Fundbüro

  • In einem Fundbüro kann man Dinge abgeben, die einem nicht gehören, nachdem man sie daraufhin geprüft hat, ob man eine Verwendung für sie hat; und obwohl man sie bisweilen hat, gibt man diese Dinge ab, weil die Vorstellung, ein anderer möchte sie vermissen, einem den uneingeschränkten Genuß am soeben zugefallenen Neubesitz verleidet. - Das Zugefallene, um das es hier geht, kann weitergereicht werden und ein jeder mag damit anfangen, was er will. -

  • In einem Fundbüro kann man Dinge abgeben, die einem nicht gehören, nachdem man sie daraufhin geprüft hat, ob man eine Verwendung für sie hat; und obwohl man sie bisweilen hat, gibt man diese Dinge ab, weil die Vorstellung, ein anderer möchte sie vermissen, einem den uneingeschränkten Genuß am soeben zugefallenen Neubesitz verleidet. - Das Zugefallene, um das es hier geht, kann weitergereicht werden und ein jeder mag damit anfangen, was er will. -

  • "Ich kann mir nicht helfen, aber ich stelle mir eine Kritik vor, die nicht zu urteilen versucht, sondern einem Werk, einem Buch, einem Satz, einer Idee zum Dasein verhilft, die ein Licht entzündet, dem Gras beim Wachsen zusieht, dem Wind lauscht und den Schaum im Fluge ergreift, um ihn zu zerstreuen. Sie vermehrte nicht Urteile, sondern Zeichen des Daseins; [..]. Die auf Urteilssprüche fixierte Kritik langweilt mich." (M. Foucault; Ästhetik der Existenz; S. 52) -


    Dem Gras beim Wachsen zusehen. - Was Foucault hier meint, ist die schonende Sanftheit im Umgang mit einem "Werk", einem "Satz" usw. - Ist dazu nicht eine jener Zärtlichkeiten vonnöten, wie sie nur der Verliebte hat? - Denn nur Verliebte können das Gras wachsen sehen. Die Nicht-Verliebten hören es wachsen. -

  • "Ich kann mir nicht helfen, aber ich stelle mir eine Kritik vor, die nicht zu urteilen versucht, sondern einem Werk, einem Buch, einem Satz, einer Idee zum Dasein verhilft, die ein Licht entzündet, dem Gras beim Wachsen zusieht, dem Wind lauscht und den Schaum im Fluge ergreift, um ihn zu zerstreuen. Sie vermehrte nicht Urteile, sondern Zeichen des Daseins; [..]. Die auf Urteilssprüche fixierte Kritik langweilt mich." (M. Foucault; Ästhetik der Existenz; S. 52) -


    Dem Gras beim Wachsen zusehen. - Was Foucault hier meint, ist die schonende Sanftheit im Umgang mit einem "Werk", einem "Satz" usw. - Ist dazu nicht eine jener Zärtlichkeiten vonnöten, wie sie nur der Verliebte hat? - Denn nur Verliebte können das Gras wachsen sehen. Die Nicht-Verliebten hören es wachsen. -

  • Eine der späten astranoetischen Beunruhigungen der modernen Astronomie ist das schwarze Loch. - Was mag John Archibald Wheeler zu dieser Metapher inspiriert haben? - Wheeler hat als theoretischer Physiker fünf "wirklich große Fragen" an die Natur gestellt, deren vierte lautete: "Was führt zur Bedeutung?". - Was die Natur geantwortet hat, ist nicht überliefert; es darf jedoch vermutet werden, daß eine jede Antwort unbefriedigend bleiben mußte. Dem schwarzen Loch mußte die Bedeutung gleichsam implementiert werden, weil im Raumbereich des schwarzen Lochs die Raumzeit auf eine Weise verzerrt ist, daß der Ereignishorizont keine Ereignisse innerhalb des Horizonts von außerhalb des Horizonts erkennen läßt. - Ereignishorizont - das ist keine Anleihe bei der Phänomenologie, sondern ein Begriff, dessen Anschaulichkeit ihm zur Aufnahme in die allgemeine Relativitätstheorie verholfen hat. -


