Hallo sam.
Wir können Luhmann gerne aus dem Spiel lassen.
QuoteWir befinden uns hier auf der Ebene der Kommunikation als der einzigen Ebene, die uns zur Verfügung steht.
Deine Nennung voneinander unterschiedener “Bewusstseinsstufen“ (unbewusst, halbbewusst, bewusst) verkennt, dass es sich hierbei wiederum selbst um ein sprachliches Ergebnis des prozessierten psychischen Systems Bewusstseins handelt, dessen operative Elemente Gedanken sind.
Ich glaube das kann man sagen, wenn man den Begriff der Sprach(spiel)e sehr weit fasst, wie etwa Wittgenstein das tut. Dennoch stehen wir vor der Schwierigkeit, dass etwa die Nahrung im Darm regelgerecht unterschieden und verarbeitet wird, dies aber ein vollkommen unbewusster Prozess ist.
QuoteDa wir von einer operativen Geschlossenheit der einzelnen Systeme ausgehen müssen, ist daher eine Spaltung des mit Gedanken operierenden Bewusstseins in unbewusste/halbbewusste/bewusste Bereiche unzulässig, aufgrund der hierarchisierenden Begriffsfassung “unbewusst, halbbewusst, bewusst“ erstens, und zweitens, was entscheidender ist, ein operativer Direktzugang in andere operativ geschlossene Systeme unterstellt wird, was der uralten Überschätzung rationalisierenden Bewusstseins gleichkommt.
Wir sind hier zwar wahrscheinlich anderer Meinung, aber der Kern der unterschiedlichen Sichtweise ist gut dargestellt. Für mich gibt es keine strikte Getrenntheit, sondern in der Tat Direktzugänge, die mal mehr, mal weniger überlappend sein können.
Ferner sind hierarchische Strukturen so gut dargestellt, sei es innerpsychisch, kulturell, deskriptiv, dass ich mich immer wundere, wie man diese Stufen ernsthaft ignorieren kann.
Als letztes glaube ich, dass die operativ getrennten Systeme in ihrer Bedeutung stets unterschiedlich dominant sind.
Das psychische System ist zunächst einmal sehr abhängig vom biologischen, später dominant vom sozialen und gewinnt erst dann mehr und mehr Autonomie, so sehr dass es soziale Systeme verändern kann und auch seinen Körper immer besser kontrollieren kann. Die Frage des Direktzugangs mag ihre Grenzen haben, aber schau Dir mal an, zu was z.B. ein Yogi in der Lage ist. Auch die Frage der anderen Sprache wäre zu diskutieren. Körperprozesse sind von bildhaft emotionalem Erleben schwer zu trennen, dabei handelt es sich keineswegs um Rationalisierungen.
Und, um zum Thema zurückzukommen, die Kraft des Individuums ist durchaus in der Lage Kriegen und Kriegsbegründungen zu widerstehen, natürlich ist da nur einer von vielen Faktoren.
Ich stimme Cornak ausdrücklich zu, wenn er die große Bedeutung der Massenpsychologie betont und hier geben sich eventuell interessante Schnittmengen.
Doch gerade in den Betrachtungen der Massenpsychologie geht es um das dynamische Wechselspiel von Individualpsyche (und der Frage und Untersuchung, wann und warum sie zu einer Kollektivpsyche verschmilzt) und der Masse und ihrem Tun und Treiben.
QuoteDie Konvertierung zwischen den Systemen selbst stellt dabei in der Tat ein Problem dar, was den empirischen Nachweis der neurophysiologischen Verortung des Bewusstseins im Gehirn, also der deduktiv-nomologischen Erklärung des Bewusstseins überhaupt betrifft, ganz zu schweigen etwa von einer “Erklärung“ unserer bewusst erfassten Lebenswelt mit ihren Kommunikationen.
Da stimme ich Dir ausdrücklich zu. Deshalb möchte ich auch niemandem einen Vorwurf machen, der an diesen Schwierigkeiten hängen bleibt, ärgerlich finde ich es, wenn ins Auge springende Widersprüche leger übergangen werden, zugunsten von Phantasiegebilden, die zeigen, dass die unerwartete Prominenz wohl nicht jedem gut tut.
QuoteIch hatte mir in der Vergangenheit erlaubt, Freuds griffigen Ausspruch umzukehren :
Wo ICH ist, soll ES werden, also die Anerkennung des Bewusstseins als eigenständiges Organ des Körpers.
Wer sollte das Anerkennen, wenn nicht das Ich?
Der Ausspruch von Freud ist allerdings auch anders gemeint, als Du ihn interpretierst. Es geht dabei nicht darum, dass ein kühl-rationaler Geist, versucht das Es (den Körper und seine Bedürfnisse) endgültig fernzusteuern, sondern es geht ganz im Gegenteil um eine Akzeptanz der Bedürfnisse. Das Ich soll seinen Einflussbereich (d.h. sein Bewusstsein) auf den Körper und seine Triebwünsche ausdehnen, es soll ja dazu sagen und die eigenen Triebe integrieren und (halbwegs sozialverträglich) leben, anstatt sie zu verdrängen.
