Die Primzahl-Irritation (math-fiction)

  • Die Primzahl-Irritation


    Am Anfang stand eine kleine Irritation:
    Der Supercoputer HAL 9009 schien einen Fehler gemacht zu haben. Bei der Berechnung der Primzahlzerlegung einer dezimal 300-stelligen Zahl ergab sich ein widersprüchliches Ergebnis. Denn bei der nach einem Monat wiederholten Berechnung ergaben sich andere Primfaktoren als beim ersten Lauf.
    Natürlich vermutete man einen Berechnungsfehler, denn die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung ist ein mathematisches Gesetz (schon Euklid bekannt) und wurde vor ca. 200 Jahren von Carl Friedrich Gauß bewiesen.
    Aber es ließ sich weder am Computer noch am Programm ein Fehler finden.


    Jahre später ist das Phänomen sich verändernder Primzahlzerlegungen wohlbekannt.
    Einige Kryptographiefirmen mussten Konkurs anmelden, denn ihre Algorithmen funktionierten nicht mehr.
    Schlimmer war der Vertrauensverlust für die Wissenschaften:
    Gerade den Mathematikern hatten viele quasi blind vertraut – und die Zeitlosigkeit ihres Wissens wurde vorausgesetzt. Dass Wissen nur vorläufig ist war von vielen verdrängt worden.


    Nun standen Grundprinzipien des Wissens zur Disposition.
    Nur weil etwas gestern und heute galt muss es morgen nicht mehr so sein.
    Auch die schon weit verbreitete KI wurde nun wieder kritischer gesehen.


    Verschwörungstheoretiker erhielten Auftrieb und wurden zur Mathematik schnell fündig:
    Die Eindeutigkeit der Primzahlzerlegung wird klassisch mit einem Widerspruchsbeweis bewiesen. Die mathematísche Richtung des Konstruktivismus hat einst solche Beweise abgelehnt, allerdings nicht für die Arithmetik sondern für die Mengenlehre (Grundlagenstreit). Hier hat die Mathematik eine “Leiche im Keller”, denn diese (vielen unbequeme) Richtung wurde weniger durch Argumente als durch Machtpolitik erledigt (David Hilbert).


    Unschön war auch, dass zuletzt wenig alternative Mathematiken verfolgt wurden, denn gerade das Hochschulprinzip förderte vor allem den Mainstream.


    Und so wuchs sich diese Arithmetik-Irritation langsam zu einer Wissenschaftskrise aus.


    Ansätze zur Bewältigung mussten mühsam von Grund auf erarbeitet werden,
    dabei auch manch heilige Kuh geschlachtet werden.


    Ob das Ganze mit Reformen zu bewältigen sein wird oder die Wissenschaften - wie einst die Religion - in die zweite Reihe zurücktreten müssen, bleibt abzuwarten.


    Phantasie, Intuition, Kreativität und Dummheit stehen als alte Konkurrenten schon bereit,
    ob konstruktiv oder zerstörend muss sich noch weisen.



    Gruß
    Trestone


  • Die Primzahl-Irritation


    Am Anfang stand eine kleine Irritation:
    Der Supercoputer HAL 9009 schien einen Fehler gemacht zu haben. Bei der Berechnung der Primzahlzerlegung einer dezimal 300-stelligen Zahl ergab sich ein widersprüchliches Ergebnis. Denn bei der nach einem Monat wiederholten Berechnung ergaben sich andere Primfaktoren als beim ersten Lauf.
    Natürlich vermutete man einen Berechnungsfehler, denn die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung ist ein mathematisches Gesetz (schon Euklid bekannt) und wurde vor ca. 200 Jahren von Carl Friedrich Gauß bewiesen.
    Aber es ließ sich weder am Computer noch am Programm ein Fehler finden.


    Jahre später ist das Phänomen sich verändernder Primzahlzerlegungen wohlbekannt.
    Einige Kryptographiefirmen mussten Konkurs anmelden, denn ihre Algorithmen funktionierten nicht mehr.
    Schlimmer war der Vertrauensverlust für die Wissenschaften:
    Gerade den Mathematikern hatten viele quasi blind vertraut – und die Zeitlosigkeit ihres Wissens wurde vorausgesetzt. Dass Wissen nur vorläufig ist war von vielen verdrängt worden.


