Der ausgedehnte Geist, Andy Clark und David Chalmers

  • Viele Philosophen vertre/aten (früher) eine Auffassung, nach der unser Leben ein Spiel bei verschlossenen Türen ist. Ob wir wirklich in unseren Geist eingeschlossen sind, ist in diesem Forum Gegenstand ausgiebiger Diskussionen. In diesem Thread will ich eine Postion diskutieren, die dieser nachgerade entgegen gesetzt ist. Was sind die Grenzen des Geistes? Damit sind nicht die Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit gemeint, sondern die Frage, wo der Geist endet und wo der Rest der Welt beginnt.

    Drei mögliche Antworten lauten:

    • Die Grenze sind unsere Haut oder der Schädel. Was sich jenseits dieser Markierungen befindet ist außerhalb des Geistes
    • "Bedeutungen sind nun mal nicht im Kopf" (Putnam) und dieser Externalismus der Bedeutung kann in einen Externalismus des Geistes übergehen, wie die beiden Autoren vermuten ...
    • Die beiden Autoren Andy Clark und David Chalmers (das ist der mit den Zombies) vertreten in ihrem Aufsatz "der ausgedehnte Geist" eine weitere, wie sie betonen ganz andere Art von Externalismus, den sie "aktiven Externalismus nennen". Er basiert auf der aktiven Rolle der Umwelt bei der Steuerung kognitiver Prozesse.

    Der Aufsatz geht gleich in medias res und ich will es den Autoren gleich tun :) Hier zitiere ich das einleitende Gedankenexperiment, den Beginn von Absatz 2 der "ausgedehnte Kognition" überschrieben ist:

    Quote from Andy Clark und David Chalmers,"der ausgedehnte Geist"

    Man betrachte drei Fälle menschlichen Problemlösens:

    (1) Eine Person sitzt vor einem Computerbildschirm, der Bilder von verschiedenen zweidimensionalen geometrischen Formen zeigt, und wird gebeten, Fragen zu beantworten, die das potentielle Einpassen solcher Formen in abgebildete „Fassungen“ betreffen. Um die Passform einschätzen zu können, muss die Person die Formen mental drehen, um sie mit den Fassungen abzugleichen.

    (2) Eine Person sitzt vor einem ähnlichen Computerbildschirm, aber dieses Mal kann sie wählen: entweder das Bild durch das Drücken eines Rotationsschalters auf dem Schirm physisch zu drehen oder wie zuvor das Bild mental zu drehen. Es scheint zudem nicht unrealistisch, anzunehmen, dass zu der physischen Rotationsfunktion ein Geschwindigkeitsvorteil hinzukommt.

    (3) Irgendwann in der Cyberpunk-Zukunft sitzt eine Person vor einem ähnlichen Bildschirm. Diese Akteurin hat indes den Vorteil eines neuronalen Implantats, das die Rotationsfunktion genauso schnell durchführen kann wie der Computer in dem vorangegangenen Beispiel. Die Akteurin muss immer noch wählen, welches interne Mittel sie gebraucht (das Implantat oder die gute altmodische mentale Drehung), da jedes Mittel verschiedene Ansprüche an die Aufmerksamkeit und andere, gleichzeitig ablaufende Hirnaktivitäten stellt.


    Die Autoren fragen direkt im Anschluss "Wie viel Kognition ist in diesen Fällen gegeben?" und schlagen vor, dass die drei Fälle ähnlich sind. Fall (3) mit dem neuronalen Implantat ist nach ihrer Ansicht mit Fall (1) gleichwertig. Fall (2) zeigt die gleiche Form von "computational structure" wie der dritte Fall, allerdings verteilt "verteilt auf die Handelnde und den Computer anstatt der Internalisierung in die Handelnde."

    Sie fragen weiter: Wenn wir die Rotation im dritten Fall als kognitiv ansehen, warum sollte dann Fall (2) so völlig verschieden sein? Nun kommt - auch für die (hoffentlich folgende) Diskussion ein wichtiger Punkt: Als Argument kann man hier nicht die Haut- oder Schädelgrenze anführen, weil genau das ja in Frage und zur Diskussion steht. "Aber anscheinend unterscheiden sich die Fälle in nichts anderem."