    Das schwarze Loch - man kann Spurenelemente eines mythischen Unbehagens an einem Seinsbereich jenseits unseres Erfahrungshorizonts beim Aussprechen dieser Metapher noch nachweisen. In filmisch dargestellten kosmischen Fahrten durch unwegsames und unerforschtes (!) Sternengelände, wäre die Dialogisierung der Metapher denkbar als: "Ich weiß nicht was es ist, Joe! Ich weiß nur: es kommt direkt auf uns zu!". -

  • Eine der späten astranoetischen Beunruhigungen der modernen Astronomie ist das schwarze Loch. - Was mag John Archibald Wheeler zu dieser Metapher inspiriert haben? - Wheeler hat als theoretischer Physiker fünf "wirklich große Fragen" an die Natur gestellt, deren vierte lautete: "Was führt zur Bedeutung?". - Was die Natur geantwortet hat, ist nicht überliefert; es darf jedoch vermutet werden, daß eine jede Antwort unbefriedigend bleiben mußte. Dem schwarzen Loch mußte die Bedeutung gleichsam implementiert werden, weil im Raumbereich des schwarzen Lochs die Raumzeit auf eine Weise verzerrt ist, daß der Ereignishorizont keine Ereignisse innerhalb des Horizonts von außerhalb des Horizonts erkennen läßt. - Ereignishorizont - das ist keine Anleihe bei der Phänomenologie, sondern ein Begriff, dessen Anschaulichkeit ihm zur Aufnahme in die allgemeine Relativitätstheorie verholfen hat. -


    Das schwarze Loch - man kann Spurenelemente eines mythischen Unbehagens an einem Seinsbereich jenseits unseres Erfahrungshorizonts beim Aussprechen dieser Metapher noch nachweisen. In filmisch dargestellten kosmischen Fahrten durch unwegsames und unerforschtes (!) Sternengelände, wäre die Dialogisierung der Metapher denkbar als: "Ich weiß nicht was es ist, Joe! Ich weiß nur: es kommt direkt auf uns zu!". -

  • Der antike Vorläufer des schwarzen Lochs ist das Chaos als Signum für Unordnung und Desorientierung. - Schwarze Löcher, Milchstraßen, Blasen, Sternengeburten, Gammastrahlen-Nebel, braune Zwerge ... die Astrophysik bleibt (wie jede Wissenschaft) angewiesen auf ein Potential von Veranschaulichungen, einem latenten Komplex von metaphorisch angeleiteten Prämissen, die in ihren Fragestellungen ungefragt Eingang gefunden haben. -

  • Der antike Vorläufer des schwarzen Lochs ist das Chaos als Signum für Unordnung und Desorientierung. - Schwarze Löcher, Milchstraßen, Blasen, Sternengeburten, Gammastrahlen-Nebel, braune Zwerge ... die Astrophysik bleibt (wie jede Wissenschaft) angewiesen auf ein Potential von Veranschaulichungen, einem latenten Komplex von metaphorisch angeleiteten Prämissen, die in ihren Fragestellungen ungefragt Eingang gefunden haben. -

  • "Alles voll von Rhetorik" - heißt es in Abwandlung des Thales´schen Satzes bei Roland Barthes. Die Fundstelle ist: Das semiologische Abenteuer (S. 17). Noch ein Abenteurer. -

  • "Alles voll von Rhetorik" - heißt es in Abwandlung des Thales´schen Satzes bei Roland Barthes. Die Fundstelle ist: Das semiologische Abenteuer (S. 17). Noch ein Abenteurer. -

  • Hat sich Heidegger, der zurück in den Anfang der Philosophie wollte, um aus diesem anfänglichen Denken heraus die Philosophie zur Besinnung zu bringen, eigentlch je zur Vorherschaft des gnôthi seauton vor der epimeleia heautou geäußert? -

  • Hat sich Heidegger, der zurück in den Anfang der Philosophie wollte, um aus diesem anfänglichen Denken heraus die Philosophie zur Besinnung zu bringen, eigentlch je zur Vorherschaft des gnôthi seauton vor der epimeleia heautou geäußert? -