    Nun standen Grundprinzipien des Wissens zur Disposition.
    Nur weil etwas gestern und heute galt muss es morgen nicht mehr so sein.
    Auch die schon weit verbreitete KI wurde nun wieder kritischer gesehen.


    Verschwörungstheoretiker erhielten Auftrieb und wurden zur Mathematik schnell fündig:
    Die Eindeutigkeit der Primzahlzerlegung wird klassisch mit einem Widerspruchsbeweis bewiesen. Die mathematísche Richtung des Konstruktivismus hat einst solche Beweise abgelehnt, allerdings nicht für die Arithmetik sondern für die Mengenlehre (Grundlagenstreit). Hier hat die Mathematik eine “Leiche im Keller”, denn diese (vielen unbequeme) Richtung wurde weniger durch Argumente als durch Machtpolitik erledigt (David Hilbert).


    Unschön war auch, dass zuletzt wenig alternative Mathematiken verfolgt wurden, denn gerade das Hochschulprinzip förderte vor allem den Mainstream.


    Und so wuchs sich diese Arithmetik-Irritation langsam zu einer Wissenschaftskrise aus.


    Ansätze zur Bewältigung mussten mühsam von Grund auf erarbeitet werden,
    dabei auch manch heilige Kuh geschlachtet werden.


    Ob das Ganze mit Reformen zu bewältigen sein wird oder die Wissenschaften - wie einst die Religion - in die zweite Reihe zurücktreten müssen, bleibt abzuwarten.


    Phantasie, Intuition, Kreativität und Dummheit stehen als alte Konkurrenten schon bereit,
    ob konstruktiv oder zerstörend muss sich noch weisen.



    Gruß
    Trestone


  • Hier noch ein Gedicht von mir dazu:


    Mathedämmerung


    Lange setzten sie auf Wahrheit
    bis Gödel sie verdrängt,
    dann veränderten sich die Primzahlen,
    das hat Realität und Zeit
    ihnen geschenkt.


    Auch Beweise können irren
    ist die Logik nicht ganz rund
    und so kamen sie vom Hohenpriester
    ziemlich runter auf den Hund.


    Wir sind und bleiben Menschen
    und Wahrheit ein Ideal
    nach der wir gerne suchen
    doch der Grat ist schmal.



    Gruß
    Trestone

  • Hier noch ein Gedicht von mir dazu:


    Mathedämmerung


    Lange setzten sie auf Wahrheit
    bis Gödel sie verdrängt,
    dann veränderten sich die Primzahlen,
    das hat Realität und Zeit
    ihnen geschenkt.


    Auch Beweise können irren
    ist die Logik nicht ganz rund
    und so kamen sie vom Hohenpriester
    ziemlich runter auf den Hund.


    Wir sind und bleiben Menschen
    und Wahrheit ein Ideal
    nach der wir gerne suchen
    doch der Grat ist schmal.



    Gruß
    Trestone

  • Die Eindeutigkeit der Primzahlzerlegung wird klassisch mit einem Widerspruchsbeweis bewiesen. Die mathematische Richtung des Konstruktivismus hat einst solche Beweise abgelehnt, allerdings nicht für die Arithmetik sondern für die Mengenlehre (Grundlagenstreit). Hier hat die Mathematik eine “Leiche im Keller”,

    Hallo Trestone,


    magst du diese Leiche sezieren?


    Klar ist, dass du bei der Obduktion auf eine mehrwertige Logik zurückgreifen musst. Nun gibt es aber zu jeder mehrwertigen Logik eine zweiwertige Metalogik. Auf diese Weise funktioniert auch die natürlich Sprache. (Aber bitte fang nicht wieder mit dem Urknall, Schwarzen Löchern und Zeitreisen an.)


