb einen notorischen Verschwörungstheoretiker nennt, macht der sich nun der Delegitimierung des Staates und seiner Repräsentanten schuldig? Landet er in einer klandestinen Datei? Schon diese Ungewissheit zersetzt das Vertrauen.
Man muss kein Verfassungsfeind sein, wenn man in der Pandemiepolitik den Masterplan sieht für alle Versuche, die staatlichen Kompetenzen zulasten der Freiheitsrechte auszudehnen. Das ist es, was viele Bürger so misstrauisch macht. Covid bedeutete den Sieg des Machbarkeitswahns über die politische Klugheit, die in der Selbstbeschränkung der Macht ein Wesensmerkmal von Demokratien sieht. Nicht alles, was man anordnen kann, ist auch sinnvoll. Das gilt nicht nur für Corona-Massnahmen. Es wäre an der Zeit, dass die Politik wieder zu dieser Selbstbescheidung zurückfindet.
Zu viel Repression
Der Staat begegnet den Bürgern gerne als sozialer Fürsorgestaat oder als liberaler Chancenstaat, der die Rahmenbedingungen für die Entfaltung des Einzelnen schafft. In der Pandemie dominierte der traditionelle Zwangsstaat. Davon finden sich bis heute Restbestände. In Deutschland versuchen Regierung und Geheimdienst zu definieren, was die Bürger sagen sollen und was sie unter Demokratie zu verstehen haben.