    Ich gebe zu, dass ich mit diesen Ideen sympathisiere, mich aber noch nicht intensiv damit beschäftigt habe. Am liebsten würde ich das Thema als Lesethread behandeln. Ich will aber nicht, dass sich User deswegen in Unkosten stürzen :) ... Gibt es Interesse an dem Thema? Wenn sich einige neugierige (und argumentationsfreudige) User zusammen finden, dann wird man vielleicht einen gangbaren Weg finden, den Aufsatz gemeinsam und (vermutlich) kontrovers zu diskutieren.

  • Viele Philosophen vertre/aten (früher) eine Auffassung, nach der unser Leben ein Spiel bei verschlossenen Türen ist. Ob wir wirklich in unseren Geist eingeschlossen sind, ist in diesem Forum Gegenstand ausgiebiger Diskussionen. In diesem Thread will ich eine Postion diskutieren, die dieser nachgerade entgegen gesetzt ist. Was sind die Grenzen des Geistes? Damit sind nicht die Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit gemeint, sondern die Frage, wo der Geist endet und wo der Rest der Welt beginnt.

    Drei mögliche Antworten lauten:

    • Die Grenze sind unsere Haut oder der Schädel. Was sich jenseits dieser Markierungen befindet ist außerhalb des Geistes
    • "Bedeutungen sind nun mal nicht im Kopf" (Putnam) und dieser Externalismus der Bedeutung kann in einen Externalismus des Geistes übergehen, wie die beiden Autoren vermuten ...
    • Die beiden Autoren Andy Clark und David Chalmers (das ist der mit den Zombies) vertreten in ihrem Aufsatz "der ausgedehnte Geist" eine weitere, wie sie betonen ganz andere Art von Externalismus, den sie "aktiven Externalismus nennen". Er basiert auf der aktiven Rolle der Umwelt bei der Steuerung kognitiver Prozesse.

    Der Aufsatz geht gleich in medias res und ich will es den Autoren gleich tun :) Hier zitiere ich das einleitende Gedankenexperiment, den Beginn von Absatz 2 der "ausgedehnte Kognition" überschrieben ist:

    Quote from Andy Clark und David Chalmers,"der ausgedehnte Geist"

    Man betrachte drei Fälle menschlichen Problemlösens:

    (1) Eine Person sitzt vor einem Computerbildschirm, der Bilder von verschiedenen zweidimensionalen geometrischen Formen zeigt, und wird gebeten, Fragen zu beantworten, die das potentielle Einpassen solcher Formen in abgebildete „Fassungen“ betreffen. Um die Passform einschätzen zu können, muss die Person die Formen mental drehen, um sie mit den Fassungen abzugleichen.

    (2) Eine Person sitzt vor einem ähnlichen Computerbildschirm, aber dieses Mal kann sie wählen: entweder das Bild durch das Drücken eines Rotationsschalters auf dem Schirm physisch zu drehen oder wie zuvor das Bild mental zu drehen. Es scheint zudem nicht unrealistisch, anzunehmen, dass zu der physischen Rotationsfunktion ein Geschwindigkeitsvorteil hinzukommt.

    (3) Irgendwann in der Cyberpunk-Zukunft sitzt eine Person vor einem ähnlichen Bildschirm. Diese Akteurin hat indes den Vorteil eines neuronalen Implantats, das die Rotationsfunktion genauso schnell durchführen kann wie der Computer in dem vorangegangenen Beispiel. Die Akteurin muss immer noch wählen, welches interne Mittel sie gebraucht (das Implantat oder die gute altmodische mentale Drehung), da jedes Mittel verschiedene Ansprüche an die Aufmerksamkeit und andere, gleichzeitig ablaufende Hirnaktivitäten stellt.