    Die Logik in der Rubrik Lyrik anzusiedeln, finde ich treffen. :finger:

  • Die Eindeutigkeit der Primzahlzerlegung wird klassisch mit einem Widerspruchsbeweis bewiesen. Die mathematische Richtung des Konstruktivismus hat einst solche Beweise abgelehnt, allerdings nicht für die Arithmetik sondern für die Mengenlehre (Grundlagenstreit). Hier hat die Mathematik eine “Leiche im Keller”,

    Hallo Trestone,


    magst du diese Leiche sezieren?


    Klar ist, dass du bei der Obduktion auf eine mehrwertige Logik zurückgreifen musst. Nun gibt es aber zu jeder mehrwertigen Logik eine zweiwertige Metalogik. Auf diese Weise funktioniert auch die natürlich Sprache. (Aber bitte fang nicht wieder mit dem Urknall, Schwarzen Löchern und Zeitreisen an.)


    Die Logik in der Rubrik Lyrik anzusiedeln, finde ich treffen. :finger:

  • Hallo Koan,


    es geht ja um "math-fiction", da genügt, dass etwas nicht unmöglich ist
    und muss nicht bewiesen sein ...


    Mit meiner Stufenlogik benutze ich tatsächlich eine mehrwertige (dreiwertige) Logik zur "Sektion",
    die die klassische zweiwertige Logik als Metalogik nutzt, wo ist dabei das Problem?
    Wichtiger als Dreiwertigkeit erscheint mir dabei der neue Parameter "Stufe",
    er ermöglicht z.B. wohl die unterschiedlichen Primfaktorzerlegungen.


    Gruß
    Trestone

  • Hallo Koan,


    es geht ja um "math-fiction", da genügt, dass etwas nicht unmöglich ist
    und muss nicht bewiesen sein ...


    Mit meiner Stufenlogik benutze ich tatsächlich eine mehrwertige (dreiwertige) Logik zur "Sektion",
    die die klassische zweiwertige Logik als Metalogik nutzt, wo ist dabei das Problem?
    Wichtiger als Dreiwertigkeit erscheint mir dabei der neue Parameter "Stufe",
    er ermöglicht z.B. wohl die unterschiedlichen Primfaktorzerlegungen.


    Gruß
    Trestone

  • Hallo, eine überarbeitete Version:


    Die Primzahl-Irritation 2.0 (math-fiction)


    Am Anfang stand eine kleine Irritation:
    Der Supercoputer HAL 9009 schien einen Fehler gemacht zu haben. Bei der Berechnung der Primzahlzerlegung einer dezimal 300-stelligen ganzen Zahl ergab sich ein widersprüchliches Ergebnis. Denn bei der nach einem Monat wiederholten Berechnung ergaben sich andere Primfaktoren als beim ersten Lauf.
    Natürlich vermutete man einen Berechnungsfehler, denn die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung ist ein mathematisches Gesetz und wurde vor ca. 200 Jahren von Carl Friedrich Gauß bewiesen, ja sie war wohl schon Euklid bekannt.
    Aber es ließ sich weder am Computer noch am Programm ein Fehler finden.


    Die Irritation vergrößerte sich, als Jahre später immer mehr veränderte Primzahlzerlegungen auftauchten. Nicht nur Kryptographiefirmen fragten sich,
    was aus der Zeitlosigkeit von Logik und Mathematik geworden war – und etliche gingen pleite.
    Verschwörungstheoretiker gruben in der Geschichte der Mathematik nach. Beim sogenannten Grundlagenstreit zwischen Formalisten und Intuitionisten war es unter anderem auch um die Zulässigkeit von indirekten Beweisen gegangen, und genau einen solchen hatte Gauß eingesetzt. Hier fanden sie die “Leiche im Keller” der Mathematik: David Hilbert hatte seinen Kontrahenten Brouwer, der u.a. indirekte Beweise ablehnte, weniger mit mathematischen Argumenten besiegt, als mit Machtpolitik, indem er ihn aus dem Herausgebergremium der “Mathematischen Annalen” ausschloss. Danach verstummte der Intuitionismus weitgehend und es wurden weniger alternative Wege in der Mathematik beschritten.


    Hatten die Verschwörungstheoretiker recht und man hatte auf das falsch Pferd gesetzt?