  • Vorherrschaft des gnôthi seauton vor der epimeleia heautou? Bei der Lektüre von Foucaults Hermeneutik des Subjekts jedenfalls - die mir neben Platons Alkibiades zu der Frage nach dem Verhältnis beider eher einfällt - erscheinen Selbsterkenntnis und Selbstsorge ja eher als ineinander verschränkt, unter wie mir scheint sogar leichtem Vorrang der letzteren :) :


    Zitat

    Wir verstehen unter "Philosophie" jene Form des Denkens, das nicht etwa danach fragt, was wahr und was falsch ist, das nicht danach fragt, warum es wahr und falsch gibt und geben kann und warum sich wahr und falsch nicht voneinander trennen lassen. Wir nennen "Philosophie" jene Form des Denkens, die danach fragt, was dem Subjekt den Zugang zur Wahrheit ermöglicht, jene Form des Denkens also, die Bedingungen und Grenzen des Zugangs des Subjekts zur Wahrheit zu bestimmen versucht. Wenn man dies also "Philosophie" nennt, dann könnte man, so meine ich, Geistigkeit jene Suche, Praxis und Erfahrung nennen, durch die das Subjekt an sich selbst die notwendigen Veränderungen vollzieht, um Zugang zur Wahrheit zu erlangen. Wir nennen also "Geistigkeit" das Ensemble von Suchverfahren, Praktiken und Erfahrungen, die Läuterung, Askese, Verzicht, Umwendung des Blicks, Lebensveränderungen usw. sein können, und die ... den Preis darstellen, den es (das Subjekt) für den Zugang zur Wahrheit zu zahlen hat. [...] Die Wahrheit wird dem Subjekt nur um den Preis gegeben, daß das Sein des Subjekts beteiligt ist, denn so wie es ist, ist es der Wahrheit nicht fähig. Dies ist, wie ich meine, die einfachste und zugleich grundlegendste Formel, auf die man die Geistigkeit bringen kann.
    Daraus folgt: Von diesem Standpunkt aus kann es keine Wahrheit ohne eine Konversion oder Verwandlung des Subjekts geben. (ebd., 33)

    Es ist und bleibt das gleiche allerorten – man sagt am Ende nichts, in vielen Worten.
    M. Kaléko

    2 Mal editiert, zuletzt von Bartleby ()

  • Vorherrschaft des gnôthi seauton vor der epimeleia heautou? Bei der Lektüre von Foucaults Hermeneutik des Subjekts jedenfalls - die mir neben Platons Alkibiades zu der Frage nach dem Verhältnis beider eher einfällt - erscheinen Selbsterkenntnis und Selbstsorge ja eher als ineinander verschränkt, unter wie mir scheint sogar leichtem Vorrang der letzteren :) :


    Zitat

    Wir verstehen unter "Philosophie" jene Form des Denkens, das nicht etwa danach fragt, was wahr und was falsch ist, das nicht danach fragt, warum es wahr und falsch gibt und geben kann und warum sich wahr und falsch nicht voneinander trennen lassen. Wir nennen "Philosophie" jene Form des Denkens, die danach fragt, was dem Subjekt den Zugang zur Wahrheit ermöglicht, jene Form des Denkens also, die Bedingungen und Grenzen des Zugangs des Subjekts zur Wahrheit zu bestimmen versucht. Wenn man dies also "Philosophie" nennt, dann könnte man, so meine ich, Geistigkeit jene Suche, Praxis und Erfahrung nennen, durch die das Subjekt an sich selbst die notwendigen Veränderungen vollzieht, um Zugang zur Wahrheit zu erlangen. Wir nennen also "Geistigkeit" das Ensemble von Suchverfahren, Praktiken und Erfahrungen, die Läuterung, Askese, Verzicht, Umwendung des Blicks, Lebensveränderungen usw. sein können, und die ... den Preis darstellen, den es (das Subjekt) für den Zugang zur Wahrheit zu zahlen hat. [...] Die Wahrheit wird dem Subjekt nur um den Preis gegeben, daß das Sein des Subjekts beteiligt ist, denn so wie es ist, ist es der Wahrheit nicht fähig. Dies ist, wie ich meine, die einfachste und zugleich grundlegendste Formel, auf die man die Geistigkeit bringen kann.
    Daraus folgt: Von diesem Standpunkt aus kann es keine Wahrheit ohne eine Konversion oder Verwandlung des Subjekts geben. (ebd., 33)