    Die Autoren fragen direkt im Anschluss "Wie viel Kognition ist in diesen Fällen gegeben?" und schlagen vor, dass die drei Fälle ähnlich sind. Fall (3) mit dem neuronalen Implantat ist nach ihrer Ansicht mit Fall (1) gleichwertig. Fall (2) zeigt die gleiche Form von "computational structure" wie der dritte Fall, allerdings verteilt "verteilt auf die Handelnde und den Computer anstatt der Internalisierung in die Handelnde."

    Sie fragen weiter: Wenn wir die Rotation im dritten Fall als kognitiv ansehen, warum sollte dann Fall (2) so völlig verschieden sein? Nun kommt - auch für die (hoffentlich folgende) Diskussion ein wichtiger Punkt: Als Argument kann man hier nicht die Haut- oder Schädelgrenze anführen, weil genau das ja in Frage und zur Diskussion steht. "Aber anscheinend unterscheiden sich die Fälle in nichts anderem."

    Ich gebe zu, dass ich mit diesen Ideen sympathisiere, mich aber noch nicht intensiv damit beschäftigt habe. Am liebsten würde ich das Thema als Lesethread behandeln. Ich will aber nicht, dass sich User deswegen in Unkosten stürzen :) ... Gibt es Interesse an dem Thema? Wenn sich einige neugierige (und argumentationsfreudige) User zusammen finden, dann wird man vielleicht einen gangbaren Weg finden, den Aufsatz gemeinsam und (vermutlich) kontrovers zu diskutieren.

  • Der Anspruch der beiden Autoren ist hoch - der Aufsatz endet so: "In jedem Fall sind wir, sobald wir die Vorherrschaft von Haut und Schädel gebrochen haben, vielleicht in der Lage, uns selbst als die Geschöpfe der Welt zu begreifen, die wir in Wahrheit sind."

  • Der Anspruch der beiden Autoren ist hoch - der Aufsatz endet so: "In jedem Fall sind wir, sobald wir die Vorherrschaft von Haut und Schädel gebrochen haben, vielleicht in der Lage, uns selbst als die Geschöpfe der Welt zu begreifen, die wir in Wahrheit sind."

  • Auch die (funkelnagelneue) IP befasst sich (im weiteren Sinne) mit dem gleichen Thema und gibt einen groben Überblick:

    Ziel der Kognitionswissenschaft ist eine empirisch wie begrifflich umfassende transdisziplinäre Untersuchung jener Leistungen, die natürliche und künstliche Systeme befähigen, durch intelligentes Verhalten Probleme verschiedenster Art möglichst effizient zu lösen (Stephan & Walter 2013). Neben dem wissenschaftlichen Ideal der Erschaffung intelligenter künstlicher Systeme (das Projekt einer ‚starken KI‘) und dem rein ingenieurwissenschaftlichen Interesse an künstlichen Systemen, die ein Verhalten zeigen, das bei Menschen Intelligenz erfordert, besteht dabei vor allem auch die Hoffnung, durch die Modellierung intelligenter Leistungen Aufschlüsse über die Natur, die Funktion und die Organisationsprinzipien der kognitiven Leistungen des Menschen zu erlangen (das Projekt einer ‚schwachen‘ KI).

    Gegenstand der seit einiger Zeit zunehmend prominenter werdenden Philosophie der Kognition bzw. Philosophie der Kognitionswissenschaft (Shapiro 2011; Walter 2014) ist insbesondere die Frage, wie Systeme strukturiert sein müssen, um kognitive Leistungen wie Wahrnehmen, Erinnern, Lernen, Schlussfolgern, Planen, Entscheiden usw. erbringen zu können: Welche Teile eines Systems und seiner Umwelt tragen zu seinem intelligenten Verhalten bei und auf welche Weise? Welche materiellen Prozesse liegen seinen kognitiven Leistungen zugrunde? Ist Kognition eine Sache syntaktisch spezifizierbarer Berechnungsprozesse über Repräsentationen symbolischer Art, wie sie letztlich auch in digitalen Computern zu finden sind? ...