    Der nächste Schlag folgte schnell: Jetzt ging es gar nicht mehr um Mathematik, auch grundlegende physikalische Eigenschaften zeigten sich plötzlich als zeitabhängig.


    Es schien als ob die Zeit wie ein schlafender Riese plötzlich erwacht wäre und alles durcheinander warf. Unser Wissen und unsere Regeln von gestern waren für heute und morgen nicht mehr brauchbar, und wenn auch immer gemahnt worden war, dass unser Wissen nur vorläufig ist, hatte das praktisch kaum jemand geglaubt.
    Obwohl sich die Zeit gar nicht anders bewegte, bürgerte sich der Begriff “Zeitbeben” für diese Phänomene ein, denn er drückte die Ohnmacht vor diesen Phänomenen gut aus.


    War die Physik das letzte Opfer, oder würde der Riese auch noch unser Bewusstsein und unsere Identität verschlingen, die sich ja beide “nahe am Zeitstrom” bewegen? Das wäre dann wohl eine “Menschendämmerung”.


    Die Zeit wird es weisen ...



    Gruß
    Trestone

  • Hallo, eine überarbeitete Version:


    Die Primzahl-Irritation 2.0 (math-fiction)


    Am Anfang stand eine kleine Irritation:
    Der Supercoputer HAL 9009 schien einen Fehler gemacht zu haben. Bei der Berechnung der Primzahlzerlegung einer dezimal 300-stelligen ganzen Zahl ergab sich ein widersprüchliches Ergebnis. Denn bei der nach einem Monat wiederholten Berechnung ergaben sich andere Primfaktoren als beim ersten Lauf.
    Natürlich vermutete man einen Berechnungsfehler, denn die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung ist ein mathematisches Gesetz und wurde vor ca. 200 Jahren von Carl Friedrich Gauß bewiesen, ja sie war wohl schon Euklid bekannt.
    Aber es ließ sich weder am Computer noch am Programm ein Fehler finden.


    Die Irritation vergrößerte sich, als Jahre später immer mehr veränderte Primzahlzerlegungen auftauchten. Nicht nur Kryptographiefirmen fragten sich,
    was aus der Zeitlosigkeit von Logik und Mathematik geworden war – und etliche gingen pleite.
    Verschwörungstheoretiker gruben in der Geschichte der Mathematik nach. Beim sogenannten Grundlagenstreit zwischen Formalisten und Intuitionisten war es unter anderem auch um die Zulässigkeit von indirekten Beweisen gegangen, und genau einen solchen hatte Gauß eingesetzt. Hier fanden sie die “Leiche im Keller” der Mathematik: David Hilbert hatte seinen Kontrahenten Brouwer, der u.a. indirekte Beweise ablehnte, weniger mit mathematischen Argumenten besiegt, als mit Machtpolitik, indem er ihn aus dem Herausgebergremium der “Mathematischen Annalen” ausschloss. Danach verstummte der Intuitionismus weitgehend und es wurden weniger alternative Wege in der Mathematik beschritten.


    Hatten die Verschwörungstheoretiker recht und man hatte auf das falsch Pferd gesetzt?


    Der nächste Schlag folgte schnell: Jetzt ging es gar nicht mehr um Mathematik, auch grundlegende physikalische Eigenschaften zeigten sich plötzlich als zeitabhängig.


    Es schien als ob die Zeit wie ein schlafender Riese plötzlich erwacht wäre und alles durcheinander warf. Unser Wissen und unsere Regeln von gestern waren für heute und morgen nicht mehr brauchbar, und wenn auch immer gemahnt worden war, dass unser Wissen nur vorläufig ist, hatte das praktisch kaum jemand geglaubt.
    Obwohl sich die Zeit gar nicht anders bewegte, bürgerte sich der Begriff “Zeitbeben” für diese Phänomene ein, denn er drückte die Ohnmacht vor diesen Phänomenen gut aus.


    War die Physik das letzte Opfer, oder würde der Riese auch noch unser Bewusstsein und unsere Identität verschlingen, die sich ja beide “nahe am Zeitstrom” bewegen? Das wäre dann wohl eine “Menschendämmerung”.


    Die Zeit wird es weisen ...



    Gruß
    Trestone

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