    Es ist und bleibt das gleiche allerorten – man sagt am Ende nichts, in vielen Worten.
    M. Kaléko

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  • Not lehrt beten. - Jedoch gilt auch: Not lehrt reden. - Bei Cicero ist es die Sehnsucht nach Schönheit, die reden lehrt; jedoch ist nach dem Verzicht der Philosophie auf absolute Gewißheitsmöglichkeiten die Wahrheit hilfsbedürftig geworden. Die spezifische Verlegenheit des Menschen nötigt zur Rhetorik. - Sie ist nicht mehr Produkt eines Wesens, das seinen sprachlichen Reichtum in Verschönerungsmaßnahmen anlegt, sondern die Rhetorik ist Ausdruck dafür, daß die Wahrheit ein Sanierungsfall ist. - Philosophische Wahrheiten sind solche, welche einer Sache gleichsam nicht auf den Grund gehen. -

  • Not lehrt beten. - Jedoch gilt auch: Not lehrt reden. - Bei Cicero ist es die Sehnsucht nach Schönheit, die reden lehrt; jedoch ist nach dem Verzicht der Philosophie auf absolute Gewißheitsmöglichkeiten die Wahrheit hilfsbedürftig geworden. Die spezifische Verlegenheit des Menschen nötigt zur Rhetorik. - Sie ist nicht mehr Produkt eines Wesens, das seinen sprachlichen Reichtum in Verschönerungsmaßnahmen anlegt, sondern die Rhetorik ist Ausdruck dafür, daß die Wahrheit ein Sanierungsfall ist. - Philosophische Wahrheiten sind solche, welche einer Sache gleichsam nicht auf den Grund gehen. -

  • Not lehrt beten. - Jedoch gilt auch: Not lehrt reden. - Bei Cicero ist es die Sehnsucht nach Schönheit, die reden lehrt; jedoch ist nach dem Verzicht der Philosophie auf absolute Gewißheitsmöglichkeiten die Wahrheit hilfsbedürftig geworden. Die spezifische Verlegenheit des Menschen nötigt zur Rhetorik. - Sie ist nicht mehr Produkt eines Wesens, das seinen sprachlichen Reichtum in Verschönerungsmaßnahmen anlegt, sondern die Rhetorik ist Ausdruck dafür, daß die Wahrheit ein Sanierungsfall ist. - Philosophische Wahrheiten sind solche, welche einer Sache gleichsam nicht auf den Grund gehen. -


    Hallo, Nauplios! Ich freue mich von Dir wieder hier zu lesen! Schön Dich zu sehen. Habe mich heute schon nach Dir gefragt. Deine Leseempfehlungen waren für mich immer sehr wertvoll. Besonders wg. der Sache mit dem Baumeister, vielmehr dem Töpfer habe ich mehrmals im Forum gesucht, was Du dazu geschrieben hast. Danke für Deine Formgebung, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Es hilft mir sehr. :)

  • Not lehrt beten. - Jedoch gilt auch: Not lehrt reden. - Bei Cicero ist es die Sehnsucht nach Schönheit, die reden lehrt; jedoch ist nach dem Verzicht der Philosophie auf absolute Gewißheitsmöglichkeiten die Wahrheit hilfsbedürftig geworden. Die spezifische Verlegenheit des Menschen nötigt zur Rhetorik. - Sie ist nicht mehr Produkt eines Wesens, das seinen sprachlichen Reichtum in Verschönerungsmaßnahmen anlegt, sondern die Rhetorik ist Ausdruck dafür, daß die Wahrheit ein Sanierungsfall ist. - Philosophische Wahrheiten sind solche, welche einer Sache gleichsam nicht auf den Grund gehen. -


    Hallo, Nauplios! Ich freue mich von Dir wieder hier zu lesen! Schön Dich zu sehen. Habe mich heute schon nach Dir gefragt. Deine Leseempfehlungen waren für mich immer sehr wertvoll. Besonders wg. der Sache mit dem Baumeister, vielmehr dem Töpfer habe ich mehrmals im Forum gesucht, was Du dazu geschrieben hast. Danke für Deine Formgebung, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Es hilft mir sehr. :)