    [wie immer auf die Überschrift klicken, um weiter zu lesen :-)]

  • Auch die (funkelnagelneue) IP befasst sich (im weiteren Sinne) mit dem gleichen Thema und gibt einen groben Überblick:

    Ziel der Kognitionswissenschaft ist eine empirisch wie begrifflich umfassende transdisziplinäre Untersuchung jener Leistungen, die natürliche und künstliche Systeme befähigen, durch intelligentes Verhalten Probleme verschiedenster Art möglichst effizient zu lösen (Stephan & Walter 2013). Neben dem wissenschaftlichen Ideal der Erschaffung intelligenter künstlicher Systeme (das Projekt einer ‚starken KI‘) und dem rein ingenieurwissenschaftlichen Interesse an künstlichen Systemen, die ein Verhalten zeigen, das bei Menschen Intelligenz erfordert, besteht dabei vor allem auch die Hoffnung, durch die Modellierung intelligenter Leistungen Aufschlüsse über die Natur, die Funktion und die Organisationsprinzipien der kognitiven Leistungen des Menschen zu erlangen (das Projekt einer ‚schwachen‘ KI).

    Gegenstand der seit einiger Zeit zunehmend prominenter werdenden Philosophie der Kognition bzw. Philosophie der Kognitionswissenschaft (Shapiro 2011; Walter 2014) ist insbesondere die Frage, wie Systeme strukturiert sein müssen, um kognitive Leistungen wie Wahrnehmen, Erinnern, Lernen, Schlussfolgern, Planen, Entscheiden usw. erbringen zu können: Welche Teile eines Systems und seiner Umwelt tragen zu seinem intelligenten Verhalten bei und auf welche Weise? Welche materiellen Prozesse liegen seinen kognitiven Leistungen zugrunde? Ist Kognition eine Sache syntaktisch spezifizierbarer Berechnungsprozesse über Repräsentationen symbolischer Art, wie sie letztlich auch in digitalen Computern zu finden sind? ...

    [wie immer auf die Überschrift klicken, um weiter zu lesen :-)]

  • schnelle Antworten aus der Geographie

    1) die alemannischen Ortsgründungen aus dem Zeitraum 300 bis 500 waren so gut,
    daß ein Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts anhand dieser Orte
    eine allgemeingültige Theorie aufstellen konnte

    http://de.wikipedia.org/wiki/System_der_zentralen_Orte

    nur wenige dieser -ingen Orte gingen im Verlauf der Jahrhunderte verloren,
    fast alle sind bis heute besiedelt

    der alemannische Geist war bis in die Siedlung ausgedehnt

    2) ein Geograph könnte wahrscheinlich irgendwo auf dieser Welt mit dem Flugzeug abstürzen
    und würde sich, selbst, wenn er keine Ahnung hat, wo er sich befindet,
    ziemlich schnell zurechtfinden

    man denke an die ganzen Entdecker, welche todesmutig die Kontinent durchquert haben,
    oder an Rüdiger Nehberg, der sich fast nackt allein im Dschungel hat aussetzen lassen
    und der dann eben nicht verhungert, verdurstet oder sonstwie gestorben ist
    http://www.amazonas.de/amazonas/reise_nehberg_aktion.html

    Rüdiger Nehbergs Geist war auf die Umwelt ausgedehnt

    3) in Süddeutschland gibt es verbreitet tonige Ackerböden,
    die sich nur innerhalb eines kleinen Zeitfensters bearbeiten lassen
    http://de.wikipedia.org/wiki/Minutenboden

    wenn der Bauer es nicht im Gefühl hat, wann er was zu tun hat,
    wird er keine gute Ernte einbringen

    der Geist des Bauern ist auf seine Scholle ausgedehnt

  • schnelle Antworten aus der Geographie

    1) die alemannischen Ortsgründungen aus dem Zeitraum 300 bis 500 waren so gut,
    daß ein Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts anhand dieser Orte
    eine allgemeingültige Theorie aufstellen konnte

    http://de.wikipedia.org/wiki/System_der_zentralen_Orte

    nur wenige dieser -ingen Orte gingen im Verlauf der Jahrhunderte verloren,
    fast alle sind bis heute besiedelt

