Im demokratischen Kontext weist eine erfolgreiche populistische Bewegung immer auf eine Schwäche des repräsentativen Systems hin.
Was aber ist die Ursache des jüngsten Prozesses politischer Entfremdung?
Das Wort Populismus ist in aller Munde.
Man gebraucht es mit einer Selbstverständlichkeit, als sei jenseits aller Zweifel klar, worüber man redet und was man von der Sache zu halten hat. Das Wort ist zu einer Stigmatisierungswaffe geworden. Es grenzt aus. Mit Populisten redet man nicht und über ihre Themen redet man am besten möglichst wenig.
Die Steigerung des Wortes Populismus ist Rechtspopulismus. Die eine Stigmatisierung verstärkt die andere. Das Etikett ersetzt das Argument. Man braucht sich auf eine Debatte nicht mehr einzulassen, man brandmarkt. Der Raum demokratischer Auseinandersetzung engt sich ein. Stigmatisierte Stimmen und stigmatisierte Themen haben draußen zu bleiben.
Klar, die Argumentation der AFD, zum Beispiel, ist oft demagogisch. Der exklusive Anspruch der (Rechts-)Populisten für das ganze Volk zu sprechen, ist anmaßend und antipluralistisch. Politische Mobilisierung unter Ausschaltung des Verstandes mit extremen Vereinfachungen ist das Programm der populistischen Strategie.
Ist Populismus, auch der linke, aber nicht auch ein Warnsignal, wenn die dominanten Eliten bestimmte Gruppen der Bevölkerung vernachlässigen und bestimmte Themen einfach ignorieren? Ist Populismus dann nicht etwa ein Mechanismus demokratischer Selbstkorrektur?
Die repräsentative Demokratie ist mit der für sie grundlegenden Arbeitsteilung zwischen Amtsträgern und Bürgern eine Demokratie des Dialogs! Kommunikation zwischen Bürgern und ihren politischen Repräsentanten mit Respekt vor den Fakten und dem Gegenüber, wie auch immer medial gestaltet, ist ihr Lebenselixier. Auch gehört ein Mindestmaß an Distanz zu den eigenen Positionen und die Bereitschaft im Dialog zu lernen, dazu. Beides fehlt in der Diskussion.
Es gibt ja auch den alltäglichen, alt herbrachten Populismus.
Die jetzige Koalition/Opposition in Berlin hat ein Feuerwerk an Populismus abgebrannt:
Rente für bestimmte Klientel; also keine Nachhaltigkeit der Rentenpolitik, immer neue Ausflüchte ein atomares Endlager zu bestimmen, die Verheißung der Ausländermaut, die nur Ausländer trifft, als gäbe es die EU nicht, offene Grenzen und Aufnahme aller Mühseligen und Beladenen aus aller Welt, Ablehnung des Freihandels durch die Linke und außerparlamentarische Rechte, die Wohlfahrtsstaatsphantasien der Linken, ohne Klärung der Frage der Finanzierung, Flucht in die Staatsschulden, usw.
Zum Thema „offene Grenzen“ und „Freihandel“:
Offene Grenzen werden als zwingendes moralisches Gebot verstanden und propagiert, soweit es um Migration geht. Offene Grenzen werden jedoch mit dem gleichen moralischen Ton verworfen, wenn es um grenzüberschreitendes Wirtschaften geht.
Entgrenzung als Bedrohung, das ist die eine Sache. Dass die Eliten den Bürgern Entgrenzung, jedenfalls soweit es um Migrationsbewegungen geht, als zwingendes Gebot der Vernunft wie auch der Moral präsentieren, so zwingend, dass man über die, die es nicht „begreifen“, nur verächtlich sprechen kann, ist die andere. Das ist eine folgenreiche Verweigerung des Dialogs der Regierung mit dem „Volk“ und ein Prozess der politischen Entfremdung. In dieser Doppelerfahrung bildet sich jenes Gefühl der Ohnmacht heraus, das dann populistisch mobilisierbar ist.
Über offene Grenzen in der Welt der neuen Völkerwanderungen darf man, jedenfalls in Deutschland nicht streiten. Jedenfalls nicht ohne eine Stigmatisierung zu riskieren. Hier im Forum konnte man das in Reinform erfahren.
In einer offenen und kontroversen Diskussion muss man die Auffassung, dass keine Demokratie mit einer Politik faktisch offener Grenzen dauerhaft als Demokratie überleben kann, ihren Platz und ihre Repräsentanz im Parteiensystem haben.
Da dieser Platz und ihre Repräsentanz verweigert wurde, war es unvermeidlich, dass sich der Populismus des Themas bemächtige und mit diesem Thema stark wurde.
Für die Brisanz des Themas hatte die politische Klasse bei der Wahl ihrer Argumente offensichtlich kein Gespür. Es ist nicht nur ein Bedürfnis nach Sicherheit. Es ist vor allem ein Bedürfnis, in einer Welt zu leben, die einem vertraut ist, der man sich zugehörig fühlen kann.
Das Thema mit Verachtung zu strafen, ist die unklügste und gefährlichste aller Antworten.
Der Text entspricht überwiegend einem Aufsatz von Prof. Dr. PeterGraf Kielmansegg heute in der FAZ,der nur gegen cash bei der FAZ online abgerufen werden kann oder man kauft sich einfach mal die FAZ heute.
Na erkennen sich hier einige von der Fraktion der offenen Grenzen wieder? Wahrscheinlich eher nicht. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Diskutiert Leute!