QuoteEs ist aktuell eine heftig unangenehm auffallende Anmaßung des sogenannten eliminativen Materialismus, Strukturen wie ICH, VORSTELLUNG, GEDANKEN des sinnhaft prozessierenden Bewusstseins als mehr oder weniger belanglose “Epiphänomene“ zu bezeichnen.
Erstens verkennen solche Leute, dass ihre eigenen Ergebnisse diesen sogenannten EPIPHÄNOMENEN bis ins Mark hinein verpflichtet sind, zweitens handelt es sich dabei um die altbekannte kaltschnäuzige Borniertheit bestimmter Protagonisten der Wissenschaften (die scheinbar traditional nachzuwachsen scheinen), die einen Fortschritt in der Realisation einer de-idealisierten Theorien–Vereinheitlichung der zuständigen Wissenschaften und der Philosophie zu einem in sich geschlossenen Weltbild durch ihre blödsinnigen und geradezu vorsintflutlichen Hierarisierungen behindern.Es sei mir an dieser Stelle erlaubt zu sagen, dass Deine Aussagen bezüglich Niklas Luhmann eigentlich nur zeigen, dass Du Luhmanns Schriften nicht im Orginal verstehend durchgearbeitet haben kannst, sonst würdest Du keine derartigen, ein wenig kindisch anmutenden Floskeln von Dir geben (verzeih mir das “kindisch“).
Was Luhmann betrifft (den Du eigentlich auslassen wolltest?) stimme ich Dir zu.
Ich kenne zwar nicht nichts, aber wenig von ihm.
Bei Diskussionen mit selbsterklärten Konstruktivisten stand ich zumeist auch auf der anderen Seite, nur ist das Wort Epiphänomen dort angebracht, wo es sich ganz offensichtlich um eine derartige Zuweisung handelt und zwar von Seite der Konstruktivisten selbst.
Es ist schlicht ein performativer Widerspruch theoretische (und fast ein wenig dogmatisch) einzufordern (Du sollst nicht Hierarchisieren!), was man praktisch selbst nicht hält, etwa wenn Hirnforscher Roth anmerkt, das Ich könne nicht entscheiden, nur das Gehirn könne entscheiden „Ein weiterer Akteur ist nicht in Sicht.“ Kein Epiphänomen?
Eigentlich nicht, da das Ich hier gleich völlig negiert wird, was die Sache unterm Strich aber nicht besser macht.
Es hilft übrigens auch nicht, dort wo die Argumente auszugehen scheinen ad hominem zu argumentieren.
QuoteDie Zeit Niklas Luhmanns wird ganz allgemein kommen, wo sie vorerst nur in den Fachbereichen der Wissenschaften Einzug gehalten hat, fachspezifisch diskutiert wird, den Arbeitsfeldern angepasst usw.
Wie schon gesagt, wir sprechen hier ausschließlich über meine bescheidenen Auffassungen und nicht über die des Giganten Luhmann.
Operative Geschlossenheit IST AUTONOMIE und verwirklicht DIE FREIHEIT KOGNITIVER OFFENHEIT. Offenheit durch Geschlossenheit : das ist eine der Kernaussagen Luhmanns.
Bei so viel aufrichtiger Verehrung kann man vermutlich nur abwarten.
QuoteDieser “Eintritt“ lebender Systeme in die Gesamtevolution verdankt sich sozusagen der unbeobachtbaren Geburt einer Unterscheidung.
Was die Reduktion von Komplexität angeht, bezieht sich diese ja auch auf die Ebene der Beschreibung.
Auch Materialisten wie Dawkins oder Dennett haben ja inzwischen Abstand davon genommen, neurologische Prozesse von der Ebene der Physik her beschreiben zu wollen.
Es mag sein, dass Biologie nur etwas komplexere Physik ist und Bewusstseinsprozesse nur etwas komplexere Biologie, nur gerät die prinzipielle Möglichkeit der Darstellung dort an ihre Grenzen, wo sie derart komplex wird, dass niemand sie mehr versteht und sie erst wieder rückübersetzt werden müsste, wo sie überhaupt darstellbar ist.
(Komplexere) Biologische Systeme, sprechen offensichtlich eine andere Sprache, als die, die sich physikalisch gut darstellen lässt, hier geht es um Gleichgewichte, Puffer, Triebe, Prägungen, Erbkoordinationen, Instinkte...
Das ist die Sprache der Biologie und ihrer Systeme.
Die Frage ist nun: ist da wirklich etwas Neues dazugekommen (emergiert) oder beschreiben wird es einfach nur anders? Die nächste Frage ist, ob sich das überhaupt unterscheiden ließe?