    der alemannische Geist war bis in die Siedlung ausgedehnt

    2) ein Geograph könnte wahrscheinlich irgendwo auf dieser Welt mit dem Flugzeug abstürzen
    und würde sich, selbst, wenn er keine Ahnung hat, wo er sich befindet,
    ziemlich schnell zurechtfinden

    man denke an die ganzen Entdecker, welche todesmutig die Kontinent durchquert haben,
    oder an Rüdiger Nehberg, der sich fast nackt allein im Dschungel hat aussetzen lassen
    und der dann eben nicht verhungert, verdurstet oder sonstwie gestorben ist
    http://www.amazonas.de/amazonas/reise_nehberg_aktion.html

    Rüdiger Nehbergs Geist war auf die Umwelt ausgedehnt

    3) in Süddeutschland gibt es verbreitet tonige Ackerböden,
    die sich nur innerhalb eines kleinen Zeitfensters bearbeiten lassen
    http://de.wikipedia.org/wiki/Minutenboden

    wenn der Bauer es nicht im Gefühl hat, wann er was zu tun hat,
    wird er keine gute Ernte einbringen

    der Geist des Bauern ist auf seine Scholle ausgedehnt

  • Was sind die Grenzen des Geistes? Damit sind nicht die Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit gemeint, sondern die Frage, wo der Geist endet und wo der Rest der Welt beginnt.

    Drei mögliche Antworten lauten:

    • Die Grenze sind unsere Haut oder der Schädel. Was sich jenseits dieser Markierungen befindet ist außerhalb des Geistes [...]


    Wenn man die Frage "wo befindet sich unser Geist in der Welt" überhaupt als sinnvoll ansehen möchte, dann tendiere ich zu dieser Antwort.

    Kommt aber natürlich sehr darauf an, was hier überhaupt mit "Geist" gemeint ist.

    Wer kennt heute noch die Telefonnummern seiner Freunde oder den eigenen Terminplan auswendig? Niemand. Sind wir vergesslicher geworden? Nein, meint der australische Philosoph David Chalmers. Ein Teil unseres Ichs und unseres Wissens sitze nämlich nicht im Gehirn, sondern in unseren Smartphones.


    Sitzt unser Wissen in Smartphones, in Computern, Notizbüchern, in den Köpfen Dritter? Ich denke nicht. Wenn ich weiß, wo ich nachschauen kann oder wen ich fragen kann, wenn ich etwas wissen oder etwas erinnern will, dann macht dieses Wissen das andere Wissen noch nicht zu meinem Wissen. Oder so gesagt: "Wissen, wo ich [evtl.: erneutes] Wissen über X erlangen kann" ist nicht dasselbe wie "Wissen über X".

    Oder, wenn wir nicht über Wissen sprechen, sondern über Erinnerung: wenn ich weiß, wie ich meine Erinnerung auffrischen kann - indem ich mir z.B. Fotos anschaue, einen Artikel lese oder meine Freunde frage - folgt daraus nicht, dass meine Erinnerung in den Fotos, im Artikel oder in meinen Freunden läge.

  • Was sind die Grenzen des Geistes? Damit sind nicht die Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit gemeint, sondern die Frage, wo der Geist endet und wo der Rest der Welt beginnt.

    Drei mögliche Antworten lauten:

    • Die Grenze sind unsere Haut oder der Schädel. Was sich jenseits dieser Markierungen befindet ist außerhalb des Geistes [...]


    Wenn man die Frage "wo befindet sich unser Geist in der Welt" überhaupt als sinnvoll ansehen möchte, dann tendiere ich zu dieser Antwort.

    Kommt aber natürlich sehr darauf an, was hier überhaupt mit "Geist" gemeint ist.

    Wer kennt heute noch die Telefonnummern seiner Freunde oder den eigenen Terminplan auswendig? Niemand. Sind wir vergesslicher geworden? Nein, meint der australische Philosoph David Chalmers. Ein Teil unseres Ichs und unseres Wissens sitze nämlich nicht im Gehirn, sondern in unseren Smartphones.