  • Zitat

    Schließlich sollten wir auch an die berühmte Stelle im Phädrus denken, an der Sokrates erklärt, warum eine lebendige Diskussion einem schriftlichen Bericht über diese Diskussion so haushoch überlegen ist. Geschriebene Worte, sagt er, scheinen zwar lebendig zu sein, doch sobald man sie befragt, geben sie stets dieselbe Antwort. Ist ein Wort erst einmal aufgeschrieben, wird es von denen, die es verstehen, ebenso hin- und hergeschleudert wie von denen, die keinen Anteil daran nehmen. Damit sind zwei maßgebliche Aspekte der sokratischen Dialektik genannt, die hinausgehen über den bloßen Versuch, jemanden, der Anspruch erhebt auf Wissen, der Widersprüchlichkeit zu überführen. Der eine Aspekt ist der, daß beide Teilnehmer davon zu profitieren hoffen können; der andere Aspekt ist der, daß diese Dialektik - im Gegensatz zur schriftlichen Abhandlung - einen Prozeß darstellt, der Veränderungen auslöst. [...] In dieser Hinsicht ist sie Vorbild für jeden gelungenen Kommunikationsversuch. (Donald Davidson: Dialektik und Dialog, S. 12f.)


    Statt von bestimmten "Wahrheiten", die in Form von wahren (oder falschen) Sätzen festgestellt sind, kann man hier vielleicht auch von einem Wahrheitsgeschehen sprechen, dessen Resultate - anders als "absolute Gewißheitsmöglichkeiten" - jederzeit wiederum in Frage gestellt werden können, so dass der dialogische Prozess ein tendenziell unabschließbarer ist. Die "spezifische Verlegenheit" des Menschen, die "Hilfsbedürftigkeit" seiner Wahrheit verweisen auf diese Weise - i.S. einer 'unendlichen Annäherung' - wenn man so will zugleich seit jeher auch auf die Möglichkeit ihrer Realisierung in Form des Miteinander-Sprechens bzw. als (sokratische) Dialektik :) .

    Es ist und bleibt das gleiche allerorten – man sagt am Ende nichts, in vielen Worten.
    M. Kaléko

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  • Zitat

    Schließlich sollten wir auch an die berühmte Stelle im Phädrus denken, an der Sokrates erklärt, warum eine lebendige Diskussion einem schriftlichen Bericht über diese Diskussion so haushoch überlegen ist. Geschriebene Worte, sagt er, scheinen zwar lebendig zu sein, doch sobald man sie befragt, geben sie stets dieselbe Antwort. Ist ein Wort erst einmal aufgeschrieben, wird es von denen, die es verstehen, ebenso hin- und hergeschleudert wie von denen, die keinen Anteil daran nehmen. Damit sind zwei maßgebliche Aspekte der sokratischen Dialektik genannt, die hinausgehen über den bloßen Versuch, jemanden, der Anspruch erhebt auf Wissen, der Widersprüchlichkeit zu überführen. Der eine Aspekt ist der, daß beide Teilnehmer davon zu profitieren hoffen können; der andere Aspekt ist der, daß diese Dialektik - im Gegensatz zur schriftlichen Abhandlung - einen Prozeß darstellt, der Veränderungen auslöst. [...] In dieser Hinsicht ist sie Vorbild für jeden gelungenen Kommunikationsversuch. (Donald Davidson: Dialektik und Dialog, S. 12f.)


    Statt von bestimmten "Wahrheiten", die in Form von wahren (oder falschen) Sätzen festgestellt sind, kann man hier vielleicht auch von einem Wahrheitsgeschehen sprechen, dessen Resultate - anders als "absolute Gewißheitsmöglichkeiten" - jederzeit wiederum in Frage gestellt werden können, so dass der dialogische Prozess ein tendenziell unabschließbarer ist. Die "spezifische Verlegenheit" des Menschen, die "Hilfsbedürftigkeit" seiner Wahrheit verweisen auf diese Weise - i.S. einer 'unendlichen Annäherung' - wenn man so will zugleich seit jeher auch auf die Möglichkeit ihrer Realisierung in Form des Miteinander-Sprechens bzw. als (sokratische) Dialektik :) .

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    M. Kaléko

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