(Der materialistische Philosoph) Dennett beschreibt es als eine schlichte Entscheidungsfrage, ob wir etwas als physikalisches System oder als intentionales System betrachten. D.h. unsere Art der Betrachtung, unsere Zuweisung macht ein System zu dem was es ist und entscheidend dafür ist pragmatischer Weise, was mit Blick auf die Prognosen das erfolgreichere Vorgehen ist.
Ob ein System nun intentional ist oder physikalisch, ist das nun mehr als eine Frage der pragmatischen Unterscheidung, oder nicht? Können wir das überhaupt entscheiden?
Unter diesem Blickwinkel ist es auch eine schlichte Frage des pragmatischen Erfolgs – und nicht ob es wirklich so ist! – ob ich etwas als Hierarchie darstelle oder nicht.
QuoteDisplay MoreWenn ich innerhalb eines Systems ein bestimmtes Subsystem herausgreife und sage, dieses System ist ein Epiphänomen innerhalb des Gesamtsystems, also eine wertende Hierarchie damit behaupte, dann ist das Ontologie, natürlich nur, sofern ich beanspruche, dass meine Aussage wahr ist.
Hierarchisierung ist demnach immer und ausschließlich Ontologie.
In unserem Fall geht es um Heterarchisierungen.Es geht hier nicht um Rechthabereien zwischen Personen (lass doch bitte in Zukunft den guten Luhmann aus dem Spiel, wenn Du mit mir kommunizierst…), sondern allein um Abstimmungen erkenntnistheoretischer Positionen hinsichtlich ihrer Fähigkeit der Erkenntniserzeugung.
(Allein das Unternehmen “Entanthropomorphisierung“ innerhalb der Naturwissenschaften zeigt doch, dass die Zeiten einer ontologischen Weltbetrachtung endgültig vorbei sind.)Was meinst Du denn, welches Unternehmen in der Philosophie stattgefunden hat?
Wenn wir eine einfache lebensnahe Beschreibung nehmen, dass Kinder mit etwa einem Jahr Laufen lernen, mit eineinhalb Sprechen, mit drei Emotionen von sich und anderen zu unterscheiden, sich selbst im Spiegel zu erkennen und all die vielen Facetten die bezogen auf Bewegung, Kogntion, Moral, Spracherwerb, Perspektivübernahmen, Über-Ich Entwicklung, Ich-Identifikation... bekannt und gut beschrieben sind, dann ist das eine klare Darstellung hierarchischer Abläufe, wo hat das etwas mit Ontologie zu tun? All das ist nun auch wissenschaftlich-empirisch erwiesen und dargestellt.[quote]Die empirische Welt spiegelt nichts anderes wider, als die Gesetzmäßigkeiten unserer Auslegungen.
Die Wahrnehmung der Tomate ist durch die Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmung bestimmt.
Du siehst die Tomate, fasst sie an. Ihre Existenz ist durch Deine Wahrnehmung bezeichnet.
Was sie ansonsten sein könnte, ohne unsere Wahrnehmung, wissen wir nicht und können es nicht wissen. Also müssen wir uns darüber schon keine Gedanken mehr machen.
(Wir haben, abgesehen von unserer Wahrnehmung, keinen Zugang zur Realität.)Da Du wieder auf einen Solipsimusversuch zurückgreifst („Wer von uns hat denn nun die Tomate erzeugt?“), zeigst Du, dass Du den bereits ausführlich besprochenen und eigentlich sehr einfachen einen erkenntnistheoretischen Schritt noch nicht zu gehen gewagt hast.
Das Kompliment könnte ich zurückgeben, denn Du weichst meiner einfachen Frage beharrlich aus.
Die rote Tomate als solche erkennen zu können, ist das nun eine neurologische (biologische) Konstruktion, oder eine soziale Konstruktion, oder eine Bewusstseinskonstruktion – oder welche Systeme spielen da wie zusammen.
Tatsächlich kann in Deinem Bewusstsein nur erscheinen, was auch empirisch da ist, ansonsten hättest Du eine Halluzination, oder bist Du anderer Ansicht?
„Rot“ kannst Du die Tomate nur nennen, wenn Du zuvor gelernt hast, was als „rot“ bezeichnet wird, oder meinst Du es sei anders? Das heißt Dein begrifferzeugendes Bewusstsein (und sein Gehirn) brauchen erst mal sozialen Input.
Das welterzeugende Gehirn steht also erst mal in einer gehörigen Abhängigkeit von seiner sozialen und empirischen Umgebung. Wo keine Tomate (= nichts Rotes) da ist, da ist auch nichts was man „rot“ nennen könnte. Ob eine da ist, überprüft man daran, ob andere sie auch sehen. Wo nur Du die Tomate siehst, hast Du entweder Halluzinationen oder besondere Fähigkeiten, was man weiter testen müsste.
„Rot“ nennst Du die Tomate nur, weil Du gelernt hast, zu welchen Dingen man „rot“ sagt, durch Deine soziale Umgebung. Danach erst erzeugt Dein Bewusstsein (oder Dein Gehirn) den Begriff „rot“.