    Sitzt unser Wissen in Smartphones, in Computern, Notizbüchern, in den Köpfen Dritter? Ich denke nicht. Wenn ich weiß, wo ich nachschauen kann oder wen ich fragen kann, wenn ich etwas wissen oder etwas erinnern will, dann macht dieses Wissen das andere Wissen noch nicht zu meinem Wissen. Oder so gesagt: "Wissen, wo ich [evtl.: erneutes] Wissen über X erlangen kann" ist nicht dasselbe wie "Wissen über X".

    Oder, wenn wir nicht über Wissen sprechen, sondern über Erinnerung: wenn ich weiß, wie ich meine Erinnerung auffrischen kann - indem ich mir z.B. Fotos anschaue, einen Artikel lese oder meine Freunde frage - folgt daraus nicht, dass meine Erinnerung in den Fotos, im Artikel oder in meinen Freunden läge.

  • Dein Argument hat die allgemeine Form, aus A folgt nicht B. Nach meinem Gefühl vertreten die Autoren in dem kleinen einleitenden Gedanken-Experiment weder A noch B. Und ich bin mir nicht sicher, ob sie es überhaupt tun. (Ich bringe in Beitrag 10 ein Zitat, das vielleicht erhellend ist.)

    Man kann sich dieses Experiment veranschaulichen, in dem man an das Spiel Tetris denkt. In Fall (1) darf man die herabfallenden Steine nur in Gedanken drehen. In Fall (2) dreht man zusätzlich mithilfe der Tasten. Und in Fall (3) sind die Tastatur einfach internalisiert, also diesseits der Grenze, die die meisten intuitiv als die infrage stehende Grenze akzeptieren.

    Nach Ansicht der Autoren sind (1) und (3) gleich. Wenn das tatsächlich der Fall ist, ist schwer zu erklären, wieso (2) nicht ebenfalls äquivalent sein soll.

  • Dein Argument hat die allgemeine Form, aus A folgt nicht B. Nach meinem Gefühl vertreten die Autoren in dem kleinen einleitenden Gedanken-Experiment weder A noch B. Und ich bin mir nicht sicher, ob sie es überhaupt tun. (Ich bringe in Beitrag 10 ein Zitat, das vielleicht erhellend ist.)

    Man kann sich dieses Experiment veranschaulichen, in dem man an das Spiel Tetris denkt. In Fall (1) darf man die herabfallenden Steine nur in Gedanken drehen. In Fall (2) dreht man zusätzlich mithilfe der Tasten. Und in Fall (3) sind die Tastatur einfach internalisiert, also diesseits der Grenze, die die meisten intuitiv als die infrage stehende Grenze akzeptieren.

    Nach Ansicht der Autoren sind (1) und (3) gleich. Wenn das tatsächlich der Fall ist, ist schwer zu erklären, wieso (2) nicht ebenfalls äquivalent sein soll.

  • Ich will ein intuitives Gegenbeispiel probieren: Max und Moritz spielen eine Partie Schach. Max mogelt. Heimlich nutzt er ein Schachprogramm auf seinem Handy als Hilfe. Intuitiv würde ich auch dann von Mogelei ausgehen, wenn die App sich nicht im Handy, sondern irgendwo unter der Haut befände.

    Aber es gibt sicher auch Intuitionen, die für die These der Autoren sprechen. Wo ist der Geist, wenn wir mit den Fingern rechnen? Wirklich nur im Kopf? Wenn wir uns Face to Face unterhalten und jeder sich äußert sich, sagt also etwas geistvolles ... Wo ist dann diese Äußerung? In meinem Kopf? Im Schall? Im Kopf meines Gegenüber? Oder ist einfach das Gespräch geistvoll. Aber das Gespräch ist nicht in einem der Köpfe...

    Wenn man einen gemeinsamen Plan fasst, entsteht dann der Gedanke nicht im Hin und Her der Argumente?

    Wie ist es beim Schreiben oder Zeichnen? Hier gehören Papier und Stift zum Denkprozess dazu, will mir scheinen.

    Ich finde die These Chalmers hat was :)

  • Ich will ein intuitives Gegenbeispiel probieren: Max und Moritz spielen eine Partie Schach. Max mogelt. Heimlich nutzt er ein Schachprogramm auf seinem Handy als Hilfe. Intuitiv würde ich auch dann von Mogelei ausgehen, wenn die App sich nicht im Handy, sondern irgendwo unter der Haut befände.

    Aber es gibt sicher auch Intuitionen, die für die These der Autoren sprechen. Wo ist der Geist, wenn wir mit den Fingern rechnen? Wirklich nur im Kopf? Wenn wir uns Face to Face unterhalten und jeder sich äußert sich, sagt also etwas geistvolles ... Wo ist dann diese Äußerung? In meinem Kopf? Im Schall? Im Kopf meines Gegenüber? Oder ist einfach das Gespräch geistvoll. Aber das Gespräch ist nicht in einem der Köpfe...

    Wenn man einen gemeinsamen Plan fasst, entsteht dann der Gedanke nicht im Hin und Her der Argumente?

    Wie ist es beim Schreiben oder Zeichnen? Hier gehören Papier und Stift zum Denkprozess dazu, will mir scheinen.

    Ich finde die These Chalmers hat was :)

  • Um zu verdeutlichen, welche Ansichten die Autoren vertreten, hier noch ein Zitat aus dem Aufsatz:


    Feedbackschleife - dieser Aspekt fehlt bei meinem Schach-Beispiel, ist aber beim Zeichnen-Beispiel gegeben. Oder?

  • Um zu verdeutlichen, welche Ansichten die Autoren vertreten, hier noch ein Zitat aus dem Aufsatz:


    Feedbackschleife - dieser Aspekt fehlt bei meinem Schach-Beispiel, ist aber beim Zeichnen-Beispiel gegeben. Oder?

  • Geographie Teil 2

    wer in Italien steht
    und sich die Altstadt anschaut,
    der sieht wunderbar aufeinander abgestimmte Häuser
    über den Architekturstil lässt sich streiten,
    aber das Ensemble ist imposant

    wenn man sich Vorkriegsaufnahmen deutscher Städte ansieht,
    dann sieht man wunderbar abgestimmte Häuser
    über den Architekturstil lässt sich streiten,
    aber das Ensemble ist imposant
    wenn man heute in in einer deutschen Stadt steht,
    die im Krieg ausgebombt wurde,
    dann ist das Ensemble potthässlich
    (über den Architekturstil lässt sich streiten)

    wenn es in diesem thread nicht darum gehen sollte,
    die Kapazität des Hirns durch Implantate oder externe Schnittstellen zu erweitern,
    (= Raumschiff Enterprise Philosophie)

    dann könnte jetzt die Stunde der Kunst schlagen:
    denn wenn der Geist irgendwie ausgedehnt ist,
    dann schädigt Kitsch den Geist
    oder (noch besser),
    dann sind die Geister ohne Geschmack beschränkt

  • Geographie Teil 2

    wer in Italien steht
    und sich die Altstadt anschaut,
    der sieht wunderbar aufeinander abgestimmte Häuser
    über den Architekturstil lässt sich streiten,
    aber das Ensemble ist imposant

    wenn man sich Vorkriegsaufnahmen deutscher Städte ansieht,
    dann sieht man wunderbar abgestimmte Häuser
    über den Architekturstil lässt sich streiten,
    aber das Ensemble ist imposant
    wenn man heute in in einer deutschen Stadt steht,
    die im Krieg ausgebombt wurde,
    dann ist das Ensemble potthässlich
    (über den Architekturstil lässt sich streiten)

    wenn es in diesem thread nicht darum gehen sollte,
    die Kapazität des Hirns durch Implantate oder externe Schnittstellen zu erweitern,
    (= Raumschiff Enterprise Philosophie)

    dann könnte jetzt die Stunde der Kunst schlagen:
    denn wenn der Geist irgendwie ausgedehnt ist,
    dann schädigt Kitsch den Geist
    oder (noch besser),
    dann sind die Geister ohne Geschmack beschränkt

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